Jo Lendle, studierter Kulturpädagoge und Verleger des Dumont-Buchverlags, hat sich dieser Biografie auf eigenwillige Weise angenommen. Er erzählt nicht nur bekannte Fakten, sondern beschreibt auch die vermeintlichen Gefühle Wegeners. Die Lücken, die andere Biografen lassen, wenn sie keine Belege finden, füllt Lendle mit Fantasie. Er malt aus, wie Wegener als Kind den Tod seines Bruders verarbeitete, der beim Schlittschuhlaufen ins Eis eingebrochen war, oder was ihm auf seinem Todesmarsch in Grönlands eisiger Einöde durch den Kopf ging. Das Buch nennt sich ehrlicherweise Wissenschaftsroman. Der Ansatz birgt zwar die Gefahr von Fehlinterpretationen, und der Leser weiß nie so recht, wo die saubere Recherche aufhört und die Fantasie beginnt. Allerdings hat sich Lendle sensibel in seinen Protagonisten und dessen Zeit eingefühlt. Er beschreibt Wegener als ebenso neugierigen wie vielseitigen Wissenschaftler. Die Kontinentaldrift, wofür der Forscher berühmt wurde, war nur eines seiner vielen Themen.
Klaus Jacob