Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Zimthandel in Tel Dor

Geschichte|Archäologie

Zimthandel in Tel Dor
Die Rinde des Zimtbaums war vor 3000 Jahren begehrt im östlichen Mittelmeerraum. Er wuchs allerdings nur am anderen Ende der Welt – im tiefsten Südasien.

m Alten Testament heißt es, frivole Frauen puderten ihr Bett damit und Priester verbrannten es auf dem Altar: Zimt galt in der Levante als Luxusgut. Jetzt konnten Forscher nachweisen, dass die Rinde des Zimtbaums tatsächlich schon vor mehr als 3000 Jahren in der Region geschätzt wurde. Im israelischen Tel Dor, rund 30 Kilometer südlich von Haifa, fanden sie Tonfläschchen mit Spuren von Zimtaldehyd. Doch die Geschichte hat einen Haken: Der nächste Zimtbaum wuchs in der frühen Eisenzeit Tausende von Kilometern entfernt in Indien und Sri Lanka. Gewächse der Spezies Cinnamonum waren damals nur im Süden und Südosten Asiens beheimatet.

Die etwa 18 bis 20 Zentimeter hohen Tonfläschchen kannten die Ausgräber bereits von anderen Fundorten: Die Gefäßform war zwischen 1100 und 850 v.Chr. bei den Phöniziern an der Levanteküste weit verbreitet. Die linsenförmigen Behälter fassen rund 50 Milliliter. Meistens sind sie mit Kreismustern bemalt. Und das macht sie zu etwas Besonderem, denn phönizische Töpfer griffen nur selten zum Pinsel, um ihre Keramik zu dekorieren. „ Was darauf schließen lässt, dass die Dekoration eine bestimmte Funktion hatte – möglicherweise waren die Fläschchen zum Verkauf bestimmt“, meinen die Ausgräber Ayelet Gilboa von der University of Haifa, Ilan Sharon von der Hebrew University und Israel Finkelstein von der Tel Aviv University. Dazu kommt: Die Gefäßwände sind mit einem Zentimeter Stärke ungewöhnlich dick. Der Inhalt sollte offenbar gut geschützt werden. Der Plan ging auf. Viele der Fläschchen konnten Archäologen heil bergen, sogar an Orten, die wiederholt überbaut wurden, wobei entsprechend viel Keramik zu Bruch geht: „Das erhöht die Chance, im Inneren Rückstände des einstigen Inhalts zu entdecken.“ Dass dieser kostbar war, hatten die Forscher schon geahnt. Doch als die Chemiker Steve Weiner, Dvory Namdar und Ronny Neumann vom Weizmann Institute of Science in 10 von insgesamt 27 Fläschchen Zimtaldehyd fanden, waren die Archäologen dann doch überrascht – und auch skeptisch.

Berechtigte Bedenken

Nicht alle Fläschchen waren nach neuestem Standard ausgegraben worden, viele lagen bereits seit Jahren in Depots, waren gereinigt und von zahlreichen Händen angefasst worden. Es gab also jede Menge Gelegenheiten, die Gefäße mit Zimtaldehyd zu verunreinigen. Der Stoff steckt heute in vielen Hand- und Sonnencremes sowie in Mückenschutzmitteln – alles Flüssigkeiten, die Archäologen literweise auf Ausgrabungen im Mittelmeerraum benutzen.

Anzeige

Mit Handschuhen und viel Fingerspitzengefühl bargen Ayelet Gilboa und Ilan Sharon dann vorsichtig vier Fläschchen. Und tatsächlich: In zweien war die Zimtaldehydkonzentration besonders hoch. Die Forscher waren gespannt, ob sich vielleicht auch in anderen Gefäßen von Tel Dor Zimtaldehyd nachweisen ließ. Doch Fehlanzeige: In keiner anderen Gefäßform fanden sie den Aromastoff. Aber was genau enthielten die Fläschchen? Kosmetika? Gewürze? „Leider wissen wir nicht, für was die Substanzen gebraucht wurden“, bedauert Gilboa. „Wir haben nur noch geringe Spuren des Inhalts gefunden – der Rest ist chemisch nicht mehr nachweisbar.“

Fest steht, dass die Bewohner der Levante vor rund 3000 Jahren Kontakte ins weit entfernte Asien unterhielten, um an die begehrte Baumrinde zu kommen. „Allerdings dürften nicht die Phönizier selbst so weit gereist sein“, so Gilboa. „Die Stangen gingen wohl durch viele Hände, bis sie aus dem Fernen Osten in den Westen gelangten.“ •

von Angelika Franz

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Zir|ro|stra|tus  〈m.; –, –; Meteor.〉 Schleierwolke in großer Höhe [<lat. cirrus … mehr

Lu|i|ker  〈m. 3; Med.〉 jmd., der an Lues (Syphilis) erkrankt ist

Ma|ri|en|dis|tel  〈f. 21; Bot.〉 Korbblütler mit milchweiß marmorierten Blättern: Silybum

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige