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10 Vorurteile über Dämmstoffe

Technik|Digitales

10 Vorurteile über Dämmstoffe
In Deutschland sollen bis 2050 sämtliche Gebäude energetisch saniert sein. Doch wie und was gedämmt werden soll, ist umstritten.

Viele Hausbesitzer sind ratlos. Sie fragen sich: Soll ich mein Eigenheim energetisch sanieren? Wie viel wird das kosten? Und: Kommen diese Kosten jemals wieder herein? Doch diese Fragen lassen sich nicht allgemeingültig beantworten. Zudem sind die Diskussionen darüber von Halbwahrheiten geprägt und werden manchmal mit einer Emotionalität geführt, die an religiösen Eifer erinnert. Gestritten wird um Dämmstoffe, Heizungstechnik und Amortisationszeiten sowie um die Frage, ob Klimaschutz überhaupt etwas kosten darf.

Geht es nach der Bundesregierung, sollten die Hausbesitzer zur Tat schreiten. Das Ziel: Bis 2050 soll Deutschland einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ haben. Der Hintergrund: Gebäude verzehren in Deutschland rund 40 Prozent der Energie. Nirgendwo sonst ist das Einsparpotenzial größer. Aber das ist eine Mammutaufgabe. Jedes Jahr müssten zwei Prozent der nicht isolierten Gebäude energetisch saniert werden, um das Ziel zu erreichen. Sie müssen eingepackt werden in Dämmstoffe wie Polystyrol oder Mineralwolle, Heizungen sind auszutauschen, neue Fenster einzubauen. Milliarden Euro sollen die Hausbesitzer dafür aufwenden. Doch das werden sie nicht tun, ohne hinterfragt zu haben, ob sich die Investition lohnt – für den Klimaschutz und den eigenen Geldbeutel.

An der Wirtschaftlichkeit erhitzen sich die Gemüter – wie im Frühjahr 2013, als die KfW-Bankengruppe die Ergebnisse einer Studie veröffentlichte, die das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos erstellt hatte. Die Studienautoren maßen die Effekte der durch die KfW geförderten energieeffizienten Neubau- und Sanierungsprojekte. Demnach würden bis 2050 insgesamt 838 Milliarden Euro investiert, denen eingesparte Energiekosten von nur 372 Milliarden Euro gegenüberstünden.

Hohe Wellen in den Medien

„Die große Lüge von der Wärmedämmung“, titelte daraufhin die Zeitung „Die Welt“. Und die „Wirtschaftswoche“ meldete: „Politik treibt Hausbesitzer in den Energiesparwahn“. Die Aufregung war groß. Die KfW bemühte sich, die Wogen zu glätten, und schob schnell weitere Zahlen nach: Bei den 838 Milliarden handele es sich um alle von der Bankengruppe geförderten Investitionen – für Neubauten und Sanierungsprojekte. Für Sanierungen allein sah das Modell nur 507 Milliarden Euro vor.

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Davon seien 270 Milliarden Euro „Ohnehin-Kosten“ – Investitionen in Bestandsgebäude, die auch ohne energetische Verbesserungen nötig wären, etwa um ein marodes Dach zu sanieren. Nur 237 Milliarden Euro entfielen auf „energieeffizienzbedingte“ Mehrausgaben: auf Kosten, die etwa durch zusätzliche Dämmung entstehen. Dem stellte die KfW Einsparungen bei den Energiekosten von 361 Milliarden Euro gegenüber. Das Pendel war damit zwar wieder auf die Seite der Ersparnis umgeschlagen, doch die Skepsis war da bereits in die Welt gestreut.

Thomas Lützkendorf vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ärgert sich über solche Diskussionen: „Es sind alte Rituale. Die Befürworter einer Pro- oder Kontra-Position wiederholen ihre Argumente oder interpretieren komplexe Zusammenhänge einseitig – und so geht das ewig weiter“, kritisiert der Professor für Ökologie und Ökonomie des Wohnungsbaus, der sich mit der Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierungen befasst. Lützkendorf setzt sich für eine Versachlichung der Diskussion und die gemeinsame Suche nach den richtigen Lösungen ein. Schließlich erfreue sich der Gedanke, den Verbrauch fossiler Energie einzuschränken und die Umwelt zu schonen, breiter Akzeptanz. Andererseits würden oft Maßnahmen abgelehnt, mit denen sich das erreichen ließe – eine „ schizophrene Situation“, findet KIT-Wissenschaftler Lützkendorf.

