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Des Rätsels Lösung: Neutrinos!

Allgemein

Des Rätsels Lösung: Neutrinos!
„Finden Sie die 9 Entdecker“, forderte bild der wissenschaft im Februar-Heft die Leser auf. Hier sind die Gesuchten.

Wer wollte bestreiten, dass Neutrinos etwas Rätselhaftes sind: Nahezu masselos und elektrisch neutral, durchschwirren sie das Weltall und lassen sich auch von einem 12 700 Kilometer dicken Brocken wie der Erde nur extrem selten aufhalten. Diese kosmischen Entdeckungsreisenden waren ideale Kandidaten, um das Lösungswort für das große Gewinnspiel in Heft 2/2014 abzugeben. Wie die 9 Buchstaben – jeweils einer aus 9 separaten Entdeckergeschichten – zustande kamen, können Sie im Folgenden nachlesen.

1. Das geträumte Molekül

Der Träumer vor dem Kamin im winterlichen Gent war der deutsche Chemiker August Kekulé (7. September 1829 bis 13. Juli 1896), der sich zur Verwirrung seiner Biografen ab 1895 – als Reminiszenz an seine adeligen böhmischen Vorfahren – nur noch Kekule von Stradonitz nannte.

Als er 1861 von einer Schlange träumte, die sich selbst in den Schwanz biss, kam er auf die geniale Idee: BENZOL, das Molekül mit der Summenformel C6H6 (also aus sechs Kohlenstoff- und sechs Wasserstoff-Atomen bestehend), ist ein symmetrisches Sechseck beziehungsweise ein Ring. Und: Das Molekül oszilliert zwischen zwei Grenzstrukturen (siehe Grafik rechts), in denen die drei Doppelbindungen ständig die Plätze wechseln, „fluktuieren“. Chemiker sprechen in solchen Fällen von einer „aromatischen Struktur“. Das ist ein historisch bedingter Name, der keineswegs angenehmen Duft garantiert: Auch das Skatol-Molekül, der typische Geruchsstoff von Kot, enthält solch einen aromatischen Strukturanteil.

Erst etwa ein Jahrhundert nach diesem Geniestreich verließen die Chemiker Kekulés Erklärungswelt oszillierender Grenzstrukturen für das Benzol. Seither ist die Vorstellung von Molekülorbitalen en vogue – also von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen, die an Donuts, Keulen oder Bananen erinnern. Die Strukturformel von Benzol schreibt man heutzutage generell als Sechseck mit einem einbeschriebenen Kreis. Der Kreis symbolisiert einen über das ganze Molekül „verschmierten“ Donut („Pi-Wolke“, siehe Grafik) aus Elektronen.

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Doch an Kekulés Grundidee zur Benzolstruktur gibt es bis zum heutigen Tag nichts zu mäkeln: Sechs chemisch gleichartig reagierende Kohlenstoff-Atome, die ein regelmäßiges ebenes Sechseck bilden, außenliegend sechs Wasserstoff-Atome. Diese Erkenntnis war der Startschuss für die Organische Chemie, die Basiswissenschaft des Erdölzeitalters im 20. Jahrhundert. Das Benzol lieferte seinen zweiten Buchstaben, das „E“, für das Lösungswort.

2. Plötzlich schmolz er dahin

Der gesuchte Entdecker hieß Percy LeBaron SPENCER (9. Juli 1894 bis 8. September 1970). Der Name klingt nach einer adeligen Romanfigur oder einem reichen Müßiggänger. Aber das täuscht. Bevor der im US-Bundesstaat Maine geborene Spencer zwei Jahre alt war, starb sein Vater. Seine Mutter gab ihn bei Verwandten ab und verschwand. Mit zwölf Jahren verließ er ohne Abschluss die Grundschule und schuftete in einer Spinnerei für seinen Lebensunterhalt.

