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Pest: Sequenzierte Killer im Vergleich

Erde|Umwelt

Pest: Sequenzierte Killer im Vergleich
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Credit: Thinkstock
Gleich zwei Mal in der Geschichte Europas breitete sich ein Grauen aus, das alle Maßstäbe sprengte: In der Spätantike wütete die sogenannte Justinianische Pest und im Mittelalter ging das Schreckgespenst des Schwarzen Todes um. Beide Pandemien rafften etwa die Hälfte der europäischen Bevölkerung dahin. Doch welche Erreger steckten hinter diesen verheerenden Seuchenwellen? Dieser Frage ist ein internationales Forscherteam nachgegangen. Es ist ihnen gelungen, das Erbgut des Pesterregers aus Gebeinen von Opfern der Justinianischen Pest zu gewinnen und zu sequenzieren. Vergleiche mit dem bereits bekannten Genom des mittelalterlichen Erregers zeigten: Die Pandemien wurden durch zwei unterschiedliche Stämme des Pest-Bakteriums ausgelöst. Die spätantike Variante starb aus, Formen der mittelalterlichen haben hingegen bis heute überlebt.

Im Jahr 541 n. Chr. starben in Ägypten plötzlich Menschen wie Fliegen, dann breitete sich das Grauen bis in die oströmische Hauptstadt Konstantinopel aus und schließlich war das ganze spätantike Europa betroffen. Vermutlich hat diese Katastrophe dem römischen Reich auch den letzten Todesstoß versetzt, sagen Historiker. Im weiteren Verlauf des 6. Jahrhunderts tötete die Seuche weltweit etwa 100 Millionen Menschen – die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Doch irgendwann war der Schrecken vorüber: Die Justinianische Pest verschwand völlig. Rund 800 Jahre später machte sich der Sensenmann allerdings ein zweites Mal auf: Eine erneute Pestwelle – der schwarze Tod genannt – tötete allein zwischen den Jahren 1347 und 1351 in Europa etwa 50 Millionen Menschen. Seitdem kam es zu weiteren Ausbrüchen der Erkrankung. Auch bis heute ist die Pest nicht völlig ausgerottet: Der Erreger, das Bakterium Yersinia pestis, kann sich in Nagetierpopulationen halten und immer mal wieder für Ansteckungen beim Menschen sorgen. Die heutigen Varianten besitzen allerdings nicht mehr die aggressiven Eigenschaften ihrer historischen Verwandten.

Der Sensenmann gibt seine Geheimnisse preis

Im Jahr 2011 war es Forschern gelungen, das Erbgut des Erregers der mittelalterlichen Pestepidemie aus Gebeinen eines Pestfriedhofs in England zu isolieren und zu sequenzieren. Sie konnten den Schwarzen Tod eindeutig dem Bakterium Yersinia pestis zuordnen. Doch war dieser Erreger ein Nachkömmling der Justinianischen Pest, die 800 Jahre zuvor verschwunden war? Die Forscher um Hendrik Poinar of McMaster University, konnten diese Frage nun beantworten. Sie haben 1.500 Jahre alten Zähnen von zwei Opfern der Justinianischen Pest aus Bayern das Erbgut des Erregers entlockt und es sequenziert. Es handelt sich dabei um das älteste Genom eines Stammes von Yersinia pestis.

Die Vergleiche mit allen anderen bekannten Genomen des Pest-Bakteriums zeigten: Der Erreger der Justinianischen Pest starb offenbar tatsächlich restlos aus. Das Erbgut dieser Version von Yersinia pestis unterschied sich nämlich deutlich von dem mittelalterlichen Erreger. Alle noch heute existierenden Pest-Vertreter sind Abkömmlinge des Schwarzen Todes, geht aus den genetischen Vergleichen ebenfalls hervor. Vermutlich entstanden sowohl der Verursacher der Justinianischen als auch der mittelalterlichen Pest unabhängig voneinander irgendwo in Asien. Sie reisten dann wahrscheinlich auf der Seidenstraße nach Europa.

Warum verschwand die Justinianischen Pest?

Das Ergebnis wirft nun die Frage auf: Warum verschwand die spätantike Variante völlig obwohl sie doch so „erfolgreich“ gewesen war? Vermutlich hat die Bevölkerung Resistenzen entwickelt, vermuten die Forscher. Das erscheint einleuchtend: Menschen, deren Immunsystem die Pest besiegen konnte, vermehrten sich und bildeten eine Population, in der sich der Pesterreger nicht mehr dauerhaft halten konnte. Möglicherweise könnten auch klimatische Veränderung, die sich in dieser Zeit ereigneten, für den Erregerstamm ungünstig gewesen sein.

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Der Verursacher der mittelalterlichen Pestwelle war hingegen hartnäckiger und hat neue Formen hervorgebracht, die sich festgesetzt haben. Die Forscher wollen nun im Erbgut der verschiedenen Formen von Yersinia pestis nach Hinweisen suchen, welche Gene für die jeweiligen Eigenschaften der Stämme verantwortlich sind. Besonders spannend ist dabei die Frage, welche genetischen Faktoren der geschichtlichen Pesterreger das Werkzeug des Sensenmannes so scharf gemacht hatten.

Informationen über die Verläufe historischer Pandemien können wichtig sein, um die Bedrohungen durch heutige Infektionskrankheiten besser einschätzen zu können, sagen die Forscher. Auch neue Pesterreger können sich immer wieder entwickeln, wie die Studie gezeigt hat. Durch den Einsatz moderner Antibiotika lassen sie sich vermutlich in Schach halten. Doch andere Erreger, wie beispielsweise Influenza-Viren, sitzen bekanntermaßen in den Startlöchern. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Menschheit ähnlich verheerende Pandemien wie in der Vergangenheit erspart bleiben.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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