SIE SIND ES LEID, dass der Verschollene oft so schlecht wegkommt. Darum haben zwei Wissenschaftler ein bemerkenswertes Buch über den Neandertaler geschrieben: Bärbel Auffermann, stellvertretende Direktorin des Neanderthal Museums in Mettmann, und Jörg Orschiedt vom Archäologischen Institut der Universität Hamburg. 1856 kamen nahe Düsseldorf die ersten Fossilien eines Neandertalers ans Licht einer Menschenform, die bis vor 30000 Jahren Europa besiedelte und seitdem nicht mehr nachweisbar ist. Bis in die Gegenwart genoss der stämmige Eiszeitler den Ruf eines unterbelichteten Tiermenschen, der dem klügeren Homo sapiens selbstverständlich weichen musste. Auffermann und Orschiedt präsentieren den heutigen Stand des Wissens. Das reich bebilderte Buch schafft Überblick über Fossilfunde, Werkzeug- und Siedlungsspuren, Klima und Lebensraum mit guten Karten , Lebensbedingungen und Aussehen unseres verschwundenen Verwandten. Und das Bild des tumben Rohlings schwindet von Seite zu Seite. Die Texte erheben keinen Anspruch, spannend zu unterhalten. Für Jugendliche wären sie allemal schwer verdauliche Kost. Der Reiz und Wert des Buchs liegt woanders: in der Stimmigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Fakten. Die Neandertaler setzt einen Standard, der schwer zu übertreffen sein wird. Was fehlt, ist ein Sach-, Orts- und Personenregister wohl eine absichtliche Unterlassung des Verlags, damit die Rezensenten an diesem ansonsten sehr guten Buch auch etwas zum Bekritteln finden.
Thorwald Ewe