Mit einem derart harten Start ins Leben scheint eine Verliererlaufbahn vorgezeichnet. Aber der Junge war von einem unstillbaren Wissensdurst besessen, was naturwissenschaftliche Phänomene betraf – vor allem Elektrizität faszinierte ihn, und besonders die drahtlose Weitergabe elektrischer Signale. 18-jährig heuerte er bei der U.S. Navy als Funker an. In vielen nächtlichen Stunden des Wacheschiebens verschlang der Autodidakt Fachbücher und fraß geradezu sämtliches Wissen, das es damals über Funktechnik und die Anfänge der Elektronik gab, in sich hinein.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs arbeitete er für das Funktechnik-Unternehmen Wireless Specialty Apparatus und ab 1925 bei Raytheon, damals ein Produzent von Elektronenröhren. 1941 zog er einen Großauftrag des US-Verteidigungsministeriums an Land: die Serienfertigung von in Großbritannien entwickelten „ Magnetrons“ – Mikrowellen emittierenden Röhren für Radargeräte in Flugzeugen und Kriegsschiffen. Spencer überarbeitete das Design der Radarröhren und vereinfachte dadurch drastisch die Herstellung. Unter seiner Ägide schraubte Raytheon den täglichen Ausstoß an Magnetrons von zuvor 17 auf 2600 hoch. Der Elektroingenieur, der weder Highschool noch Universität besucht hatte, erhielt den Distinguished Public Service Award, die höchste Auszeichnung der U.S. Navy für Zivilisten.

Als ihm 1945 bei einem Laborrundgang auffiel, dass während des Betriebs einer Mikrowellenröhre ein Schokoriegel in seiner Tasche schmolz, ließ ihn diese Beobachtung nicht ruhen. Er experimentierte mit Popcorn, einem rohen Ei und anderen Lebensmitteln, die er mit Mikrowellen erhitzte.

Noch im selben Jahr konstruierte Spencer den ersten Mikrowellenofen, genannt „Radarange“. Das erste kommerzielle Gerät war allerdings ein Ladenhüter – kein Wunder bei 1,80 Meter Höhe, sieben Zentner Gewicht und einem Preis zwischen 2000 und 3000 US-Dollar. Erst 1967, als Raytheon sich den Kühlschrankbauer Amana einverleibte, kam das Know-how für praktikable und preiswerte Küchengeräte ins Unternehmen. Danach eroberte „die Mikrowelle“, wie sie in Deutschland umgangssprachlich heißt, Schnellimbisse und Küchen von Privathaushalten.

Kulinarisch Ambitionierte sind nicht entzückt, wenn aus einer Restaurantküche das bekannte „Bing“ an ihr Ohr dringt. Viele legen Wert auf frische Ware anstatt auf Vorgefertigtes aus dem Mikrowellenofen. Aber in diese Grundsatzdebatte mischt bild der wissenschaft sich nicht ein und beschränkt sich darauf, an den genialen Erfinder Percy Spencer zu erinnern. Denn das hat er verdient. Den ersten Buchstaben seines Nachnamens galt es zu notieren, das „S“.

3. Allein gegen (fast) alle – und posthum strahlender Sieger

Alfred WEGENER (1. November 1889 bis November 1930) war der Unbeirrbare, der gegen alle Widerstände seine Idee der „ Kontinentaldrift“ verfocht. Die haben ihm seine akademischen Zeitgenossen gründlich übel genommen: Wie konnte dieser Meteorologe es wagen, gestandenen Geowissenschaftlern mit derart revolutionärem Unfug in die Suppe zu spucken?

Zwar war Wegener beileibe nicht der Erste, dem auffiel, dass die Ostküste von Südamerika und die afrikanische Westküste perfekt ineinander passen. Auch dass die fossile Tier- und Pflanzenwelt sowie geologische Formationen auf beiden Seiten des Atlantiks auffallende Ähnlichkeiten aufweisen, hatten schon vor Wegener andere Forscher bemerkt. Neu waren jedoch die Schlussfolgerungen, die der Fachfremde daraus ableitete, sowie deren Untermauerung durch wissenschaftliche Fakten aus mehreren Disziplinen. Demnach gab es vor Millionen von Jahren einen einzigen Urkontinent. Der zerbrach, und die dabei entstandenen Kontinente trieben auseinander.

Diese Vorstellung fanden die Geowissenschaftler, die Wegener mit seiner Theorie konfrontierte, ungeheuerlich. Sie selbst erklärten sich die – unstrittigen – Ähnlichkeiten zu beiden Seiten des Meeres durch einstmals vorhandene Landbrücken, die abgebrochen und in den Ozeanbecken versunken wären. Die Kontinente selbst hielten sie für unverrückbar im Untergrund verankert. Und da kam nun jemand daher, der weder Geologie noch Geophysik studiert hatte und von spezifisch leichteren granitischen Kontinenten faselte, die auf dichteren basaltischen Ozeanböden schwämmen. Was sollte denn die Antriebskraft für diese Kontinentalverschiebungen sein? Das allerdings war eine Frage, bei der auch Wegener passen musste.

Die Kritik der ganzen Zunft prasselte auf den Außenseiter nieder, in allen Spielarten: Von der milden Ironie („schöner Traum“, „Rauchwölkchen“) des französischen Geologen Pierre-Marie Termier über die Beschwörungen des Amerikaners Rollin Thomas Chamberlin („nicht in die Schulbänke zurückkehren“) bis zur schroffen Häme („Fieberfantasien“) führender deutscher Geowissenschaftler wie Franz Kossmat und Hans Closs. Unter dieser Lawine wären schwächere Charaktere zerbrochen. Nicht so Wegener. Er bewies nicht nur auf seinen Polarexpeditionen Mut und Härte, sondern auch im lebenslangen Kampf um seine Idee.

Wegener starb im November 1930, 50-jährig, auf seiner letzten Grönland-Expedition. Daher erlebte er nicht mehr, wie seine Theorie in den 1970er-Jahren durch neue Erkenntnisse im Wesentlichen Bestätigung fand. Der Name des posthum viel Geehrten ziert heute sogar einen Mondkrater – was ihn außerirdisch mit seinem Kritiker Termier gleichziehen lässt, nach dem ein Bergrücken (Dorsum Termier) auf dem Erdtrabanten benannt wurde.

Die mehr als 900 Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, einer der herausragenden deutschen Großforschungseinrichtungen, haben ihren Namensgeber bestimmt schon nach den ersten paar Zeilen des Entdeckerrätsels erkannt. Der fünfte Buchstabe des Nachnamens war festzuhalten, das „N“.

4. Aufbruch ins Unbekannte

Stark Kurzsichtige, die älter als 60 Jahre sind, können ein Lied davon singen: Was wurde man als Jugendlicher von den Altersgenossen gehänselt, weil man mit einer dicken Brille herumlaufen musste. Sie hinterließ nicht nur rote Druckstellen auf dem Nasenrücken, sondern verlieh den Trägern außerdem einen eulenhaften Blick. Dass die Häme ab den 1970er-Jahren ein Ende nahm, ist Marga FAULSTICH (16. Juni 1915 bis 1. Februar 1998) zu verdanken. Als weltweit führende Glas-Chemikerin entwickelte sie das Leichtgewichtsbrillenglas SF 64.

1935, gleich nach dem Abitur, begann die gebürtige Weimarerin eine Ausbildung beim Glaswerk Schott in Jena. Sie fiel rasch durch ihr Engagement und ihr Feingefühl beim Umgang mit dem transparenten Werkstoff auf. Marga Faulstich war zunächst an der Entwicklung dünner Schichten beteiligt, wie sie noch heute zur Entspiegelung von Sonnenbrillengläsern dienen. Parallel zu ihrer wachsenden Expertise für neue optische Gläser vollzog sich ihr Aufstieg im Unternehmen.

So war es kein Zufall, dass auch sie zu den Schott-Mitarbeitern in Jena zählte, die auf Befehl der U.S. Army am 25. und 26. Juni 1945 zusammen mit etwas Hausrat auf Lastwagen verladen wurden. Der „Zug der 41 Glasmacher“, wie der Konvoi alsbald hieß, deportierte die kenntnisreichsten Forscher, Entwickler und Facharbeiter sowie deren Familienangehörige in den Einflussbereich der Westalliierten. „We take the brain“, lautete die Absicht der amerikanischen Kommandeure – wir lassen die alte Fabrik, wo sie ist, und schnappen uns stattdessen die Vordenker des Glaswerks Schott. Sie sollen in unserer Zone eine neue Produktionsstätte für optische Gläser aufbauen.

Nach Durchgangsstationen in Heidenheim, Zwiesel, Mitterteich und Landshut zogen die Know-how-Träger mitsamt Laboren und Fertigungslinien ein letztes Mal um: in die Mainzer Neustadt. Im Mai 1952 ging dort das neu errichtete Schott-Hauptwerk in Betrieb. Die Glas-Virtuosin bewies weiterhin ihre Klasse und meldete in den insgesamt 44 Jahren, die sie dem Unternehmen angehörte, rund 40 Patente an. Seit 1995 gehört auch das Jenaer Glaswerk wieder zum Konzern. Und die Amerikaner bekamen, was sie sich erhofft hatten: Seit 1957 liefert Schott Spezialgläser für die meisten amerikanischen Raumfahrtprojekte.

Marga Faulstich war die erste weibliche Führungskraft bei Schott Glas. Gesucht war der dritte Buchstabe ihres Nachnamens, das „U“.

5. Das Rauschen kam nicht vom Taubendreck

Nichts weniger als das „Restleuchten“ des Urknalls vor 13,7 Milliarden Jahren hatten die Physiker Arno PENZIAS (*26. April 1933) und Robert Woodrow Wilson entdeckt. Ständige Leser von bild der wissenschaft kennen das vermeintliche Störgeräusch, das die beiden ärgerte, unter dem Namen „Kosmische Hintergrundstrahlung“. Diese Strahlung entspricht einer mittleren Temperatur von etwa drei Kelvin über dem absoluten Nullpunkt und ist im gesamten Weltall gleich verteilt.

Wilson und der in München geborene Penzias, der 1939 vor den Nazis zunächst nach England und dann in die USA emigrierte, horchten 1965 in Diensten der Bell Labs in Holmdel/New Jersey mit einer hochempfindlichen Antenne in den Weltraum. Im Mikrowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums gab ihnen ein konstantes Rauschen, das aus allen Raumrichtungen kam, Rätsel auf. Sie dachten an eine Störungsquelle in ihrer Anlage – zum Beispiel ein Taubenpaar, das in der Antenne nistete – oder in der Umgebung, beispielsweise in der nahen Metropole New York. Doch sie konnten die Ursache nicht finden.

Während eines Telefonats mit dem MIT-Astronomen Bernard Burke berichtete Penzias beiläufig von dem mysteriösen Mikrowellenrauschen. Burke schaltete sofort und sah die Verbindung zur Forschungsarbeit der Gruppe um Robert Dicke und Jim Peebles an der Princeton University: Diese Astronomen suchten – bislang vergeblich – nach der Kosmischen Hintergrundstrahlung, die bereits 1948 von den Physikern Ralph Alpher, George Gamow und Robert Herman vorausgesagt worden war. Burke brachte die Teams zusammen. Noch 1965 publizierten Penzias, Wilson und Dicke gemeinsam in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal die Entdeckung des „Störgeräuschs“ sowie die korrekte Deutung.

Trotz ihrer ursprünglichen Ahnungslosigkeit erhielten Penzias und Wilson 1978 den Nobelpreis für Physik. Dicke und Peebles schauten in den Mond. Auch der aufmerksame Bernard Burke, der den anderen zu wissenschaftlichem Ruhm verholfen hatte, ging leer aus. Den bdw-Rätsellösern brachte das Ganze immerhin ein „I“ ein, den fünften Buchstaben im Namen Penzias.

6. Nur ein Stück Messing blieb von ihm – und ein „L“

Philatelisten waren bei diesem Rätsel im Vorteil. Denn die Deutsche Post hat Ludwig LEICHHARDT (23. Oktober 1813 bis irgendwann im Jahr 1848) im vergangenen Oktober mit einer 75-Eurocent-Briefmarke geehrt, anlässlich seines 200. Geburtstags. Sein Geburtsort Trebatsch, Teil der Gemeinde Tauche in Brandenburg, und die Region Lausitz feierten 2013 aus demselben Anlass das „Ludwig-Leichhardt-Jahr“.

