Das Tierreich ist bekannt für seine Vielfalt an oftmals bizarren Fortpflanzungsstrategien. Und dass es dabei nicht immer sehr zart zugeht, ist schon länger bekannt. Forscher bezeichnen Extreme dieser Art sogar sehr passend als traumatische Paarung. “Das passiert, wenn Fortsätze des Männchens die Körperhülle des Weibchen während der Kopulation durchbohren, egal, ob dies der Empfängerin schadet oder nicht”, erklären Rolanda Lange von der Universität Tübingen und ihre Kollegen. Meist dient dieses durchbohren gar nicht der eigentlichen Paarung, also der Übertragung von Spermien, sondern findet parallel dazu statt. Injiziert wird dabei meist ein Drüsensekret, das beim Weibchen hormonähnliche Wirkungen auslöst.
Direkt zwischen die Augen
Ein besonders rabiates Beispiel einer solchen traumatischen Paarung haben die Forscher nun bei Meeresschnecken der Gattung Siphopteron entdeckt. Diese nur rund fünf Millimeter kleinen Nacktschnecken sind Zwitter. Sie paaren sich, indem beide Partner ihren Penis in den Samenbehälter des jeweils anderen einführen. Das aber ist noch nicht alles: Als die Forscher einige Vertreter dieser Gattung im Labor bei der Paarung beobachteten, wurden sie Zeugen einer besonders bizarren Sexpraktik. Bei einer der Siphopteron-Arten bohrte der eine Partner dem anderen seinen speerähnlichen Penis-Anhang direkt zwischen die Augen. Wie sich bei Untersuchungen herausstellte, injizierte er dabei seinem Gegenüber ein Prostata-Sekret.
“Das ist das erste Beispiel einer traumatischen Paarung, bei der Drüsensekrete direkt in den Kopf des Partner injiziert werden”, berichten Lange und ihre Kollegen. Dieser Schneckenart unterscheide sich damit drastisch von allen anderen bekannten, die solche Sekrete meist in der Nähe der Geschlechtsorgane übertragen oder in die Bauchhöhle injizieren.
Welche Wirkung diese Sekretübertragung hat, konnten die Forscher noch nicht eindeutig feststellen. Von anderen Schneckenarten ist aber schon bekannt, dass deren Prostatasekrete hormonähnlich wirkende Substanzen enthalten. Die Injektion zwischen die Augen könnte daher ein besonders sensibles Organ anvisieren so die Vermutung. Denn es transportiert das Prostatasekret direkt in die Nähe des zentralen Nervensystems des Partners. Die in den Sekreten enthaltenen bioaktiven Proteine könnten die Funktion der Neuralganglien beeinflussen und so die Fortpflanzung des Partners manipulieren. Beispielsweise indem sie die Eiablagerate erhöhen oder den Befruchtungserfolg der frisch übertragenen Spermien optimieren. Eine solche neuro-physiologische Manipulation sei auch von vielen Parasiten bekannt. Allerdings: Bei den Meereschnecken beruht diese Manipulation auf Gegenseitigkeit. Denn bei ihrer rabiaten Paarung verpassen sich beide Partner gegenseitig die Kopfinjektion.