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Bedrohung Meteoriteneinschlag

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Bedrohung Meteoriteneinschlag
Ziemlich sicher war es ein kosmisches Geschoss, das vor rund 65 Millionen Jahren die Dinosaurier aussterben ließ. Ein ähnlicher Einschlag könnte die Erde jederzeit wieder treffen – mit fatalen Folgen.

Die Sternstunde der Wissenschaft begann banal: Der amerikanische Geologe Walter Alvarez klopfte Ende der 1970er-Jahre mit seinem Geologenhammer ratlos an einem Fels nahe dem italienischen Städtchen Gubbio herum. Das Gestein, das wusste er, war etwa 65 Millionen Jahre alt. Er wollte herausfinden, wie viele Jahre in jedem einzelnen Zentimeter steckten, wie schnell sich also die Sedimente einst abgelagert hatten. Sein Vater Luis, an den er sich wandte, ein Physiker und Nobelpreisträger, wusste Rat: Nimm doch den Iridium-Gehalt als Maßstab, meinte er. Iridium ist im Sternenstaub enthalten, der ständig gleichmäßig auf die Erde niedergeht. Ein hoher Gehalt an Iridium ist demnach ein Indiz für eine langsame Sedimentationsgeschwindigkeit, ein niedriger bedeutet dagegen einen raschen Zuwachs.

Unter den Proben, die Alvarez untersuchte, war zufällig auch eine dünne Tonschicht, die aus der Zeit vom Übergang zwischen Kreide und Tertiär stammte. Zur Überraschung des Geologen und seiner Kollegen enthielt sie ungewöhnlich viel Iridium. Viel zu viel, um den Wert allein mit der Sedimentationsgeschwindigkeit erklären zu können. So blieb als mögliche Ursache nur, dass der himmlische Teilchenregen für kurze Zeit drastisch zugenommen hatte. Die naheliegende Schlussfolgerung von Vater und Sohn: Ein Planetoid war auf der Erde eingeschlagen und hatte seine Iridium-Fracht weltweit verteilt. Zu jener Zeit starben die Dinosaurier aus – und mit ihnen rund 70 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten. Endlich war die Ursache dafür schlüssig geklärt.

Über Nacht eine völlig andere Lebenswelt

Dass die Erde von einer Katastrophe dieses Ausmaßes erschüttert werden kann, hatten die Wissenschaftler zuvor nicht wahrhaben wollen. Sie hielten es nicht für möglich, dass sich die Lebenswelt quasi über Nacht völlig verändern kann. Und es kam noch dicker: Geologen fanden nicht nur den Krater, der für das Saurier-Sterben verantwortlich war, sondern noch viele andere. Zum ersten Mal gingen sie systematisch auf die Suche nach Einschlägen – oder dem, was die Erosion und die Prozesse der Plattentektonik von ihnen übrig gelassen haben. Die Zahl der Treffer liegt derzeit laut „Earth Impact Database” bei 184. Die Konsequenz der Fleißarbeit ist wenig erfreulich: Ein katastrophaler Impakt kann sich jederzeit wiederholen.

Angesichts dieser Gefahr liegt es nahe, sich zu überlegen, was ein himmlischer Irrläufer heutzutage anrichten würde – und vor allem, welche Folgen er für die Menschheit hätte. Die Indizien, die man von früheren Treffern zusammengetragen hat, sind zwar lückenhaft. Doch es gibt inzwischen viele Modellrechnungen, Experimente und Simulationen, die eine Prognose zumindest in groben Zügen ermöglichen. Die einfachste Aufgabe ist dabei, die Energie der Geschosse zu ermitteln.

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Der Amateurverein „Lausitzer Sterngucker” hat auf seinen Internet-Seiten unter lausitzer-sterngucker.de einen Impakt-Simulator installiert, der diese Aufgabe in Windeseile meistert. Man gibt die Größe des Flugkörpers ein sowie seine Beschaffenheit (Eisen, Stein oder Komet) und seine Eintrittsgeschwindigkeit (15 oder 40 Kilometer pro Sekunde) – und schon erhält man die Energie im Vergleich zur Hiroshima-Bombe sowie die Schemazeichnung einer Stadt, in der sich ein Krater öffnet.