Der unerschrockene Entdecker, Naturforscher und Geograf Ludwig Leichhardt hätte es verdient, durch sein Jubiläumsjahr deutschlandweit bekannt zu werden. In Australien, wo er 1842 einreiste, ist sein Name viel geläufiger als hierzu- lande – nicht zuletzt sind ein Gebirgszug, mehrere Gewässer, diverse Stadtteile und ungezählte Straßen nach ihm benannt. Er gehört zu den großen Pionieren Australiens.

Der aus dem Königreich Preußen stammende Wissenschaftler fand auf seiner ersten Expedition 1844/1845 einen Landweg von Brisbane/Queensland an der Ostküste bis zum 4800 Kilometer entfernten, einsamen Stützpunkt Port Essington an der Nordküste. Das gesamte Inland Nordaustraliens war damals ein weißer Fleck auf der Landkarte des britischen Kolonialimperiums. Leichhardt kartierte nicht nur die Route in den Norden des fünften Kontinents und notierte eine Fülle von landeskundlichen Beobachtungen – er entdeckte ganz nebenbei auch das bis heute größte Kohlelager Australiens. Sein „Tagebuch einer Landreise in Australien“ ist ein zeitgeschichtliches Dokument erster Güte und darüber hinaus spannend zu lesen.

Von den britischen Kolonisten für seine wagemutige Tat gefeiert, fasste Leichhardt einen noch ehrgeizigeren Plan: die Durchquerung Australiens von Ost nach West, von Brisbane nach Perth. 1846 nahm er das Projekt in Angriff, musste aber nach fünf Monaten umkehren. Hartnäckig verfolgte er sein Ziel weiter. Im Frühjahr 1848 brach er in Begleitung von sechs Reisegefährten – darunter zwei Aborigines – zu seiner dritten Expedition auf. Es ist bis heute mysteriös, warum das halbe Dutzend Menschen mitsamt Pferden und Gepäck fast spurlos verschwand.

Der Affenbrotbaum, an dem ein australischer Ureinwohner im Jahr 1900 ein halb verbranntes Gewehr mit Leichhardts Namen auf einem Messingplättchen fand, steht in der Nähe des Sturt Creek, etwas südlich des Kimberley-Plateaus in Nordwestaustralien, zwischen Tanami Desert und Great Sandy Desert. Materialkundler am National Museum of Australia haben 2006 mit eingehenden Untersuchungen per Rasterkraftmikroskop nachgewiesen, dass das Messingplättchen keine neuzeitliche Fälschung ist. Es ist der einzige konkrete Hinweis auf die Region, in der die Gruppe den Tod gefunden haben dürfte. Der Fundort des Gewehrs zeigt: Leichhardt hat offenbar seine Expedition nicht auf gerader Linie von Brisbane in Richtung Perth geführt, sondern klugerweise einen Bogen nach Norden geschlagen – denn hier bestand mehrere Male die Chance, auf nordwärts verlaufende Flussbetten zu treffen und dort ein Wasserloch graben zu können. Genützt hat das am Ende nichts. Der zehnte Buchstabe von Ludwig Leichhardts Nachnamen war gefragt, das „T“.

7. Erfinder, Großindustrieller und Präsidenten-Spezi

Gesucht war Robert Henry ABPLANALP (4. April 1922 bis 30. August 2003), ein im New Yorker Stadtteil Bronx geborener US-Bürger. Er hat das Ein-Zoll-Ventil für Spraydosen entwickelt und ist Gründer der Precision Valve Corporation. Auch wenn der Name des Unternehmens mit Hauptsitz in Yonkers/New York nicht jedem etwas sagt, handelt es sich doch um den Weltmarktführer für Aerosolventile.

