Wenn Eltern mit ihren Babys sprechen, ändert sich ihr Kommunikationsverhalten deutlich: Ihre Stimme wird höher, sie sprechen langsamer, artikulieren übertrieben und verfallen dabei in eine Art Singsang. Außenstehende mögen das mitunter merkwürdig finden. Doch diese „Babysprache“ erfüllt eine wichtige Funktion. Studien belegen, dass diese umgangssprachlich auch „Mutterisch“ genannte Art zu sprechen nicht nur die Emotionen der Kinder verstärkt anspricht. Sie scheint darüber hinaus den Spracherwerb zu unterstützen und Babys dabei zu helfen, den Sinn hinter Silben und Sätzen zu entschlüsseln.
Elise Piazza von der Princeton University und ihre Kollegen haben nun eine weitere Eigenart der mütterlichen Sprechweise entschlüsselt: Ohne es zu merken, ändern Frauen offenbar sogar die Klangfarbe ihrer Stimme, wenn sie sich dem eigenen Kind zuwenden. „Die Klangfarbe kann man am besten als die einzigartige Qualität eines Tons definieren“, erklärt Piazza. Sie wird bestimmt durch das charakteristische Gemisch aus Grundton, Obertönen und Rauschanteilen sowie zeitlichen Variationen und der Lautstärke des Tons. Sie ist verantwortlich dafür, dass sich eine Blockflöte ganz anders anhört als eine Gitarre und die seidige Stimme von Barry White ganz anders als die raue von Tom Waits – und zwar selbst dann, wenn beide exakt dieselbe Note singen. Die Klangfarbe sorgt auch dafür, dass wir die Stimme eines uns bekannten Menschen selbst dann erkennen, wenn wir ihn nur hören und nicht sehen.
Wechselspiel der Klangfarben
Für ihre Studie beobachteten die Forscher zwölf englischsprachige Mütter, die mit ihren sieben bis zwölf Monate alten Sprösslingen spielten. Dabei ließen sie ein Tonband laufen. Zusätzlich nahmen sie die Stimmen der Frauen auf, während diese sich mit Erwachsenen unterhielten. Mithilfe dieser Aufnahmen erstellten sie schließlich ein individuelles Klangfarbenprofil für jede Probandin. Dabei stellten sie fest: Die Stimmen der Frauen waren zwar so einzigartig wie ihr Fingerabdruck – doch dieser Fingerabdruck änderte sich. Redeten die Mütter mit Erwachsenen, war die Klangfarbe anders, als wenn sie mit ihren Babys sprachen. „Bei allen Müttern verschiebt sich die Klangfarbe dabei auf eine ähnliche Weise“, sagt Piazza.
Der Unterschied zwischen den beiden Sprechweisen der Mütter war dabei so deutlich, dass ein Computer mithilfe eines Algorithmus lernen konnte, verlässlich zwischen Babysprache und normaler Sprechweise zu differenzieren. Wie die Wissenschaftler betonen, gelang dies unabhängig von der Tonhöhe oder verräterischen Hintergrundgeräuschen und schon nur eine Sekunde lange Sprachproben genügten dafür.
Ein universelles Merkmal
Doch ist die Verschiebung des Klangspektrums tatsächlich ein universelles Merkmal der Babysprache – etwas, dass allen Frauen unabhängig von ihrer Muttersprache gemein ist? Um das zu überprüfen, führten Piazza und ihre Kollegen den gleichen Test noch einmal mit zwölf Müttern durch, die allesamt unterschiedliche Sprachen beherrschten. Das Ergebnis: Egal ob Mandarin, Polnisch, Russisch, Französisch, Spanisch oder Deutsch – der Fingerabdruck der Stimme veränderte sich immer nach demselben Muster, wenn die Frauen mit ihren Babys sprachen. „Das ist faszinierend, denn die Sprecher bemerken diesen Wechsel der Klangfarbe gar nicht – und trotzdem scheint er ein charakteristisches Merkmal unserer Kommunikation mit Babys zu sein“, kommentiert die nicht an der Studie beteiligte Psychologin Jenny Saffran von der University of Wisconsin in Madison.
Piazza und ihre Kollegen wollen nun herausfinden, inwiefern der Wechsel der Klangfarbe den Kindern womöglich beim Lernen hilft. Sie vermuten: Der einzigartige Klangfarben-Fingerabdruck könnte es den Babys erleichtern, von Geburt an zwischen der Stimme der eigenen Mutter und den Stimmen anderer Erwachsener zu unterscheiden. Auch die Väter haben die Forscher im Visier: „Wir glauben, dass auch sie ihre Stimme in ähnlicher Weise verändern wie die Mütter“, schließt Piazza.