Bereits ein relativ kleiner Körper übersteigt das Potenzial einer Atombombe vom Hiroshima-Typ um ein Vielfaches. Ein Eisenmeteorit von 50 Meter Durchmesser, der sich mit der relativ geringen Geschwindigkeit von 15 Kilometer pro Sekunde nähert, entwickelt das Inferno von 640 Hiroshima-Bomben. Der Vergleich mit einem nuklearen Sprengsatz ist naheliegend, denn die Auswirkungen sind nahezu identisch. Feuerball, Erdbeben, Sturm – keiner dieser Schrecken fehlt.

Man könnte einwenden, dass eine Atombombe in großer Höhe über einer Stadt gezündet würde, um die Streuwirkung zu vergrößern. Doch das ist bei den kosmischen Attacken oft nicht anders. Viele Meteoriten, vor allem relativ kleine, explodieren bereits in der Atmosphäre. Der Tungunska-Meteorit hat dabei 1908 im menschenleeren Sibirien ein Waldstück von 2000 Quadratkilometern umgelegt. Und erst am 15. Februar 2013 detonierte über der russischen Stadt Tscheljabinsk ein etwa 20 Meter großer Brocken in der Luft und beschädigte Tausende Gebäude. Seine Sprengkraft dürfte bei etwa 500 Kilotonnen TNT gelegen haben, das entspricht rund 25 Hiroshima-Bomben.

Ein Eisenmeteorit von 50 Meter Durchmesser – oder ein knapp 100 Meter großer Steinbrocken, was vergleichbare Folgen hätte – würde wahrscheinlich die Atmosphäre unbeschadet durchqueren und auf der Erde einschlagen. So etwas passiert im Mittel etwa alle 10 000 Jahre. Wie das Gelände danach aussieht, kann jeder in Arizona bestaunen. Der „Meteor Crater”, der wegen seiner regelmäßigen Form beeindruckt, hat einen Durchmesser von 1,2 Kilometern.

Frankfurt in Trümmern

Würde das Geschoss eine Stadt wie Frankfurt am Main treffen, bliebe von der Metropole nicht viel übrig. Christian Köberl, Impakt- Experte und Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien, gibt eine Faustformel: „Bis in eine Entfernung vom Acht- bis Zehnfachen des Kraterradius ist die Zerstörung total.” Feuerball, Druckwelle und Erdbeben ließen im Umkreis von sechs Kilometern keinen Stein auf dem anderen. Menschen, Tiere und Pflanzen hätten keine Überlebenschance. Von den stolzen Banktürmen in „Mainhattan” blieben nicht einmal die Tresore übrig.

Auch außerhalb dieser Todeszone ginge es drunter und drüber. Offenbach würde ausradiert. Bis in eine Entfernung von rund 25 Kilometern würde der Luftdruck mindestens die Hälfte aller Gebäude zerstören. „Und die anderen sähen auch nicht gut aus”, sagt Köberl lapidar. Auch in dieser Zone müssten die meisten Menschen sterben, weil die Druckwelle ihre Lungen zusammenpressen würde. Bis in 40 Kilometer Entfernung, also bis Wiesbaden und Darmstadt, gäbe es noch große Zerstörungen. Das ganze Rhein-Main-Gebiet gliche einem Trümmerfeld. Dennoch würde sich Deutschland von dem Schlag im Lauf der Jahre erholen, ebenso wie es Japan nach dem Krieg gelungen ist. So schrecklich die Menschen leiden müssten, es wäre letztlich „nur” eine regionale Katastrophe.

Ganz anders sähen die Folgen aus, wenn der Einschlag um eine Größenordnung stärker ist, der Impaktor also einen Durchmesser von einem bis anderthalb Kilometer hätte. Zieht man wieder die Lausitzer Sterngucker zu Rate und gibt ihrem Rechner einen 1-Kilometer-Steinmeteroit mit einer Geschwindigkeit von 40 Kilometer pro Sekunde vor, erhält man eine Energie von 13,6 Milliarden Hiroshima-Bomben. Das sprengt jede Vorstellungskraft. Und doch geschieht so etwas ungefähr einmal in einer Million Jahren.