Am häufigsten stößt die Wärmedämmung von Gebäuden auf Ablehnung. Doch das Thema ist von Halbwahrheiten und pauschalisierenden Aussagen geprägt. Wir nennen die zehn hartnäckigsten Vorurteile über Gebäudedämmung – und sagen Ihnen, was davon stimmt.

Vorurteil 1: Wände müssen atmen können, damit sich kein Schimmel bildet.

Das Vorurteil liegt zwischen Mythos und Wahrheit. Die Bezeichnung „Atmen“ ist auf jeden Fall falsch, denn das suggeriert, dass Luft durch eine Wand ein- und ausströmt. Das gibt es in einem intakten Gebäude nicht. Gemeint ist eine sogenannte diffusionsoffene Bauweise: Feuchtigkeit, die in die Wand eingedrungen ist, kann sich dort durch feine Kapillaren bewegen und die Wand wieder verlassen – ob nach innen oder außen, hängt vom Innen- und Außenklima sowie vom Material ab. Eine diffusionsoffene Bauweise kann dazu beitragen, dass die Wand innen trocken bleibt.

Hier lassen sich beim Dämmen von Gebäuden schwere Fehler machen: Werden die falschen Baustoffe kombiniert, kann es zum Ausfallen von Feuchtigkeit in der Konstruktion kommen. Auf das Wohnklima und die Schimmelbildung an den Innenwänden hat es jedoch kaum Einfluss, ob ein Wandaufbau diffusionsoffen ist oder nicht.

Vorurteil 2: Hinter gedämmten Wänden bildet sich leicht Schimmel.

Das ist ein Mythos. Schimmel an Innenwänden entsteht, wenn sich Feuchtigkeit an der Oberfläche niederschlägt. Das kann passieren, wenn die Luft im Innenraum zu feucht oder die Wand zu kalt ist. Meist ist es eine Kombination aus beidem. Da eine gedämmte Wand innen weniger kalt ist als eine ungedämmte, ist die Gefahr von Schimmelbildung bei gedämmten Häusern nicht größer, sondern geringer.

Dennoch ist Schimmel ein verbreitetes Phänomen, vor allem in sanierten Altbauten. Ein Grund liegt im Nutzerverhalten: Heute wird häufiger geduscht und gebadet als zu der Zeit, als die Häuser gebaut wurden. So entsteht mehr Feuchtigkeit. Und da bei der Sanierung die meist zugigen Altbaufenster durch neue dichte ersetzt werden, fällt die „Zwangsbelüftung“ weg. Feuchte Raumluft wird nur gegen trockene Frischluft von draußen ausgetauscht, wenn ausreichend gelüftet wird.

Das ist besonders dann kritisch, wenn beim Dämmen geschlampt wurde und Wärmebrücken zurückgeblieben sind. Dort, an der nun kältesten Stelle der Wand, schlägt sich Feuchtigkeit nieder – und es droht Schimmelbefall. Problematisch ist auch eine nicht sachgerechte Innendämmung, bei der warme, feuchte Raumluft zwischen Dämmung und Wand dringen kann.

Vorurteil 3: Eine Dämmung spart viel Energie und Geld.

Auf der Mythos-Skala hat diese Doppelaussage keinen eindeutigen Platz. Energie spart eine Dämmung immer, auch wenn es einige selbsternannte Experten gibt, die das anzweifeln. Sie betonen, dass die Außendämmung die Sonnenwärme abhält, die auch im Winter auf das Gebäude trifft. Das stimmt zwar, doch der Effekt ist gegenüber der Ersparnis durch die geringeren Wärmeverluste besonders nachts und auf den der Sonne abgewandten Gebäudeseiten zu vernachlässigen. Ob eine Dämmung auch Geld spart, hängt vom Einzelfall ab.

