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„Achtung: Ich werde rot!“

Technik|Digitales

„Achtung: Ich werde rot!“
Die Autos der Zukunft sollen intelligent sein, aber nicht die Kontrolle übernehmen. Sie unterstützen den Fahrer, indem sie etwa mit Ampeln kommunizieren.

Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass der silberne Wagen ein ungewöhnliches Gefährt ist: Der Fahrer hat die Hände vom Lenkrad genommen. Der Wagen fährt von ganz allein über den Parkplatz, ein paar Meter geradeaus, dann biegt er ab. Zielsicher steuert der Kombi auf eine Parklücke zu. Flott und ohne zu ruckeln gleitet er rückwärts hinein. Das Einparken sieht so einfach aus, dass man glatt vergisst, wie viel Technik dahinter steckt. Denn das Auto kann nicht nur autonom fahren: Es findet sogar Parklücken von ganz allein. „FASCar“ heißt das unscheinbare Fahrzeug, in dessen Kofferraum jede Menge Hightech verschraubt ist.

Das Automatische Einparken ist Teil des großen Forschungsvorhabens AIM (Anwendungsplattform Intelligente Mobilität) des DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig. Es soll den Verkehr sicherer, effizienter und komfortabler machen. Dabei geht es um weit mehr als Einparken. Die Braunschweiger erforschen, inwieweit Autos automatisch fahren können, damit der Verkehr besser fließt. Sie untersuchen, wie sich Auto, Bahn und Bus optimal miteinander verknüpfen lassen und wie sich der Verkehr besser managen lässt. AIM soll nicht nur wissenschaftliche Einzelergebnisse liefern, sondern Technologien hervorbringen, die sich direkt im Straßenverkehr einsetzen lassen.

Eine Kamera sucht Parkplätze

Ein Beispiel ist das Automatische Einparken. Dazu wurde am Bahnhof Braunschweig eine Kamera installiert, die freie Parkplätze erkennt und die Positionsdaten über Mobilfunk an FASCar sendet. Über ein GPS-System und Laserscanner findet das Fahrzeug dann allein den Weg zur Parklücke. Die Idee dahinter: Ein Reisender stellt sein Auto vor dem Bahnhof ab und eilt zum Zug, während sich das Auto selbst einparkt. Und auf dem Rückweg kann er, kurz bevor er mit dem Zug ankommt, das Auto per Smartphone zum Bahnhofsausgang bestellen. Das Automatische Einparken zeigt eindrucksvoll, dass sich Straßenverkehr und Eisenbahn komfortabel verbinden lassen.

Den Fahrer überflüssig machen soll AIM aber nicht. „Wir streben vielmehr ein hochautomatisiertes Fahren an“, sagt Henning Mosebach, Wissenschaftler am Institut. „Das intelligente Fahrzeug soll den Fahrer durch automatische Systeme unterstützen und in Gefahrensituationen schützen, aber keineswegs völlig die Kontrolle übernehmen.“ Zu diesem Zweck entwickeln Mosebach und seine Kollegen eine „Kommunizierende Kreuzung“: Auto und Ampel nehmen automatisch Kontakt miteinander auf. So sendet die Ampel ans Auto die Zeit, die bis zum Umschalten auf Grün noch bleibt. Das Auto kann dann sein Tempo so anpassen, dass es die Kreuzung bei Grün erreicht. Oder die Ampel weist das Fahrzeug schon von Weitem auf rotes Licht hin. Dass das funktioniert, haben die Forscher bereits gezeigt. Dazu statteten sie eine Hauptstraße in Braunschweig mit 30 intelligenten Ampeln aus, die mit FASCar Kontakt aufnehmen.

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Auch die Autos sollen sich künftig miteinander unterhalten. Sie sollen sich über Funk vor Unfällen warnen und automatisch abbremsen. AIM lässt diese Idee Wirklichkeit werden. Die Forscher arbeiten zum Beispiel an automatischen Funktionen wie dem Spurwechsel oder der Einfädelhilfe für die Autobahn. Die Bordcomputer der DLR-Fahrzeuge beherrschen derlei Manöver bereits. Die Autos wechseln an der Kreuzung von selbst in eine freie Abbiegespur, geben Gas, damit während der Grünphase möglichst viele Fahrzeuge die Kreuzung passieren, und wählen selbst die optimale Geschwindigkeit für die Grüne Welle. In den nächsten Monaten sollen weitere 20 Ampeln die Kommunikationselektronik erhalten.

„Wir haben einen Kooperationsvertrag mit der Stadt Braunschweig bis 2028, der es uns ermöglicht, die Technik ausführlich zu testen und optimal auf die Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer abzustimmen“, sagt AIM-Koordinator Lars Schnieder. „Die lange Laufzeit macht AIM einzigartig.“ Viele Forschungsprojekte enden nach wenigen Jahren und liefern nur Teilaspekte, AIM dagegen soll Technik für den Alltag bereitstellen. Dazu gehört, dass das hochautomatisierte Fahren zunächst ausgiebig simuliert und im Fahrsimulator getestet wird. Nur wenn die Probanden einen spürbaren Nutzen sehen, ist es sinnvoll, die Technik einzusetzen. Eine Automatik etwa, die das Auto vor einem Unfall abbremst oder sanft die Spur wechseln lässt, entspannt den Fahrer genauso wie die automatische Einparkhilfe.

Ampeln verraten die Staulänge

Selbstverständlich wird sich die Technik in den nächsten 15 Jahren noch stark weiterentwickeln. Es wird neue Assistenzfunktionen, Technologien und Bedürfnisse geben. Die bei AIM entwickelte Software wurde deshalb so konzipiert, dass sich jederzeit neue Funktionalitäten ankoppeln lassen. Eine intelligente Ampel etwa könnte künftig Verkehrsinformationen sammeln und an eine Zentrale melden. Aus den Daten vieler Ampeln ließe sich die Staulänge berechnen.