Deutschland erwischte es vor knapp 15 Millionen Jahren. Das Projektil schuf das Nördlinger Ries, einen etwa 24 Kilometer großen Krater. Offenbar war der Himmelskörper vor dem Einschlag zerbrochen oder er war bereits mit einem Trabanten unterwegs, denn nur 40 Kilometer entfernt entstand ein zweiter Krater: das Steinheimer Becken mit einem Durchmesser von 3,5 Kilometern.

Kai Wünnemann vom Berliner Museum für Naturkunde hat auf einer Europakarte die Folgen des Crashs dargestellt (siehe Grafik „ Leben oder Tod” auf S. 43). Die konzentrischen Kreise um die Einschlagsstelle haben erschreckend große Radien: Im Umkreis von 250 Kilometern, der Todeszone, überlebt nichts. Bis in 300 Kilometer Entfernung verursacht die Wärmestrahlung schwere Verbrennungen. Druckwelle und Orkan reichen noch viel weiter. Selbst 1000 Kilometer vom Einschlag entfernt, an der Südküste Englands, in Korsika und in Rumänien, gehen viele Gebäude zu Bruch und Bäume fallen um.

Keine Frage, Europa müsste sich nach einer solchen Katastrophe neu erfinden. Deutschland wäre fast komplett ausradiert, die umliegenden Länder bis auf die ferne Iberische Halbinsel und den hohen Norden von Skandinavien erheblich beschädigt. Es würde viele Jahrzehnte dauern, um Infrastruktur und Städte wieder aufzubauen.

Extremszenario: 15-Kilometer-Geschoss im Atlantik

Was vor 65 Millionen Jahren geschah und den Dinosauriern den Todesstoß versetzte, war noch eine Größenordnung schlimmer. Wie würde sich die Welt verändern, wenn heute ein solches Geschoss, 10 bis 15 Kilometer mächtig, in den Atlantik raste? Der Ozean ist das wahrscheinlichste Ziel, da zwei Drittel der Erde von Wasser bedeckt sind. An die Antwort kann man sich nur herantasten, denn es gibt bloß ein einziges Ereignis, das als Vorlage dienen kann – und das liegt so lange zurück, dass viele Details verborgen bleiben. Auch lassen sich kleine Einschläge nicht einfach hochskalieren. Eines ist sicher: Die Auswirkungen wären global, und es ginge darum, ob die Menschheit als Art überleben würde.

Zum Glück ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Katastrophe klein. Nur etwa alle 100 Millionen Jahre ist damit zu rechnen. Um es vorwegzunehmen: Ob die Menschheit dabei aussterben würde, darüber sind die Experten unterschiedlicher Meinung. Doch die Mehrheit ist optimistisch. Über Leben oder Aussterben entscheiden viele Faktoren: die Geschwindigkeit des Geschosses, sein Auftreffwinkel und vor allem sein Zielgebiet.

Vor 65 Millionen Jahren kam zum Unglück noch das Pech. Das Geschoss traf eine mächtige Schicht von karbonat- und sulfathaltigem Gestein, sodass Unmengen Schwefel und Treibhausgase in die Atmosphäre gelangten. „Eine Art Pulverfass”, wie Köberl sagt. Die Folgen waren nicht nur saurer Regen, sondern auch ein klimatisches Wechselbad. Es wurde jahrelang kalt und dunkel, die Temperaturen sanken drastisch, „um 10 bis 15 Grad”, vermutet Peter Schulte, der dieses Ereignis an der Universität Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam untersucht hat. Dann herrschte für Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte unerträgliche Hitze. Das Inferno muss unbeschreiblich gewesen sein, denn so viele Tier- und Pflanzenarten sterben nicht ohne triftigen Grund aus. Die Natur ist eigentlich recht robust.

