Mit seinem glänzend geschriebenen neuen Buch gibt der Evolutionsbiologe Wilson, Professor an der Harvard University, einer der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Zeit und Pulitzer-Preisträger, eine Bestandsaufnahme des irdischen Lebens und seiner Bedrohung. Nebenbei lernt man höchst Erstaunliches über Biologie. So beschreibt Wilson, welchen harten Umweltbedingungen manche Organismen zu trotzen vermögen: Etwa unter Gletschern, im Gestein drei Kilometer unter der Erdoberfläche, in 113 Grad heißen Tiefsee-Schloten oder bei der 1000fachen Strahlungdosis einer Atombombe. Auch Kuriosiäten kommen nicht zu kurz beispielsweise, dass über 400 (harmlose!) Mikrobenarten in unserem Mund leben.
Das sind nur einige Extreme einer ungeheueren Vielfalt von schätzungsweise einigen dutzend Millionen verschiedener Arten weltweit. Aber die meisten werden ausgestorben sein, bevor sie jemals ein Forscher zu sehen bekommt. Hauptursache ist die Umwälzung, die das rapide Bevölkerungswachstum mit sich bringt Zerstörung von Lebensraum, Umweltverschmutzung und Übernutzung. Um 200000 wächst die Zahl der Menschen täglich, und „schon heute nimmt der Mensch rund 40 Prozent der von Grünpflanzen produzierten organischen Materie auf diesem Planeten in Besitz“. Homo sapiens ist längst zum „Serienkiller der Biosphäre“ avanciert.
„Wir durchlaufen einen ökologischen Engpass“, belegt Wilson im Detail. Er gibt sich trotzdem optimistisch und vertraut auf die Biophilie des Menschen eine angeborene Tendenz, sich mit anderen Lebensformen emotional in Beziehung zu setzen sowie den vielfältigen Nutzen der Arterhaltung, gerade auch in medizinischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Und er diskutiert eine Fülle von Auswegen, um den Engpass bestmöglich zu durchlaufen die nächsten hundert Jahre, die über Gedeih und Verderb der Mehrzahl aller Lebensformen auf unserem Planeten entscheiden werden. Denn die Zukunft des Lebens steht auf Messers Schneide.
Rüdiger Vaas ist Redakteur bei bild der wissenschaft