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Genuß in Maßen: Allzweckwaffe gegen das Altern?

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Genuß in Maßen: Allzweckwaffe gegen das Altern?
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Biochemiker Christian Behl forscht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Um den Zellschrott zu entsorgen, der sich Jahr für Jahr in unseren Zellen anhäuft, hat unser Körper eine hauseigene Müllabfuhr entwickelt: die Autophagie. Im Märzheft, das am Dienstag den 18.2.2014 erscheint, berichtet bild der wissenschaft von der zellulären Entsorgungsmaschinerie. Ihr wird Unglaubliches nachgesagt: Der Grazer Forscher Frank Madeo etwa hält sie für einen Jungbrunnen der Zellen, „der eine Art Allzweckwaffe gegen altersbedingte Erkrankungen zu sein scheint“. Eine mangelhafte Autophagie könnte demnach an der Entstehung altersbedingter Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer-Demenz beteiligt sein. Um gesund zu altern, rät Madeo, den Großputz der Zellen durch Fastenkuren und Diäten anzuregen. Denn er hält Hungern für eine Art „Doping“, das die Autophagie anregt. Damit hat er eine kontroverse Debatte ausgelöst.

Der Biochemiker und Altersforscher Christian Behl von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz forscht seit vielen Jahren am molekularen Unterschied von jungen und alten Zellen. Eines seiner Ziele ist, herauszufinden, wie sich die Autophagie stimulieren oder hemmen lässt. Mit bild der wissenschaft sprach er über seine Forschung, das Altern und den Sinn von Diäten:

bdw: Woran forschen Sie?

Behl: Ich möchte herausfinden, was alte Nervenzellen von jungen unterscheidet. Ich bin überzeugt, dass wir Erkrankungen wie die Alzheimer-Demenz nur dann begreifen können, wenn wir die Biochemie alternder Zellen verstehen.

Kann man das Altern aufhalten, indem man die Autophagie ankurbelt?

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Das funktioniert sicherlich in niederen Organismen wie der Taufliege Drosophila. Bei ihnen geht die Autophagie im Alter häufig zurück. Das ist allerdings nicht so einfach auf den Menschen übertragbar: Die Autophagie und deren Regulation ist in einer Säugerzelle wesentlich komplexer. Ob die Autophagie beim Menschen im Alter abfällt oder sich erhöht, da scheiden sich die Geister. Für beides gibt es experimentelle Hinweise. Unsere eigene Forschung zeigt etwa, dass ein spezieller autophagischer Prozess, der sogenannte BAG3-vermittelte autophagische Weg, in alten Nervenzellen sehr aktiv ist. Er könnte andere nachlassende autophagische Prozesse kompensieren. Möglicherweise kommt es in niederen Organismen nicht zu dieser Gegenreaktion. Das könnte der Grund sein, warum sie nur kurz leben.

Läuft die Autophagie tatsächlich am stärksten ab, wenn wir hungern?

Bei isolierten Zellen und niederen Organismen trifft das durchaus zu. Daher schließen viele: Wenn ich weniger Kalorien zu mir nehme, dann ist das lebensverlängernd. Doch die Ergebnisse aus dem Labor lassen sich nur teilweise auf Primaten oder gar den Menschen übertragen. Zwei Langzeitstudien mit Rhesusaffen in den USA kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: In einer Untersuchung erhöhte die Diät die Lebensdauer erheblich, in der anderen verbesserte sie zwar den Gesundheitszustand der Affen, sie lebten durch die Diät aber nicht länger.

Frank Madeo empfiehlt, nur ein bis zwei Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen und ab und an zu fasten, um die Autophagie anzuregen. Was raten Sie?

Ich halte es nicht für sinnvoll, pauschal auf ein bis zwei Mahlzeiten am Tag zu reduzieren, weil der individuelle Bedarf jedes Menschen sehr unterschiedlich ist: Ein Bauarbeiter etwa benötigt durch seine körperliche Arbeit sicher mehr Kalorien als ein Hochschullehrer. Aber auch ich plädiere dafür, die Kalorienzufuhr insgesamt zu senken. 20 Prozent weniger als die maximal empfohlene Kalorienmenge zu essen, ist machbar. Extensive Fastenorgien halte ich allerdings für ungesund, da sie einen massiven Eingriff in den Gesamtstoffwechsel der Zellen darstellen. Unabhängig davon ist noch nicht ausreichend geklärt, warum genau es gesünder ist, nicht so viel zu essen und welche Rolle dabei die Autophagie spielt.

Was tun Sie persönlich, um Ihrer Zellalterung entgegenzuwirken?

Ich lebe nicht wie ein Asket, aber ich ernähre mich vegetarisch und passe auf, dass ich insgesamt nicht zu viele Fette zu mir nehme. Zusätzlich gehe ich regelmäßig Joggen oder fahre Rad. Das mache ich schon seit Jahren und fühle ich mich dadurch gut. In meiner Freizeit beschäftige ich mich mit abstrakter Malerei und male selbst, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Das ist für mich Entspannung und Gehirnjogging zugleich.

Hier geht’s zur Kunst von Christian Behl

Buchtipp: Cell Aging: Molecular Mechanisms and Implications for Disease (Behl, Christian; Ziegler, Christine) erscheint im Januar 2014.

© Liesa Klotzbücher
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