Und was würde bei einer solchen Katastrophe in der heutigen Zeit geschehen? Wahrscheinlich würden Astronomen Tage bis Stunden vorher eine Warnung herausgeben und das Zielgebiet vorhersagen. Man kann nur hoffen, dass die Vorwarnzeit kurz wäre, sonst würde die Panik zu schrecklichen Szenen führen, vor allem an den Flughäfen.

Der Meteorit braucht nur ein bis zwei Sekunden, um die Atmosphäre zu durchqueren. Er leuchtet dabei heller als die Sonne. Was dann passiert, damit beschäftigt sich Wünnemann seit vielen Jahren. Der Meteorit dringt nicht wie ein Gewehrprojektil tief in sein Ziel ein, dafür ist seine Geschwindigkeit zu groß. Er gibt seine Energie vielmehr schlagartig ab und verdampft spontan durch die entstehende Hitze, die 10 000 Grad übersteigt. Der Einschlag ist letztlich nichts als eine gewaltige Explosion. Und wie bei einem Atomschlag steigt ein „Plume” auf – ein Pilz, so heiß, dass die Luft ionisiert wird und für Strahlung undurchlässig ist. Das dauert nur wenige Sekunden. Dann dringt die Hitzestrahlung des Feuerballs schlagartig aus dem Plasma-Käfig heraus und verbrennt alles auf ihrem Weg.

Wie weit die tödliche Strahlung reicht, lässt sich nur abschätzen. Der englische Klimaforscher Gareth Collins vom Imperial College London vermutet, dass noch in 1500 Kilometer Entfernung die Kleidung Feuer fangen würde. Wünnemann hält ein geradezu biblisches Szenario für denkbar: „Wer den Plume sieht, stirbt.” Menschen, denen der Horizont die Sicht verdeckt, haben zumindest eine theoretische Chance, denn die Ausbreitung der Hitzestrahlung folgt nicht der Erdkrümmung.

An der Einschlagsstelle schießen große Mengen verdampftes und aufgeschmolzenes Gestein himmelwärts. Manche Partikel sind schnell genug, um die Erde für immer zu verlassen. Die meisten regnen aber wieder herunter – ein Schauer unzähliger Sternschnuppen, rund um die Erde. Die meisten Kügelchen sind nur sandkorngroß. Auf ihrem langen Weg erstarren sie zwar, bleiben aber höllisch heiß. Von der Menge, um die es geht, kann man sich eine realistische Vorstellung machen, denn diese Schicht lagert sich im Boden ab und bleibt über Jahrmillionen erhalten.

Es gibt inzwischen zahlreiche Fundstellen, die zeigen, wo vor 65 Millionen Jahren die glühenden Auswurfmassen gelandet sind. Das reicht von mehr als 100 Meter mächtigen Gesteinsschichten bis in 500 Kilometer Entfernung vom Einschlagsort bis zu wenigen Millimeter dünnen Lagen auf der gegenüberliegenden Seite der Erde.

Kurzer Hitzestoß oder Flächenbrand?

Welche Folgen hatte dieser Glutschauer? Heizte er nur die obere Atmosphäre auf oder entfachte er auf der Erde ein Flammeninferno? Peter Schulte vermutet, die Erdoberfläche sei relativ glimpflich davongekommen: eine kurze Hitzewelle, die Holz nicht entzünden konnte. Das sei gewesen „wie der Blick in einen sehr heißen Ofen”. Schulte stützt sich dabei auf Modellrechnungen. Andere Forscher wie David Kring vom Lunar and Planetary Institute in Houston, Texas, glauben dagegen, dass der Glutschauer sämtliche Wälder abgefackelt hat. Tatsächlich hat man in vielen Ablagerungen Kohlenstoff gefunden, offenbar Reste der einstigen Vegetation.