Vorurteil 4: Die Produktion einer Dämmung kostet mehr Energie, als sie einspart.

Die Frage nach dem Energiebedarf für die Herstellung von Bau- und Dämmstoffen ist sinnvoll. Dieser Energieaufwand wird häufig als „Graue Energie“ zusammengefasst. Am aussagekräftigsten ist dabei die energetische Amortisationszeit – jene Zeit, in der ein Dämmstoff die Einsparung von so viel Energie bewirkt hat, wie zu seiner Herstellung nötig war. Hier macht selbst das viel gescholtene Polystyrol eine gute Figur: Je nach Dämmstoffdicke liegt die energetische Amortisationsdauer bei 5 bis 14 Monaten. Dass die Produktion der Dämmung mehr Energie kostet, als sie einspart, ist also ein Mythos.

Vorurteil 5: Eine monolithische Bauweise ganz ohne Dämmung ist bauphysikalisch die beste Lösung.

Außenputz, Mauerwerk, Innenputz: So sieht der Wandaufbau bei einer monolithischen Bauweise aus. Dank neuartiger Baustoffe lassen sich mit solchen Wandaufbauten Dämmwerte erreichen, die ohne eigene Dämmschicht den aktuellen gesetzlichen Standards entsprechen. Dazu werden entweder Blöcke aus Porenbeton verwendet, der isolierende Hohlräume enthält, oder es kommen Hohlraumziegel zum Einsatz, bei denen die Hohlräume zusätzlich mit Mineralwolle oder einem Granulat ausgedämmt sein können. Die Vorteile: Es gibt keine zusätzliche Dämmschicht, die irgendwann ersetzt werden muss. Wegen des gleichmäßigen Temperaturgefälles in der Wand besteht zudem keine Gefahr, dass Tauwasser ausfällt. Und mit ihrer großen Masse wirkt die Wand dämpfend auf Temperatursprünge – ein Pluspunkt sowohl im Sommer als auch im Winter. Daher ist ein solcher Wandaufbau in der Tat die beste Lösung.

Vorurteil 6: Dämmsysteme müssen mit Giften behandelt werden, sonst wachsen Algen und Pilze darauf.

Das ist eine Tatsache: Mit Dämmverbundsystemen isolierte Wände neigen mehr als massives Mauerwerk dazu, Algen oder Pilze anzusetzen. Sie sind außen kälter, sodass sich eher Tauwasser niederschlägt und Schlagregen langsamer trocknet. Zudem kann der Dämmstoff meist kein Wasser aufnehmen und somit nicht als Feuchtepuffer dienen. Und: Die Feuchtigkeit bildet die Grundlage für mikrobielles Wachstum. Daher werden zwar nicht der Dämmstoff, aber Putz und Farbe für den Außenanstrich mit Bioziden versehen, die diesen Organismen den Garaus machen sollen.

Für die Dauerhaftigkeit von Fassaden sind diese Chemikalien nach heutigem Kenntnisstand unverzichtbar. Der kritische Punkt: Die Biozide müssen wasserlöslich sein, sonst können sie die Organismen, die sie bekämpfen sollen, nicht erreichen. Doch das führt auch dazu, dass sie durch Regen aus der Fassade ausgewaschen werden und so in Boden und Grundwasser sowie in Bäche und Seen gelangen. Welche Folgen das für die Umwelt hat, ist noch unklar.

Vorurteil 7: Dämmstoffe produzieren Berge von Sondermüll, die kaum zu beseitigen sind.

