Wenn Sie nicht gerade Autist sind, werden Sie die Unterhaltung bevorzugen. Auf Klatsch und Tratsch, Streit und Witzeleien sind wir Menschen nun einmal geeicht. Wie langweilig ist es für uns dagegen, wenn nur einer spricht! Aber wieso fällt unserem Gehirn der Dialog leichter? Müssen wir nicht ständig aufpassen, dass wir den anderen nicht unterbrechen oder dass wir selbst zu Wort kommen? Sie ahnen es schon: Die Erklärung wurzelt im Wirken von Spiegelneuronen und unserem Imitationsverhalten. Im Verlauf einer Unterhaltung imitieren wir die Ausdrücke unseres Gegenübers, ja sogar die syntaktischen Strukturen des jeweils anderen. Das tun wir ganz automatisch, das tut unser Hirn für uns.
So alltagsnah vermittelt Marco Iacoboni, in Rom geborener Neurowissenschaftler, der seit Langem an der University of California in Los Angeles lehrt, den Stand seines Fachgebiets. Seit der Entdeckung der Spiegelneuronen vor 20 Jahren ist der Kenntnisstand geradezu explodiert. Iacoboni berichtet von faszinierenden Experimenten rund um die Hirnentwicklung von Kindern und um die Rolle von Spiegelneuronen beim Sprechen sowie über neue Autismus- Therapien, die auf Imitations-Übungen setzen. Selbst Themen wie Gewalt in den Medien, Wirksamkeit von Werbung und politische Meinungsbildung gewinnt er im Spiegel der nützlichen Neuronen neue Gesichtspunkte ab.
Iacobonis Buch ist ein unterhaltsa mer Streifzug durch die Welt der Spiegelneuronen-Forscher. Der Italiener scheut sich nicht, seine Kollegen auch mit ihren menschlichen Seiten zu charakterisieren, und lässt immer wieder selbstironisch durchblicken, was in seinem eigenen Kopf so vor sich geht. Ein engagiertes und kluges Buch unbedingt lesenswert.
Judith Rauch