WUNDER DES LEBENS
DEN WUNDER-KITSCH der deutschen Ankündigung hat das schön gestaltete Buch nicht nötig. Der englische Originaltitel lautet sachlich: Von der Befruchtung zur Geburt. Wenn man die Unterzeile A Life unfolds frei übersetzt hätte (Ein Leben entfaltet sich), wäre das ein poetischer Hinweis auf Origami gewesen. Mit dieser japanischen Kunst des Papierfaltens, so erläutert der Autor Barry Werth, vergleichen manche Embryologen die Bildung der drei Keimblätter, aus denen sich spezifische Zellen für die verschiedenen Organe entwickeln. Den Vorgang beschreibt Werth ebenso anschaulich wie alle übrigen Phasen der menschlichen Entstehung. Erst die Verbindung von Wort und Bild erlaubt begreifbare Einblicke in das Verborgene. Die öffentliche Premiere war bereits 1965, als die Illustrierte Life Fotos von werdenden Kindern im Mutterleib abdruckte, die Lennart Nilsson mit einem zur Fetoskopie eingeführten Instrument aufgenommen hatte. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist Alexander Tsiaras zeigt nun das nicht mehr unmittelbar ablichtbare Innere des Fötus. Weil schwangeren Frauen die belastenden Untersuchungen nicht zuzumuten sind, hat Tsiaras hauptsächlich zu alten Präparaten aus Museumsbeständen gegriffen. An ihnen arbeitete er mit allen Tricks der digitalen Bildbearbeitung: Aus den durch Computer- und Kernspintomographie verfügbaren Daten ließ er eine spezielle Software eine fantastisch anmutende Wirklichkeit konstruieren.
Dr. J.-P. Stössel
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