Mit dem Hitzeschock ist das Martyrium auf jeden Fall noch längst nicht zu Ende. Der Einschlag lässt die ganze Erde erzittern, vom Äquator bis zu den Polen. Wie stark das Erdbeben ist, hängt davon ab, wo das Geschoss einschlägt. Im Ozean mit seiner relativ dünnen, elastischen Gesteinskruste würde es schwächer ausfallen als auf einem stabilen Kontinent. Doch die Experten tun sich schwer mit einer klaren Aussage. Es gibt nur grobe Schätzungen, die zudem stark voneinander abweichen. Sie reichen von einer Magnitude 10 bis zu größer als 12. Zum Vergleich: Beim Erdbeben vom Dezember 2004, das im Indischen Ozean den verhängnisvollen Tsunami lostrat, wurde die Magnitude 9,1 gemessen. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Skala logarithmisch ist: Eine um den Wert 1 größere Magnitude bedeutet, dass die bei dem Beben freigesetzte Energie um den Faktor 30 größer ist. Ein Beben der Stärke 12 würde auf der ganzen Erde schwere Schäden anrichten.

Dazu kommt die Flutwelle. Wünnemann hat den Tsunami des bisher einzigen bekannten Einschlags in einen Ozean modelliert. Vor rund 2,2 Millionen Jahren ging der 700 bis 800 Meter große Eltanin-Meteorit zwischen Chile und der Antarktischen Halbinsel nieder. Wünnemann kam zu einem fast beruhigenden Ergebnis: Die Flutwelle sei nicht viel größer gewesen als die von Weihnachten 2004. Denn das Wellenmonster, das der Impakt zunächst aufgetürmt hatte, sei rasch in sich zusammengefallen, weil es nur eine kurze Wellenlänge hatte. Das ist wie ein hoher Ton, der nicht so weit trägt wie ein tiefer. „Ich scheue mich, von einer Welle zu sprechen. Es war eher ein ,Aufspritzen‘ “, sagt Wünnemann.

Tausende Meter hohe Flutwelle

Der Treffer eines viel größeren Meteoriten mitten im Atlantik hätte natürlich ganz andere Auswirkungen. Die Flutwelle würde sich zunächst Tausende Meter auftürmen und – auch wenn es nur ein „Aufspritzen” wäre – mehrmals um die Welt laufen. Sie würde mit Sicherheit sämtliche Küstenstädte längs des Atlantiks restlos hinwegfegen, von New York bis Lissabon, wahrscheinlich sogar alle Küstenorte weltweit.

Sie allein würde also die halbe Menschheit auslöschen. Wie viele Menschen die unmittelbaren Folgen des Impakts überleben könnten, steht in den Sternen. Doch wenn die Mehrheit der Experten Recht hat, kommen zumindest einige mit heiler Haut davon. Schließlich hat sich unsere Spezies längst in allen Regionen der Erde breit gemacht, sogar in der lebensfeindlichen Antarktis.

Auch die Vorwarnung hilft. Sie ermöglicht den Menschen, geschützte Orte aufzusuchen, wo sie vor Feuer und Sturm halbwegs sicher sind, und wo ihnen kein Erdbebenschutt auf den Kopf fällt. Vor 65 Millionen Jahren waren es vor allem die Höhlenbewohner unter den Tieren, die mit dem Leben davonkamen.

Doch wenn die Überlebenden nach ein paar Tagen aus Kellern und Tunneln kriechen, erkennen sie ihre Welt nicht mehr: Es ist dunkel, kalt und verbrannt. Sie müssen ohne Infrastruktur klarkommen, ohne Strom, Heizung, fließendes Wasser und Toilettenspülung, ohne Straßen und Schienen, von Internet oder Handy ganz zu schweigen. Und sie müssen mit den langfristigen Folgen des Impakts fertig werden. Staub und Aerosole bleiben monatelang in hohen Luftschichten, verdunkeln die Sonne und sorgen für tiefe Temperaturen.

Vor 65 Millionen Jahren ist dabei wahrscheinlich die Photosynthese zum Erliegen gekommen. Noch in Neuseeland hat man auffällig viele Sporen von Farnen gefunden, typischen Pioniergewächsen, die dort gedeihen, wo vorher nichts war.