„Warum ein ganzes Land seine Häuser in Sondermüll einpackt“, titelte im Frühjahr 2013 die Zeitschrift „capital“ und zeichnete ein düsteres Szenario von Bergen unbrauchbar gewordener Gebäudedämmungen, deren Entsorgung „ein Albtraum“ sei. Es ist in der Tat eine ernstzunehmende Frage, was mit dem Dämmmaterial einmal geschehen soll, das an den deutschen Fassaden klebt: Ungefähr 60 Millionen Kubikmeter Polystyrol-Hartschaum sind Schätzungen zufolge schon verbaut. Damit könnte man 150 Mal den Kölner Dom nachbauen. Dazu kommen 11 Millionen Kubikmeter Mineralwolle. Bisher gibt es kein schlüssiges Konzept zur Entsorgung der Dämmstoffe in großem Stil – denn es fällt derzeit so wenig Altmaterial an, dass sich die Frage noch gar nicht stellt. Sicher ist: Beim Abriss eines Gebäudes müssen die Dämmstoffe möglichst sortenrein getrennt werden. Im schlechtesten Fall wird das Material dann als Müll verbrannt, im besten Fall recycelt – an einem entsprechenden Verfahren arbeiten Wissenschaftler derzeit. Dass die Dämmstoffe als Sondermüll entsorgt werden müssten, ist aber ein Mythos.

Vorurteil 8: Bei einem Feuer werden Dämmstoffe zu gefährlichen Brandbeschleunigern.

Als der NDR im Herbst 2011 eine Reportage über Brände von Fassadendämmungen aus Polystyrol zeigte, war die Aufregung groß. Lichterloh standen mit Dämmungen verkleidete Außenwände in Flammen, und Brandschutzfachleute warnten vor den Gefahren eines Fassadenbrandes. Der kann nicht nur entstehen, wenn die Dämmung von außen in Brand gerät, sondern auch, wenn die Flammen durch eine Fensteröffnung auf sie übergreifen. Bei mehrstöckigen Gebäuden sind daher in jedem zweiten Stockwerk über den Fensterstürzen Brandriegel aus nichtbrennbarem Material Pflicht.

Doch ein solcher Fassadenbrand kommt extrem selten vor, wie Hartmut Ziebs, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands, erläutert: In den letzten fünf Jahren gab es in Deutschland 30 Brände, bei denen eine mit Polystyrol gedämmte Fassade betroffen war. Bei insgesamt rund 250 000 Wohnungsbränden fällt das kaum ins Gewicht. Ziebs: „Wenn alle Vorschriften der Verarbeitung und des vorbeugenden Brandschutzes wie Brandriegel berücksichtigt wurden, ist die Gefährdung kaum größer als bei anderen Fassaden.“

Vorurteil 9: Die Lebensdauer von Dämmstoffen ist sehr begrenzt.

Zur Frage, wie lange eine Dämmung hält, gibt es kaum fundierte Untersuchungen. Eine stammt vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart. Sie befasste sich mit Wärmedämmverbund- systemen aus Polystyrol-Hartschaum und entstand bereits 1995. Die Wissenschaftler hatten Dämmungen an Gebäuden über 20 bis 25 Jahre dreimal auf Mängel untersucht. Ergebnis: Fast alle Dämmungen waren am Ende der Untersuchungszeit fast ohne Mängel. Die meisten waren zwischendurch mit einem neuen Anstrich versehen worden. „ Die Lebensdauer ist bei sachgerechter Wartung gleich einzustufen wie die von verputztem Mauerwerk“, lautet das Fazit der Forscher. Kalkuliert wird meist mit 40 bis 50 Jahren Lebensdauer. Dass die Dämmung bereits nach 10 Jahren „von der Wand fällt“, wie manchmal behauptet wird, ist daher ein Mythos.

Vorurteil 10: Gedämmte Fassaden verschandeln das Straßenbild von Städten und Dörfern.

„Wohnen, Dämmen, Lügen: Die Burka fürs Haus“ – zu dieser Schlagzeile verstieg sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem Beitrag zum Thema Dämmung. Dabei bestreitet niemand, dass es sinnvoll ist, die Frage nach den ästhetischen Folgen der Fassadendämmung zu stellen. Kritik kommt vor allem von Architekten und Stadtplanern: Wo Fassaden gedämmt werden, verschwindet Architektur unter Dämmplatten. So wird immer wieder wertvolle Bausubstanz zerstört. Architekten weisen darauf hin, dass es auch kreative Lösungen gibt, bei denen das typische Gebäudebild erhalten bleibt und dennoch der Energiebedarf des Gebäudes sinkt.