„Natürlich kann man solche Informationen auch nutzen, um das ganze Verkehrssystem einer Stadt zu optimieren“, sagt Schnieders Kollege Frank Köster. „Beispielsweise indem man attraktive Buslinien konzipiert, die es den Menschen schmackhaft machen, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen.“ Die Erkenntnisse des mit 15 Millionen Euro geförderten Projekts aus Braunschweig sollen auf andere Städte übertragen werden. Die Vision ist, dass man an vielen deutschen Bahnhöfen Autos sieht, die allein vorfahren und auf ihre Passagiere warten. (

Der Wissenschaftsjournalist TIM SCHRÖDER aus Oldenburg war erstaunt darüber, wie viel irdische Forschung das DLR betreibt.

von Tim Schröder

Immer schön seitwärts

Wie weit autonomes Fahren bereits möglich ist, zeigt das elektrische Robomobil „ROMO“, entwickelt am DLR. Das Auto überwacht mit Kame- ras die Umgebung und kann sich so selbstständig durch den Verkehr navigieren. Ein großes Plus ist seine Wendigkeit: ROMO wird mit vier ein-zelnen Motoren angetrieben, die in der Radnabe sitzen. Die Räder lassen sich um 90 Grad schwenken, sodass das Fahrzeug zum Beispiel seitwärts wie ein Krebs in eine Parklücke huschen kann. Auch eine Drehung auf der Stelle ist möglich. All das reduziert den Platzbedarf des Fahrzeugs. ROMO zeigt, wie effektiv Mobilität in engen Ballungsräumen sein kann.

„Bonuszahlung fürs Radfahren“

Welche Ziele verfolgt die Verkehrsforschung heute?

Wir suchen nach Wegen, um die Mobilität, wie wir sie heute kennen, zu erhalten und zugleich ihre negativen Auswirkungen zu bekämpfen: die Luftverschmutzung, den Lärm und die Folgen für das Klima. Man muss zudem dafür sorgen, dass Bürger aller Gesellschaftsgruppen mobil sein können – Senioren, junge Menschen, Erwerbstätige und Menschen mit geringem Einkommen.

Das sind hehre Ziele. Lässt sich eine so große Aufgabe denn tatsächlich meistern?

Ja, indem man alle Verkehrsmittel zusammen betrachtet und über eine flexible Nutzung nachdenkt. Wir nennen diese Verknüpfung von Auto, Bus und Bahn „Intermodalität“. Für den Bürger muss es attraktiv sein, von einem Verkehrsmittel auf das andere umzusteigen. Dafür müssen wir Gewohnheiten ändern, und dafür muss manchmal ein wenig nachgeholfen werden: Krankenkassen könnten ihren Versicherten einen Bonus für die Fahrt mit dem Rad zur Arbeit zahlen. Eintrittskarten für Großveranstaltungen, die auch als Bus-Fahrkarte gelten, sind eine andere Idee. Das Parkplatzmanagement in den Städten sowie Park & Ride-Systeme haben sich längst bei der Verkehrsregulierung bewährt.

Mit welchen neuen Lösungen befassen sich die Verkehrsforscher in Ihrem Team?

Wir arbeiten daran, das Verhalten der Menschen noch besser zu verstehen und in Verkehrsnachfragemodellen zu simulieren. Da werden dann verschiedene Nutzertypen getestet, die aus ganz unterschiedlichen Gründen Auto, Bahn oder Fahrrad wählen. Wir wollen wissen, wann und warum sich Menschen für ein Verkehrsmittel entscheiden. Genügt es zum Beispiel, den Fahrpreis zu halbieren, um die Fahrgastzahlen zu verdoppeln? Wir haben mathematische Modelle entwickelt, die simulieren, wer wann umsteigt. Diese Systeme setzen wir auch in der Politikberatung ein – zum Beispiel bei der Frage, welches Potenzial neue Konzepte haben, die mit unterschiedlichen Technologien und Maßnahmen den Verkehr nachhaltiger machen könnten.

Das geht deutlich über technische Aspekte hinaus …

Richtig. Beim Thema Verkehr spielt zum Beispiel auch die Stadtplanung eine große Rolle. Heute weiß man: Supermärkte auf der Grünen Wiese führen zu mehr Autoverkehr. Eine Durchmischung von Arbeit, Einkaufen und Wohnen in der Stadt erleichtert den Umstieg aufs Fahrrad. Aber auch die Technik ist entscheidend. Unfälle lassen sich vermeiden, wenn Autos zum Teil automatisch fahren und bei Gefahr von allein abbremsen. Lärm und Luftverschmutzung lassen sich durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen verringern.

Ein Großteil des Verkehrs wird heute durch den Transport von Gütern verursacht. Was kann man hier tun?

Auch hier geht es darum, alle Verkehrsträger zu betrachten, zum Beispiel den Kombiverkehr von Straße und Schiene: Wie viele Güter kann die Bahn transportieren? Optimierte Logistiksysteme erleichtern den Umstieg auf die Schiene. Entscheidend ist, dass die Lösungen wirtschaftlich sind.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

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ta|chis|tisch  〈[–is–] Adj.; Mal.〉 in der Art des Tachismus; oV taschistisch … mehr

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Syn|dak|ty|lie  〈f. 19; Med.〉 erbliche, angeborene Verwachsung von Fingern od. Zehen [<grch. syn … mehr

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