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Nobelpreis für Einblick ins biologische Uhrwerk

Erde|Umwelt

Nobelpreis für Einblick ins biologische Uhrwerk
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Vereinfachte Darstellung der molekularen Komponenten der zirkadianen Uhr. (Illustration: Nobel Foundation)
Wie funktioniert die innere Uhr von Lebewesen? Zentrale Einblicke in diese Frage haben wir Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young zu verdanken – dafür wurden sie nun gemeinsam mit dem Physiologie-Nobelpreis ausgezeichnet. Ihre Entdeckungen von molekularen Mechanismen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen ihren biologischen Rhythmus anpassen, damit sie an die unterschiedlichen Herausforderungen im Tagesverlauf optimal angepasst sind.

Konkret haben die Preisträger im Verlauf ihrer langjährigen Arbeit ein Gen isoliert, das maßgeblich den biologischen Rhythmus von Lebewesen kontrolliert. Sie konnten zeigen, dass dieses Gen ein Eiweiß bildet, das sich in Zellen während der Nacht ansammelt und dann während des Tages abgebaut wird. Anschließend identifizierten sie zusätzliche Proteinkomponenten dieses Systems und klärten so den Mechanismus auf, der das Uhrwerk in den Zellen steuert. Es handelt sich dabei um ein System, das bei allen vielzelligen Organismen, einschließlich des Menschen das biologische Uhrwerk regelt.

Bei Jetlag und Schichtarbeit macht sie sich bemerkbar

Wer schon einmal einen Jetlag durchgemacht hat, hat die Funktionen der inneren Uhr zu spüren bekommen: Unser Wohlbefinden ist betroffen, wenn wir aus dem gewohnten Rhythmus geraten. Dies verdeutlicht, wie stark unsere Körperfunktionen auf die Phasen des Tages eingestellt sind. Die innere Uhr reguliert dabei vor allem das Verhalten, den Hormonspiegel, das Schlafbedürfnis, die Körpertemperatur und den Stoffwechsel. Es gibt mittlerweile viele Hinweise darauf, dass eine chronische Dissonanz zwischen unserem Lebensstil und dem Rhythmus unseres inneren Zeitmessers mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten einhergeht.

Die Erforschung der inneren Uhr von Lebewesen hat bereits eine lange Tradition. Schon früh zeichnete sich ab, dass sich neben dem Menschen auch Tiere und Pflanzen an die tageszeitlichen Veränderungen in der Umwelt anpassen. Wie diese sogenannte zirkadiane Uhr arbeitete, blieb allerdings lange ein Rätsel. In den 70er Jahren konnten Forscher dann erstmals genetische Grundlagen der biologischen Zeitmessung aufzeigen: Mutationen in einem bestimmten Gen führten bei Taufliegen zu einer Störung der inneren Uhr.

An diese Ergebnisse knüpften die Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger an. Im Jahr 1984 gelang es Jeffrey Hall und Michael Rosbash an der Brandeis University in Boston in Zusammenarbeit mit Michael Young an der Rockefeller University in New York, das sogenannte Periodengen zu isolieren. Hall und Rosbash beschäftigten sich anschließend mit dem Eiweiß, das dieses Gen hervorbringt: mit dem Protein PER. Wie sie zeigen konnten, sammelt sich PER während der Nacht an und wird dann während des Tages abgebaut. So schwingen die PER-Protein-Niveaus über einen 24-Stunden-Zyklus – synchron mit dem cirkadianen Rhythmus.

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Mechanismus mit Rückkopplungsschleife

Unklar blieb bis dahin allerdings, wie diese Schwingungen erzeugt und erhalten werden können. So gingen die Forscher der Vermutung nach, dass das PER-Protein seine eigene Synthese durch eine inhibitorische Rückkopplungsschleife verhindert und damit sein eigenes Niveau in einem zyklischen Rhythmus reguliert. Hall und Rosbash konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass sich das PER-Protein während der Nacht im Zellkern ansammelt. Young ermöglichte dann schließlich die Erklärung, wie es dort überhaupt hin kommt: 1994 entdeckte er ein weiteres Uhren-Gen, welches das sogenannte TIM-Protein bildet, das für einen normalen circadianen Rhythmus erforderlich ist. Schließlich konnte er dann zeigen, dass wenn TIM an PER gebunden ist, die beiden Proteine in den Zellkern gelangen können. Dort blockieren sie die Aktivität des Periodengens, um die inhibitorische Rückkopplungsschleife zu schließen.

Bei den Entdeckungen der Preisträger handelte es sich um bahnbrechende Einblicke in die Prinzipien der biologischen Uhr, betont die Nobel Foundation. In den folgenden Jahren wurden andere molekulare Komponenten des Uhrwerkmechanismus aufgeklärt, was seine Stabilität und Funktion erklärt. Auch die Preisträger blieben am Ball: Sie identifizierten beispielsweise weitere Proteine, die für die Aktivierung des Periodengens erforderlich sind, sowie für den Mechanismus, mit dem Licht die innere Uhr synchronisiert. Seit den Entdeckungen der drei Preisträger hat sich die zirkadiane Biologie zu einem hochdynamischen Forschungsfeld entwickelt, mit Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, heißt es in der Begründung für die Preisverleihung.

Quelle:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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