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Rezept für einen Super-Sonnensturm

Astronomie|Physik

Rezept für einen Super-Sonnensturm
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Kurz aufeinanderfolgende Eruptionen steigern sich zum Supersturm (Ying Liu)
Die Sonne ist alles andere als friedlich: Immer wieder schleudern gewaltige Eruptionen superheißes Plasma kilometerweit ins All und senden energiereiche Strahlen- und Teilchenstürme auch in Richtung Erde. Aber nicht jeder große Ausbruch löst auch einen starken Sonnensturm aus. Das optimale Rezept für einen solaren Supersturm haben Forscher jetzt aus Daten von drei großen Sonnenobservatorien herausgelesen. Denn sie zeichneten auf, wie sich der extremste Sonnensturm des Weltraumzeitalters zusammenbraute – glücklicherweise ging er nicht in Richtung unseres Planeten.

Gegen die meisten Sonnenstürme ist die Erde gut geschützt: Ihr Magnetfeld fängt die energiereichen Teilchenströme weit über der Oberfläche ab. Aber es gibt Ausnahmen. Eine davon ereignete sich im September 1859. Das nach seinem Entdecker, dem britischen Astronom Richard Carrington benannt „Carrington-Ereignis“ war so stark, dass es Polarlichter bis in die Tropen und funkensprühende oder komplett ausfallende Telegrafenanlagen verursachte. Die Stärke dieses Sonnensturms beziffern Astronomen heute auf etwa D = -850 Nanotesla, er gilt als der stärkste bekannte Sonnensturm überhaupt. „Solche solaren Superstürme sind zwar selten, haben aber enorme Konsequenzen“, erklären Ying Liu vom chinesischen Nationalen Weltraumforschungszentrum in Peking und ihre Kollegen.

Welche Auswirkungen ein solches Ereignis auf die heutige, hochtechnisierte Welt haben kann, demonstrierte in Ansätzen der stärkste Solarsturm des Weltraumzeitalters: Er erreichte eine geomagnetische Stärke von -548 Nanotesla und ließ am 13. März 2003 das gesamte Stromnetz der kanadischen Provinz Quebec kollabieren. Sechs Millionen Menschen waren bis zu neun Stunden lang ohne Strom. „Diese extremen Weltraumwetter-Ereignisse zu verstehen, ist daher lebenswichtig für die modernen Gesellschaft und ihre technologische Infrastruktur“, so die Forscher. Allerdings: Bisher war unklar, wie solche Stürme zustande kommen. Denn die meisten großen Massenauswürfe oder Flares auf der Sonne verlieren auf ihrem Weg zur Erde enorm an Geschwindigkeit und Energie. Nur einige wenige mausern sich zum Supersturm.

Erde blieb noch einmal verschont

Ein Rezept für diese Extremereignisse haben Liu und ihre Kollegen nun gefunden – durch einen puren Glücksfall. Am 23. Juli 2012 ereigneten sich gleich zwei große Massenauswürfe auf der Sonnenoberfläche. Im Abstand von nur 10 bis 15 Minuten lösten sich dabei große Plasmamengen und rasten in den Weltraum hinaus. Zum Glück für die Erde geschah dies auf der uns abgewandten Seite. Zeugen dieses Vorgangs wurden aber drei Sonnenobservatorien: das Solar and Heliospheric Observatory (SOHO), das von der Erde 1,5 Millionen Kilometer in Richtung Sonne stationiert ist, außerdem die beiden Zwillingssonden STEREO A und B, von denen eine der Erde auf ihrer Bahn vorausfliegt, die andere ihr hinterher.

Als Liu und ihre Kollegen die Daten dieser drei Sonden auswerteten, entdeckten sie Verblüffendes: Die Massenausbrüche begannen an der Sonne noch relativ normal. Als sie aber auf Höhe der Erdbahn angekommen waren, hatten sie sich zu einem einzigen Supersturm vereinigt. Die Wechselwirkung der beiden Stürme miteinander erzeugte extrem starke Sonnenwinde von 2.246 Kilometern pro Sekunde und ein sehr starkes Magnetfeld. „Hätten diese Rekord-Sonnenwinde die Erde getroffen, hätten sie den stärksten geomagnetischen Sturm seit Beginn des Weltraumzeitalters ausgelöst“ berichten die Forscher. Mit einer Intensität von -1.150 bis -600 Nanotesla wäre er wahrscheinlich sogar stärker ausgefallen als das Carrington-Ereignis. Für die Stromnetze und Satelliten hätte dies verheerende Folgen gehabt.

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Freie Bahn und enge Wechselwirkung

Das Spannende an diesem Supersturm ist aber, dass er den Forschern wertvolle Hinweise dazu geliefert hat, wie diese Rekord-Ereignisse zustande kommen. Denn wie sich zeigte, müssen dazu gleich drei Faktoren zusammenkommen: Einige Tage vor dem Super-Solarsturm muss es einen Massenauswurf in etwa die gleichen Richtung geben. Dieser pflügt den folgenden Ausbrüchen quasi den Weg frei, so dass diese ungebremst bis in Erdbahnnähe rasen können. Als zweites müssen zwei Ausbrüche so eng aufeinander folgen, dass sie noch in Sonnennähe in Kontakt kommen. Und als drittes müssen beide in die gleiche Richtung rasen. Dann kann der hintere den vorderen einholen und ihm gewissermaßen einen Schubs geben. „Dieser Schock verstärkt das interne Magnetfeld beider Stürme und konzentriert sie weiter“, so die Forscher.

Diese Kombination aus solaren und interplanetaren Faktoren ergeben dann den „perfekten Sturm“, wie die Forscher erklären. Bisher aber werden diese Faktorenkombinationen von den Frühwarnsystemen nicht gezielt überwacht. Ein sich anbahnender Supersturm könnte daher durchaus übersehen oder zumindest stark unterschätzt werden. Es sei daher dringend nötig, diese neuen Erkenntnisse zu solaren Superstürmen in die Modelle zur Weltraumwetter-Vorhersage aufzunehmen, warnen Liu und ihre Kollegen. Denn trifft ein solcher Supersturm die Erde, wären die Folgen verheerend. Rechtzeitige Schutzmaßnahmen wie das Abschalten sensibler Elektronik, könnte aber zumindest das Ausmaß der Schäden verringern.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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