Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Spurensuche im Pompeji der Paläontologie

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Spurensuche im Pompeji der Paläontologie
14-02-04-china.jpg
Angezogene Beine und gerader Rücken: Die typische Pose der Fossilien aus Jehol (Baoyu Jiang)
Ein echtes Pompeji der Urzeit: Für Paläontologen ist die Jehol-Lagerstätte in der westlichen Liaoning-Provinz Chinas ein Paradies. Hier sind die Fossilien von Dinosauriern, frühen Säugern, Vögeln und unzähligen anderen Kreidezeit-Lebewesen so gut erhalten wie kaum irgendwo sonst. Dicht an dicht liegen sie – teilweise noch mitsamt Haut, Federn oder Haaren – in ihrem steinigen Totenbett. Jetzt haben Forscher herausgefunden, was diese Fossilien so außergewöhnlich gut konservierte: Glühendheiße Aschenströme von Vulkanausbrüchen rissen die Tiere in den sicheren Tod und bildeten gleichzeitig ihr Grab.

Vor 120 bis 130 Millionen Jahren lag hier ein wahres Paradies für Pflanzen und Tiere: Der Westen von Liaoning war eine fruchtbare Landschaft mit Nadelwäldern, zahlreichen Seen und umgeben von schützenden Bergen. Hier tummelte sich eine reiche und vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, darunter Dinosaurier, frühe Vögel und Säugetiere, aber auch viele Bewohner der Süßwasserseen. Doch die Bewohner dieser Gegend lebten gefährlich: Die sie umgebenden Berge waren Vulkane – und sehr aktive noch dazu. Davon zeugen noch heute Ablagerungen von vulkanischem Tuffstein aus dieser Zeit, viele Fossilien sind in diesen Schichten eingeschlossen. Lange schon gingen Paläontologen daher davon aus, dass Eruptionen viele dieser Tiere getötet und begraben haben müssen.

Todesursache ungeklärt

Ungeklärt blieb bisher allerdings, wie genau die kreidezeitlichen Bewohner dieses Gebiets starben: Welcher vulkanische Prozess konnte dafür gesorgt haben, dass auf einen Schlag sowohl Tiere des Waldes und der Steppen, als auch Vögel und Seebewohner den Tod fanden? „Obwohl all diese Tiere in ganz verschiedenen Habitaten der Region lebten, findet man ihre Überreste eng beieinander wie in einem gemischten Massengrab“, erklären Baoyu Jiang von der Nanjing Universität und seine Kollegen. Fossilien von Süßwasserorganismen und Landbewohnern liegen zusammen in  einem Bodenhorizont, das sehen die Forscher als klaren Hinweis auf ein Massensterben. Sie haben nun Fossilien aus verschiedenen Bereichen der relativ ausgedehnten Lagerstätte genauer analysiert, um herauszufinden, was die Todesursache gewesen sein könnte.

Die Analysen zeigten einige auffallende Gemeinsamkeiten bei den untersuchten Fossilien: Die Relikte der Wirbeltiere waren meist noch vollkommen intakt und lagen auf dem Rücken oder auf der Seite in einer charakteristischen Pose: Gliedmaßen gekrümmt und eng an den Körper gezogen, die Wirbelsäule extrem gestreckt. „Diese Position ist typisch für Opfer von Bränden oder glühenden Aschenströmen“, erklären Jiang und seine Kollegen. Die Hitze führt dazu, dass sich die  Sehnen und Muskeln nach dem Tod stark verkürzen, das erzeugt diese typische, Boxer-ähnliche Pose. Dazu passt auch, dass die Fossilien von einem dünnen, dunklen Überzug bedeckt waren, der sich in chemischen Analysen als verkohltes Gewebe erwies. Nach Ansicht der Forscher müssen diese Verkohlungen entstanden sein, als heiße Vulkanasche die Tiere innerhalb kürzester Zeit einhüllte – wie es bei einem sogenannten pyroklastischen Strom typisch ist.

Tödliche Glutlawine

Ein pyroklastischer Strom ist bei einem Vulkanausbruch eine tödliche Gefahr. Denn die Lawine aus Gas, glühendem Staub und Asche rast mit bis zu 700 Kilometern pro Stunde zu Tal. Ihre Wucht pulverisiert alles in ihrem Weg liegende und sie rast selbst über große Wasserflächen hinweg ohne einzusinken. Diese enorme Kraft könnte nach Ansicht von Jiang und seinen Kollegen auch erklären, warum in der Jehol-Lagerstätten die unterschiedlichsten Lebensformen so wild durcheinander gewürfelt liegen: „Die pyroklastischen Ströme umschlossen die Tiere, transportierten sie mit sich ins Tal und begruben sie dann schließlich“, so die Forscher. Die Glutlawinen erreichten dabei auch die Seen und spülten so sowohl Land- als auch Wassertiere an den jeweils tiefsten Stellen zusammen. Die feinen Aschenpartikel umgaben die Überreste und bildeten eine schützende Hülle – ähnlich wie bei den Opfern des Vulkanausbruchs von Pompeji.

Anzeige

Diese Funde lösen damit das Rätsel, warum die Jehol-Lagerstätte so viele unterschiedliche, gut erhaltene Fossilien in sich birgt: Sie alle wurden Opfer von pyroklastischen Strömen, einer bis heute extrem gefährlichen und tödlichen Form vulkanischer Ausbrüche. Die Bewohner des Kreidezeit-Paradieses von Jehol lebten im Schatten gleich mehrerer Vulkane und waren daher dieser Gefahr permanent ausgesetzt. Ihr Tod durch die glühenden Aschenströme aber machte sie auf makabre Weise unsterblich. Denn ihre Überreste liefern uns heute, Millionen Jahre später, einen einzigartigen Einblick in die Lebenswelt der Kreidezeit.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

bil|den  〈V.; hat〉 I 〈V. t.〉 1 erzeugen, machen, hervorbringen, schaffen 2 gründen, einrichten (Gesellschaft, Staat, Verein) … mehr

Szyl|la  〈f.; –; unz.〉 oV Scylla 1 gefährl. Klippe gegenüber der Charybdis … mehr

Vi|deo|thek  〈[vi–] f. 20〉 1 Sammlung von Filmen u. Fernsehaufzeichnungen 2 Räumlichkeiten, in denen eine Videothek ( … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige