Dazu reicht er die größten wissenschaftlichen Reinfälle des Forschers Freud. So schrieb der Wiener Nervenarzt ein kleines Buch, in dem er behauptete, Leonardo da Vinci sei wegen seiner starken Bindung an die Mutter homosexuell geworden. Das schloss er aus einer Kindheitserinnerung des Universalgenies an eine Begegnung mit einem “Geier”, der doch schon im alten Ägypten die Mutter symbolisiert habe. Dumm nur, dass Freud Leonardo falsch übersetzt hatte – der angebliche Geier war tatsächlich ein Milan.
Hervorgegangen ist Selgs Buch aus einer Vorlesung, die die Studenten offensichtlich ein für allemal gegen Freudianisches immunisieren sollte. Die gut hundert Seiten bieten eine amüsante Skandalchronik des Lebens eines Mannes, den Selg wohl als Scharlatan einstuft. Die im Titel aufgeworfene Alternative “Genie” steht jedenfalls nie ernsthaft zur Debatte.
Die Theorien Freuds werden äußerst knapp abgehandelt. Aber wer erst einmal erfahren hat, auf welch abenteuerlichen Wegen Freud zu seinen Behauptungen kam, ist an deren feinen Verästelungen auch kaum mehr interessiert.
Was nicht fehlt, ist allerdings die Geschichte vom “Wolfsmann” – dem berühmtestem Patienten des Nervenarztes. Entgegen seinen Behauptungen konnte der Doktor ihn nicht heilen. Und es bleibt sogar noch Platz für Freuds Wiener Haushaltsgehilfin Paula Fichtl und wie sie die Fortschritte der Patienten erlebte: “Die san mit Depressionen ins Haus kommen und genauso deprimiert wieder hinausgegangen”.
Jochen Paulus