In nur rund einer Million Kilometer Abstand sauste ISON am Donnerstag an der Sonnenoberfläche vorbei. Dabei wurde der Himmelskörper mit einem geschätzten Durchmesser von zwei bis fünf Kilometern enormen Gravitationskräften und Hitze ausgesetzt. Bei Temperaturen von bis zu 2.000 Kelvin verdampfte das Wasser ISONs und auch andere Stoffe, die im Kometenmaterial gebunden sind. Zusätzlich hat ihn die Gravitationskraft der Sonne ordentlich durchgeknetet und deformiert. Offenbar hat er diese Prozedur schlechter überstanden als erhofft. ISON hatte am Donnerstagabend zum Zeitpunkt seiner größten Sonnenannäherung noch einen aktiven Kern, der Gas und Staub spuckte. Etwa zwei Stunden nach der Passage gab es jedoch keine Anzeichen mehr für eine Produktion. Zu dieser Einschätzung kamen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau am Samstag. Sie analysierten Bilder des Instruments Lasco, das an Bord des Sonnenobservatoriums Soho den besten Blick auf ISON ermöglicht.
„ Unsere Messungen zeigen ein klares Signal des Kometen während des Sonnenvorbeiflugs“, sagt Werner Curdt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Etwa zwei Stunden nach der Passage fanden sich jedoch keine Anzeichen mehr für eine aktive Schweif-Produktion. Experten nahmen deshalb bereits an, dass der Komet völlig zerbröselt sei. Doch dann tauchte er
wieder auf den Aufnahmen des Sonnenobservatoriums auf.
Nachfolgende Aufnahmen ließen dann weitergehende Schlüsse zu: „Der Staubschweif des Kometen zeigt sich nun zweigeteilt“, berichtet Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Der Teil des Schweifs, der in Richtung Sonne zeigt, besteht demnach aus Staubteilchen, die noch vor der Passage freigesetzt wurden. Der andere Teil dagegen enthält offenbar jüngeres Material: Es wurde während des Vorbeiflugs freigesetzt und deutet darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt zumindest noch ein Teil des Kerns existierte und aktiv war. Doch es zeigt sich nun, dass die Helligkeit des Kometen deutlich abnimmt. ISON scheint demnach seine Staubproduktion eingestellt zu haben, sagen die Astronomen.
Trümmerwolke oder noch ein Kern?
Ob dies bedeutet, dass er sich bei seinem Höllenritt komplett in eine Trümmerwolke verwandelt hat, stehe noch nicht fest. Doch selbst wenn noch ein Kern übrig ist, hat ISON wohl nicht mehr das Potenzial, zum schönen Adventskometen zu avancieren: Das freigesetzte Material wird nicht ausreichen, um einen Schweif an den Nachthimmel zu zaubern, der mit bloßem Auge zu erkennen ist. „ Eine große Kometenshow wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr geben“, heißt es in der Mitteilung des Max-Planck-Instituts.