Tiere, die den Einschlag selbst überlebt haben, finden kein Futter mehr. Für die Großen unter ihnen wird das rasch lebensgefährlich: Ein Elefant braucht immerhin rund 200 Kilogramm Grün am Tag, eine Kuh 50 Kilogramm. Und wenn erst die Pflanzenfresser verschwunden sind, droht bald auch den Fleischfressern der Hungertod.

Die Menschen haben den Vorteil, dass sie auf eingelagerte Vorräten zurückgreifen können. Jeder Staat hat Lager für Notfälle angelegt, dazu kommen Lebensmittel in Kellern und Bunkern, die ängstliche Zeitgenossen gesammelt haben. Denn nach der Warnung würden sicher die Regale der Supermärkte gestürmt. Einige Nahrungsmittel überstehen bestimmt das Inferno. Auf Dauer reicht das natürlich nicht aus. Irgendwann, wenn es wieder hell wird, müssen die Menschen Pflug und Egge neu erfinden. Vielleicht haben sie auch das eine oder andere Schwein durchgefüttert. Aber sie können nicht darauf bauen, dass die Evolution rasch wieder für große Wildtiere sorgt. Nach dem letzten Desaster hat es rund 20 Millionen Jahre gedauert, bis die mausgroßen Säuger das Gardemaß eines Elefanten erreichten.

Nach dem Crash: zerstörte Ozonschicht, vergiftetes Wasser

Und die überlebenden Menschen haben noch mehr Probleme: Sie müssen sich vor der Sonne schützen, weil die Ozonschicht zerstört ist und die schädliche Strahlung für viele Jahrzehnte nicht mehr abhält. Möglicherweise sind auch Gifte in die Atmosphäre gelangt und haben das Wasser ungenießbar gemacht. Die vielen explodierten Kernkraftwerke und Chemiefabriken wären bei einem solchen Desaster nur eine Randnotiz.

Der Mensch hat durch seine Fähigkeit, zu planen und vorauszudenken, zwar große Vorteile gegenüber den Tieren. Doch er kann dieses Talent vor dem Crash viel besser ausspielen als beim mühsamen Überlebenskampf danach: Er könnte das Geschoss, das sich der Erde nähert, rechtzeitig aufspüren und auf eine ungefährliche Bahn lenken. Forscher in aller Welt tun heute viel dafür, um im Notfall gewappnet zu sein. In Europa soll das EU-Projekt NEO Shield Abwehrstrategien liefern. Vielleicht gibt es irgendwann auch die Mittel für ihre Umsetzung. Dann bliebe der Menschheit das Schicksal der Dinosaurier erspart. •

KLAUS JACOB ist Wissenschaftsjournalist in Stuttgart – und lebt damit nur 60 Kilometer vom Nördlinger Ries entfernt. Hier schlug vor 15 Millionen Jahren ein Meteorit ein und schuf einen der größten Krater Europas.

von Klaus Jacob

Kompakt

· Im Schnitt alle 100 Millionen Jahre droht eine schwere globale Katastrophe durch einen Treffer aus dem All.

· Modellrechnungen erlauben eine Abschätzung der Auswirkungen.

· Der beste Schutz wäre, große Asteroiden aus ihrer Bahn zu lenken.

Kaskade der Katastrophen

Die Folgen eines Meteoriteneinschlags sind extrem lange zu spüren. Direkt nach dem Impakt richten Hitze, Druck und Erdbeben Schäden in der unmittelbaren Umgebung an. Ein Tsunami bedroht nahe gelegene Küsten. Nach Tagen bis Wochen wüten Waldbrände, und Auswurfmaterial regnet vom Himmel. Es folgen weltweit Dunkelheit, Kälte und saurer Regen.

Leben oder Tod – die Distanz entscheidet

Vor 15 Millionen Jahren traf ein 1,5 Kilometer großer Meteorit eine Gegend bei der heutigen Stadt Nördlingen und schuf das „ Nördlinger Ries”. Würde ein Brocken gleicher Größe heute dort einschlagen, wären die Auswirkungen selbst in großer Entfernung verheerend. Noch in 200 bis 300 Kilometer Entfernung würde die Kleidung Feuer fangen.

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