Um geschlechtsspezifische Tendenzen bei der Zusammenarbeit über Hierarchiegrenzen hinweg zu untersuchen, wählten sich Joyce Benenson von der Harvard University und ihre Kollegen eine ideale Informationsquelle: wissenschaftliche Publikationen. Aus deren Autorenlisten gehen nämlich klar zwei Aspekte hervor: Das Geschlecht und der wissenschaftliche Rang der Forscher, die bei der jeweiligen Forschungsarbeit kooperierten. Die Autorenliste zeigt beispielsweise, ob in einer Studie Professoren mit Assistenzprofessoren oder anderen niederrangigeren Wissenschaftlern zusammenarbeiteten und ob es sich um Frauen oder Männer handelte. Auf diese Aspekte hin werteten Benenson und ihre Kollegen systematisch die Autorenlisten von wissenschaftlichen Publikationen von 50 US-amerikanischen Universitäten aus. Mit statistischen Methoden lassen sich Einflussgrößen, wie die Häufigkeit von Frauen und Männern und generelle Möglichkeiten zur Kooperation bei den Auswertungen berücksichtigen.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: Auf der Ebene des gleichen Ranges arbeiteten Wissenschaftlerinnen etwa genauso häufig mit ihren Geschlechtsgenossinnen zusammen wie ihre männlichen Kollegen. Doch über die Hierarchiegrenzen hinweg betrachtet, gab es einen deutlichen Unterschied: Männliche Professoren arbeiteten häufiger mit gleichgeschlechtlichen Assistenzprofessoren zusammen als Professorinnen. Mit anderen Worten: Rangunterschiede standen der Kooperation von Männern offenbar weniger im Wege als bei den Frauen.
Was könnte hinter dem Zusammenhang stecken?
Die Frage ist nun, was die Ursache hinter diesem Zusammenhang ist. Wollen Frauen über die Hierarchiegrenzen kooperieren, scheitern aber aus irgendeinem Grund? Liegt das Problem bei der höherrangigen Person oder der niederrangigeren? Diesen Fragen wollen die Forscher nun in weiteren Untersuchungen nachgehen. Sie spekulieren aber bereits über eine mögliche geschlechtsspezifische Grundveranlagung als Ursache für den Zusammenhang.
Üblicherweise nimmt man an, Frauen seien kooperativer als Männer. Aber möglicherweise lässt sich dies nicht verallgemeinern. Denn Kooperation sei durchaus auch eine charakteristische männliche Verhaltensweise, die vermutlich tiefe evolutionäre Wurzeln hat. Männer verbünden sich beispielsweise, um sich gegen andere Gruppen durchzusetzen. Vom Sport über Straßen-Gangs bis hin zur Armee finden sich solche Muster wieder. Auch für unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Schimpansen, sind Männerbünde typisch. Damit sie funktionieren, müssen auch niederrangige Gruppenmitglieder ausreichend integriert werden, damit sie die Ziele der Gruppe unterstützen. „Beim Menschen könnte sich dieses männliche Konzept auch auf Kooperationen ausweiten, die nichts mit Kampf zu tun haben”, sagt Benenson.