Die Forscher um Patricia Bauer von der Emory University in Atlanta sind dem Phänomen durch Interviews mit Kindern im Alter von drei, fünf, sechs, sieben, acht und neun Jahren nachgegangen. Es handelte sich um insgesamt 83 kleine Probanden. Alle wurden zum ersten Mal als Dreijährige im Beisein ihrer Eltern nach „großen“ Ereignissen ihrer nahen Vergangenheit befragt. Die Eltern halfen dabei, den Kindern Details ihrer Erlebnisse zu entlocken. Bei Erreichen der nächsten Altersstufe wurde dann jeweils ein Teil der Kinder erneut nach dem Ereignis befragt, über das sie mit drei Jahren berichtet hatten.
Es zeigte sich: Während die Kinder sich im Alter von fünf bis sieben Jahren in 63 bis 72 Prozent der Fälle noch an das Erlebte erinnern konnten, waren es bei den Acht- und Neunjährigen nur noch etwa 35 Prozent. Der Vergessensprozess hatte also hauptsächlich im Alter von Sieben stattgefunden, rund vier Jahre nach dem Erlebnis. Weitere Auswertungen ergaben, dass sich Kinder, die mit drei Jahren vergleichsweise detailliert über das Ereignis berichtet hatten, sich später besser an es erinnern konnten.
Erst reifere Gehirne speichern dauerhaft
Dieses Ergebnis scheint zu untermauern, was Wissenschaftler bereits für die Ursache des kindlichen Vergessens halten: Erst die Fähigkeit, Erfahrungen mit Worten beschreiben zu können, prägt sie uns dauerhaft ins Gedächtnis. Das Verständnis von Ort und Zeit sind vermutlich zusätzliche Faktoren, die eine Verankerung im Langzeitgedächtnis stärken. Außerdem spielt wahrscheinlich die Entwicklung des Ich-Gefühls eine wichtige Rolle. Aus diesen Gründen seien Erinnerungen an die Kindheit oft vage und reichen nur bis zu einem Alter von ungefähr drei Jahren zurück.
Die Forscher wollen sich nun der Frage widmen, wann das Gehirn seine vollen Fähigkeiten zur Entwicklung eines autobiografischen Gedächtnisses erlangt. Vermutlich setzt der Prozess ab einem Alter von etwa neun Jahren ein, glaubt Patricia Bauer. „Wir würden gerne mehr darüber erfahren, wie sich das Gedächtnis im Alter von 9 bis 18 Jahren entwickelt“. Ihr zufolge ist das autobiografische Gedächtnis ein fundamentaler Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit und deshalb ein wichtiger Forschungsgegenstand: „Wer seine Vergangenheit kennt, weiß wer er heute ist“, so die Psychologin.