das ganze Gebäude im Blick

Für mehr Sachlichkeit und einen ganzheitlichen Ansatz in der Dämmschutz-Diskussion spricht sich Heiner Farwick aus, Vizepräsident des Bundes Deutscher Architekten (BDA): „Bisher erfolgt die Förderung nach dem Gießkannenprinzip“, kritisiert er und verweist auf die Regelungen der Energieeinsparverordnung (EnEV). Der Gesetzgeber betrachte immer nur einzelne Gebäude und deren Komponenten: Werden die Außenwände gedämmt, müssen bestimmte Werte für den Dämmstandard eingehalten werden. Das gilt auch bei Dächern und Fenstern. Eine Betrachtung des gesamten Gebäudes in seinem baulichen Umfeld findet nicht statt.

Dadurch besteht die Gefahr, meint Farwick, dass auch erhaltenswerte Fassaden hinter Dämmstoffen verschwinden – und damit ein Teil der Identität des Gebäudes verloren geht. Der BDA setzt sich daher für Sanierungskonzepte ein, die ganze Wohnquartiere umfassen. In der Praxis könnte das so aussehen, dass in einem Wohnkomplex zwei markante und repräsentative Fassaden unangetastet bleiben, die Dächer und die Rückfassaden dagegen auf einen hohen Dämmstandard gebracht werden. So könnte der identitätsstiftende Charakter der Fassaden erhalten bleiben.

KIT-Wissenschaftler Thomas Lützkendorf versteht die Kritik. Doch er betont: „Niemand wird gezwungen, ein Fachwerkhaus mit einer Außendämmung zu versehen.“ Oft ließen sich die Grenzwerte auch durch Einsatz erneuerbarer Energien und Dämmen anderer Bauteile unterschreiten. Für denkmalgeschützte Gebäude gelten ohnehin Ausnahmeregelungen.

KONKRETE TIPPS

Was kann ein ratloser Eigenheimbesitzer tun? Er sollte nüchtern nachdenken, wie er sein Gebäude in Zukunft nutzen will. Dazu gehören Fragen wie: Passt der Grundriss noch zu den Anforderungen? Wie hat sich das Umfeld entwickelt? Besteht für ein solches Haus noch Bedarf? Wenn nicht, könnte es gehen wie bei einigen Plattenbauten aus DDR-Zeiten, die erst aufwendig energetisch saniert und schließlich abgerissen wurden, weil niemand einziehen wollte.

Wenn diese Fragen geklärt sind, sollte ein Baufachmann hinzugezogen werden, der ein Sanierungskonzept erarbeitet. Wer die Sanierung mit einem Darlehen der KfW fördern will, muss dazu einen zugelassenen Energieberater engagieren. Die meisten Architekten haben diese Qualifikation, womit eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet ist. Allein auf den Rat von Handwerkern zu hören, kann sich als Nachteil erweisen: Ein Heizungsbauer wird eher den Einbau einer neuen Heizung empfehlen, ein Zimmerer zu einer Dachsanierung raten.

Ein unabhängiger Berater kann dagegen ein Gesamtkonzept entwickeln, das alle Anforderungen erfüllt und auch den Erhalt schützenswerter Elemente berücksichtigt. Er kann das Budget so verteilen, dass ein optimales Ergebnis erzielt wird – denn die Energieeinsparung pro eingesetztem Euro variiert extrem: So lässt sich durch Dämmen der obersten Geschossdecke oft der gleiche Einspareffekt erreichen wie bei einer aufwendigen Sanierung der Außenwand – aber billiger.

Die häufigste Empfehlung ist das „Ohnehin-Prinzip“: Nur was ohnehin saniert werden muss, wird auch energetisch modernisiert. „ Im Rahmen dieser Kopplung ist die energetische Sanierung in der Regel wirtschaftlich“, bestätigt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW. In der Tat beruhen die meisten Wirtschaftlichkeitsrechnungen auf diesem Prinzip: Die Kosten werden aufgeteilt in sowieso anfallende Kosten und Ausgaben, die allein dem energetischen Mehrwert geschuldet sind. So lässt sich abschätzen, ob und wann sich der Mehraufwand für die energetische Sanierung des Gebäudes bezahlt macht.