Die Zuverlässigkeit und Bediensicherheit von Spraydosen hängt entscheidend von dem oben angebrachten Knopf und dessen technischem Unterbau ab. Sein genialer Erfinder Robert Abplanalp war nicht einmal ordentlicher Akademiker – er hatte sein Ingenieurstudium abgebrochen und eine kleine Werkstatt in der Bronx aufgemacht. 1949 beschwerte sich in seiner Gegenwart ein Handelsvertreter für Spraydosen über den ständigen Ärger mit den Produkten: Die Metallventile der mit einem Pumpmechanismus versehenen Dosen – obwohl teuer in der Fertigung – kleckerten und verstopften immer wieder, und die Aerosolstöße waren unterschiedlich stark.

Abplanalp sann auf Abhilfe und entwickelte einen Plastiksprühkopf mit metallener Schutzkappe. Dank eines zugesetzten Treibmittels ließ sich – durch einen einzigen Knopfdruck, ohne Pumpen – der Doseninhalt mit gleichbleibend kräftigem Strahl als Aerosol oder Schaum ausstoßen. Das Ein-Zoll-Ventil konnte obendrein zu nur einem Sechstel des bisherigen Herstellungspreises für Aerosolventile gefertigt werden.

Noch 1949 erhielt der damals 27-Jährige ein Patent darauf und gründete mit zwei Partnern die Precision Valve Corporation. Schon 1950 produzierte das Unternehmen 15 Millionen Spraydosen, heute sind es Milliarden. Der gleichzeitige Wechsel zu Aluminium als Dosenmaterial reduzierte das Gewicht und erlaubte die Füllung mit beliebigen Inhalten – von Sahne über Farbe bis zu Insektenschutzmittel oder Haarspray.

Mit dem späteren amerikanischen Präsidenten Richard M. Nixon verband Abplanalp eine lebenslange Freundschaft. Der reich gewordene Industriekapitän hatte Nixons erfolglosen Präsidentschaftswahlkampf von 1960 und seine ebenso desaströse Bewerbung von 1962 um den Gouverneursposten im Bundesstaat Kalifornien finanziell unterstützt. Nachdem Nixon 1968 endlich US-Präsident geworden war, lieh Abplanalp ihm 625 000 Dollar für den Erwerb eines Anwesens im kalifornischen San Clemente und lud den Freund mit Familie zum Urlaub auf seine Ferieninsel in den Bahamas und auf seine Jacht ein.

Als der Watergate-Skandal Nixon 1974 zum Rücktritt zwang, hielt Abplanalp unverdrossen weiter zu ihm. Auch sich selbst blieb der Sohn von Schweizer Immigranten treu und verlor trotz aller geschäftlichen Erfolge nie seine Bescheidenheit: Er habe vor allem Glück gehabt, betonte er immer wieder.

Nicht Glück, sondern detektivischer Spürsinn war nötig, um den korrekten Nachnamen herauszubekommen und den sechsten Buchstaben – das „N“.

8. Auch zum Zähneputzen konnt‘ man es benutzen

Eben McBurney Byers (12. April 1880 bis 31. März 1932) hieß der Mann, der als Spross einer US-Industriellenfamilie unter glückhaften Vorzeichen ins Leben startete und es elendiglich vorzeitig beendete. Er war auf die Versprechungen eines William J.A. Bailey hereingefallen, der (fälschlich) behauptete, Doktor der Medizin zu sein. Ebenso falsch waren Baileys Beteuerungen, das von ihm hergestellte Medikament „Radithor“ sei in vielfacher Weise dem Körper zuträglich und könne durch Stimulierung des Hormonsystems alle möglichen Gebrechen heilen, so auch Byers‘ schmerzenden Arm. Radithor war eine wässrige Lösung, die in hohen Konzentrationen die radioaktiven chemischen Elemente Radium und THORIUM (gesucht war der dritte Buchstabe „O“) enthielt.

Viele Menschen waren in den 1920er- und 1930er-Jahren davon überzeugt, Radioaktivität entfalte positive Wirkungen. So waren beispielsweise radioaktive Gürtelschließen und Zigarettenhalter im Handel, und eine Berliner Firma vertrieb bis 1945 eine thoriumhaltige radioaktive Zahncreme namens „Doramad“.

