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Verräterische Schattenprofile

Technik|Digitales

Verräterische Schattenprofile
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Aus sozialen Medien (rot) heraus lässt sich auch auf Vorlieben und Merkmale von Nichtnutzern (rechts) schließen (Grafik: David Garcia/ ETH Zurich)
Wer soziale Medien wie Facebook nutzt, dem muss klar sein: Das Netzwerk sammelt mit Vorliebe persönliche Daten. Dabei können Angaben und Aktivitäten im Netz nicht nur die eigene Privatsphäre tangieren, sondern auch die von Freunden und Bekannten. Eine Studie zeigt nun: Mithilfe öffentlich zugänglicher Informationen auf Social Media-Accounts lassen sich aufschlussreiche Vorhersagen über andere Nutzer und sogar Nicht-Nutzer treffen – zum Beispiel über deren sexuelle Orientierung oder den aktuellen Beziehungsstatus.

Viele Dinge, die wir in unserem Alltag tun, hinterlassen eine digitale Spur. Beim Einkauf mit der Kreditkarte, Surfen im Internet oder Spazierengehen mit dem Smartphone in der Tasche geben wir oft mehr von uns preis als wir glauben. Selbst aus vermeintlich anonymisierten Datensätzen lassen sich zum Beispiel Abonnenten von Streamingdiensten identifizieren oder Kreditkartenbesitzer ihren Einkäufen zuordnen. Mithilfe versteckter Standortangaben in Beiträgen auf Twitter & Co können unterschiedliche Accounts verlässlich einer konkreten Person zugeordnet werden. Und viele persönliche Informationen geraten ohne unser Wissen an Dritte, weil Apps, die wir benutzen, diese heimlich weitergeben.

Das Problem ist bekannt. Wem Privatsphäre wichtig ist, der überlegt daher sorgfältig, ob und wie er sich in der digitalen Welt bewegt. Doch wie viel wir von uns offenbaren, liegt längst nicht mehr nur in unseren eigenen Händen. Denn auch unsere Mitmenschen geben permanent sensible Daten von uns preis – zum Beispiel über die sozialen Medien. Deutlich wurde das spätestens, als Facebook im Jahr 2013 die Schließung einer Sicherheitslücke bekanntgab, über die Nutzer an Kontaktinformationen von Nicht-Freunden gelangen konnten. Das Brisante: Es waren auch Telefonnummern und Email-Adressen von Personen darunter, die gar keinen Facebook-Account hatten. Wie kann das sein? Facebook kommt an solche Daten unter anderem, in dem es sie aus den Handy-Telefonbüchern seiner Nutzer herunterlädt. Auch wer Facebook Zugriff auf Gmail oder andere Email-Dienste gewährt, gibt dabei Daten seiner Kontakte frei.

Vorhersagen über Nicht-Nutzer

Experten diskutieren dieses Sammeln von Informationen über Nicht-Nutzer inzwischen unter dem Schlagwort „Schattenprofile“. David Garcia von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat sich diesem Phänomen nun genauer gewidmet. Der Wissenschaftler wollte wissen: Können – abgesehen von den Kontaktdaten – weitere persönliche Informationen über Menschen herausgefunden oder mit hoher Sicherheit vorhergesagt werden, indem man die Angaben und Aktivitäten ihrer in sozialen Netzwerken aktiven Freunde und Bekannten analysiert? Zu diesem Zweck durchforstete Garcia unzählige Accounts des inzwischen stillgelegten sozialen Netzwerks Friendster, das über das sogenannte Internet Archive noch immer zugänglich ist. Dabei analysierte er unter anderem, inwiefern bestimmte persönliche Merkmale von Nutzern mit denen ihrer Kontakte zusammenhängen. So zeigte sich zum Beispiel, dass sich Homosexuelle häufiger mit Nutzern desselben Geschlechts vernetzen, Heterosexuelle dagegen eher mit Vertretern des anderen Geschlechts.

Sind solche statistischen Muster einmal für unterschiedliche Faktoren bekannt, lassen sie sich für Vorhersagen über Personen nutzen, die selbst keine persönlichen Daten über sich öffentlich gemacht haben – oder gar nicht in dem Netzwerk aktiv sind, dem Anbieter aber beispielsweise über das Telefonbuch eines Nutzers bekannt sind. Garcias Analyse ergab: Friendster hätte mithilfe dieser Informationen theoretisch relativ leicht auf die sexuelle Orientierung oder den Beziehungsstatus auch von Nicht-Nutzern schließen und diese Angaben für die Konstruktion eines „Schattenprofils“ nutzen können. Je mehr Nutzer sich im Laufe der Zeit über Friendster vernetzten und je freigiebiger diese Nutzer persönliche Informationen teilten, desto sicherer wurde Garcias Berechnungen zufolge dabei die Prognose: Je mehr Daten, desto besser die Vorhersage. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Privatsphäre des Einzelnen von den Entscheidungen anderer beeinflusst wird“, schreibt Garcia. Das Recht des Individuums, selbst über die Weitergabe persönlicher Informationen zu bestimmen, werde dadurch torpediert. Regelungen zum Schutz der Privatsphäre im Netz sollten dieses Phänomen daher stärker berücksichtigen, so seine Forderung.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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