Viele Berechnungen kranken

Allerdings: Eine einheitliche Definition der Wirtschaftlichkeit gibt es nicht. Die Schwierigkeiten beginnen beim Abschätzen der möglichen Energieeinsparung. Manche Berater verlassen sich dabei auf theoretisch berechnete Energiekennwerte, die sie in einer Vorher-Nachher-Rechnung einander gegenüberstellen. Doch das ist „ein Missverständnis bei der Anwendung der EnEV“, meint Thomas Lützkendorf. Das Problem ist, dass gerade bei unsanierten Altbauten der reale Verbrauch oft deutlich höher ist als der aus den EnEV-Modellen abgeleitete Energiebedarf. Daran krankt die ganze Rechnung, denn nur die tatsächlich verbrauchte Energie lässt sich durch die Sanierung einsparen.

Die beste Basis für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung sind reale Verbrauchsdaten, wie sie sich etwa anhand der letzten Öl- oder Gasrechnungen ermitteln lassen. Berechnet wird oft die Zeit, nach der die Sanierungskosten durch die Energieeinsparung wieder eingespielt sind. Doch aussagekräftiger ist es, aus den Sanierungskosten und den Annahmen zu ihrer Finanzierung den Preis pro Kilowattstunde eingesparter Energie zu ermitteln. Liegt der unter den Kosten der Energieversorgung, rentiert sich die Investition. ■

ULRICH DEWALD hat sein Physik-Diplom durch ein Aufbaustudium in Bauphysik ergänzt. Zuvor war er viele Jahre bdw-Online-Redakteur.

von Ulrich Dewald

Die energetischen Standards

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) ist das „Grundgesetz“ des energiesparenden Bauens: Sie legt die energetischen Standards fest, nach denen in Deutschland gebaut und renoviert werden muss. Bestimmt werden der maximale Energiebedarf des Gebäudes und im Sanierungsfall die Dämmstandards aller Bauteile. Beim Sanieren von Altbauten greift die EnEV bereits, wenn mehr als zehn Prozent der Fläche eines Außenbauteils verändert werden: Muss etwa ein Fenster ausgetauscht werden, so müssen die Dämmeigenschaften des neuen Fensters den Vorgaben entsprechen, wenn es über zehn Prozent der gesamten Fensterfläche ausmacht. Alternativ zur einzelnen Betrachtung aller Bauteile kann bei Sanierungen das ganze Gebäude energetisch bewertet werden. Die Werte dürfen um 40 Prozent schlechter sein als bei einem Neubau.

Kompakt

· Werden die falschen Baustoffe miteinander kombiniert, kann eine Dämmung zu Feuchtigkeit im Haus führen.

· Dämmplatten am Haus halten jahrzehntelang. Die Experten rechnen mit einer Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren.

· Durch Bauen mit dicken Blöcken aus Porenbeton lassen sich dieselben Energiestandards erreichen wie durch Dämmen.

Mehr zum Thema

Internet

Infos zum energiesparenden Bauen und Sanieren von der Deutschen Energie-Agentur (dena): www.zukunft-haus.info

„Haus sanieren – profitieren“; Infos der Deutschen Bundesstiftung Umwelt: www.sanieren-profitieren.de

So wird das Haus zum Energietresor

Viel Energie geht bei einem unsanierten Altbau durch Wände, Fenster und Türen verloren (orangefarbene Pfeile). Doch es gibt Möglichkeiten, das zu verhindern.

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Im November-Heft haben wir berichtet, was bei Neubauten technisch machbar ist, um den Energiebedarf möglichst gering zu halten (bdw 11/2013, „Häuser ohne Heizkosten“, ab S. 88). Sie können diese Ausgabe über den Leserservice von bild der wissenschaft beziehen: Tel. 01805/260155, E-Mail: leserservice@wissenschaft.de

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