Dabei kommt viel Unbekanntes zum Vorschein, zum Beispiel der Wandel der Sphinx auf ihrem Weg von Ägypten über den Vorderen Orient nach Griechenland. Am Nil war das Mischwesen männlich und ein Symbol der Königswürde gewesen. In Hellas wurde die Figur weiblich und bedrohlich. Später lud man sie noch erotisch auf und erklärte sie als todbringend, vor allem für schmucke junge Männer. Schließlich wurde die Sphinx als entschärfte Wächterin von Tempel und Friedhof in die patriarchalische Gesellschaft des klassischen Athens eingemeindet. Das Bedrohlich-Weibliche war besiegt.
Das war auch bei den anderen weiblichen Schauergestalten der Grundtenor: Die furchterregende Powerfrau Medusa in ihrer naturhaften Wildheit wurde vom kultivierten (natürlich griechischen) Supermann Perseus besiegt. Und Medea, die kompromisslos Liebende, wurde zerrieben in den Norm-Mühlen der athenischen Männergesellschaft. Dabei war der Skandal nicht der Kindsmord der wurde erst sehr viel später in den Mythos eingeflochten , sondern Medeas weibliche Selbstbestimmtheit.
Michael Zick