Eben Byers hatte fast 1400 Flaschen „Radithor“ getrunken und dabei eine mehrfache tödliche Strahlendosis aufgenommen. Er starb allerdings nicht an der Strahlenkrankheit, sondern an Krebs. Radium und Thorium hatten sich in seine Knochen eingelagert und von dort aus bösartige Tumore induziert. Nicht nur seinen Kieferknochen hatte der Krebs fast völlig zerfressen, auch sein Hirnschädel wies Löcher auf, und sein Hirngewebe war voller Abszesse.

Der Radithor-Hersteller Bailey wurde nie juristisch belangt. Immerhin machte Eben Byers‘ Tod die Öffentlichkeit auf die Gefahren der Radioaktivität aufmerksam. Das förderte die Verabschiedung von Gesetzen, die der gerade gegründeten US-Arzneimittelprüfbehörde FDA ihre heutige Durchschlagskraft verliehen.

9. Die Erde geht falsch

Ihnen ist bestimmt rasch klar geworden, dass es sich bei der genau gehenden Zeitmessanlage um die Quarzuhr handelt. Etwas schwieriger wird es gewesen sein, dem deutschen Wissenschaftler Udo ADELSBERGER (7. Juni 1904 bis 6. Januar 1992) und seinem Kollegen Adolf Scheibe auf die Spur zu kommen. Der Physiker war seit 1927 Mitarbeiter der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt zu Berlin.

Von 1930 an widmete sich Adelsberger dem Projekt, eine deutlich präziser anzeigende Quarzuhr zu bauen, als es den Vorgängern H.M. Dadourian und Warren Alvin Marrison gelungen war. Das Hauptverdienst lag darin, den Einfluss der Umgebungstemperatur auf die Schwingquarze durch innere und äußere Thermostatisierung drastisch verringert zu haben. Es folgte der Bau dreier weiterer Quarzuhren. 1933 avancierte die kombinierte Uhrenanlage zum offiziellen Zeitmesser für das Deutsche Reich.

Zu Vergleichszwecken zogen Adelsberger und Scheibe schon seit Langem als Zeitnormal die „astronomische Tageslänge“ heran. Das ist die Dauer eines Sonnentages, beispielsweise gemessen von einem Sonnenhöchststand bis zum nächsten. 1934 registrierten Adelsberger und Scheibe demgegenüber deutliche Gangdifferenzen bei ihren Quarzuhren. Die Abweichungen betrugen im Mittel plus/minus 0,0015 Sekunde pro Tag. Die beiden Physiker wiesen den naheliegenden Vorwurf von sich, mit ihren Anlagen stimme etwas nicht. Sie beharrten darauf, die wahrscheinlichere Erklärung sei, dass die Erdrotation bisher unbekannte Schwankungen aufweist – was Rückwirkungen auf die Messung der Tageslänge hat.

Erst 1948 bestätigten andere Wissenschaftler diese Behauptung. Tatsächlich verlangsamt sich die Erddrehung im Frühjahr um etliche Millisekunden und beschleunigt sich im Herbst – dann geht die Erde sozusagen nach beziehungsweise vor. Außerdem vollzieht die Erdachse eine Taumelbewegung (Präzession). Heute würde sich kein Physiker mehr darauf einlassen, astronomische Zyklen für die Zeitmessung heranzuziehen. Im Zeitalter der Atomuhren misst man die Zeit anhand der Frequenzen von Strahlungsübergängen der Elektronen bei isolierten Atomen.

1969 fragte die amerikanische Jazzrock-Band Chicago (damals noch „Chicago Transit Authority“) auf ihrem Debütalbum: „Does anybody really know what time it is?“ Im selben Jahr kam die „ Astron“ des japanischen Herstellers Seiko auf den Weltmarkt – die erste massenhaft produzierte Armbanduhr mit Schwingquarz. Wichtiges Merkmal damals für den stolzen Träger: Ein Jahr Batterie-Lebensdauer war garantiert.

Das „R“, der achte Buchstabe aus dem Namen Adelsberger, komplettierte die Lösungsbuchstaben. Die mussten die bdw-Leser nun so lange schütteln, bis ihnen die gesuchten NEUTRINOS entgegenschwirrten. •

von Thorwald Ewe

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