Pflanzen leiten mit elektrischen Signalen Botschaften vom Blatt bis zur Wurzel, ähnlich wie es Tiere und Menschen mit ihren Nerven tun. Sie lassen sich keineswegs klaglos von Raupen annagen, von Kühen fressen oder von Menschen pflücken. Der Wissenschaftsfilmer und -autor Volker Arzt macht eindrucksvoll klar, dass der Unterschied zwischen Tieren und Pflanzen längst nicht so groß ist, wie Biologen lange Zeit dachten. Das Grün hat ausgefuchste Strategien entwickelt, um Feinde abzuwehren, Nahrung zu finden und die Vermehrung zu sichern. Pflanzen können sich sogar untereinander verständigen, indem sie Gerüche aussenden und einfangen.
Das eindrucksvolle Buch ist das Nebenprodukt einer zweiteiligen Fernsehsendung, die Arzt über das Thema gedreht hat. Das ist kein Manko im Gegenteil: Filmen erfordert viel Zeit und Aufwand. Ein Naturfilmer kann sich nicht auf Internet und Telefon verlassen, er muss reisen und jedes Detail vor Ort studieren, schließlich braucht er Bilder. Arzt ist auf der Motivsuche monatelang um die Welt geflogen von Borneo bis Mexiko, von Südafrika bis Utah.
Buch und Film ergänzen sich ausgezeichnet: Während das Buch die Hintergründe erklärt, punktet der Film mit opulenten Bildern. Ein weiteres Plus: Der Fernsehbeitrag liegt dem Buch als DVD bei. Viele Szenen bekommen nach der Lektüre mehr Bedeutung, weil Arzt spannende Geschichten darüber erzählt etwa wie schwierig es war, im Tropensumpf Termiten zu finden, die gerade in eine fleischfressende Kannenpflanze fallen. Beeindruckend sind die vielen Beispiele pflanzlicher Finesse: die Tabakpflanze, die giftiges Nikotin erst produziert, wenn Insekten an ihren Blättern nagen, die winzigen Orchideensamen, die nur mithilfe von Pilzen keimen können, die Akazie, die sich Ameisen als Leibwache hält oder der Rote Gänsefuß aus dem Labor, der bei der kleinsten Berührung zusammensinkt, weil er nie Wind gespürt und deshalb nicht für Stabilität gesorgt hat. Die Sprache des mehrfach ausgezeichneten Journalisten macht das Buch vollends zum Genuss: klar, präzise und verständlich.
Klaus Jacob