Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Gesichtskontrolle in 3D

Gesellschaft|Psychologie Technik|Digitales

Gesichtskontrolle in 3D
Computer können Gesichter automatisch erkennen. So viele Gründe gegen diese Technik sprechen: Sie wird immer häufiger eingesetzt.

Am Flughafen Frankfurt, Terminal 1, Flugsteig C ist die Gesichtserkennung bereits Alltag. Immer wieder die gleiche Szene: Ein Reisender betritt eine Schleuse, das sogenannte E-Gate. Er legt seinen elektronischen Reisepass auf einen Scanner, steckt ihn wieder ein, geht ein paar Schritte weiter und bleibt vor einer Kamera stehen. Die erfasst sein Gesicht. Nun vergleicht ein Computer das live aufgenommene Bild mit dem Foto aus dem Reisepass – etwa die Abstände von Auge zu Auge und von Mund zu Nase. Stimmen die Werte überein, öffnet sich die Schleuse. Diese Technik soll in Zukunft an mehreren Flughäfen Deutschlands zum Einsatz kommen.

Christian Altenhofen von der Bundespolizeidirektion am Frankfurter Flughafen sagt, warum: „Die E-Gates sollen die Passagierdurchsätze erhöhen und damit die Wartezeit an den Kontrollstellen reduzieren.“ Er betont, dass keine persönlichen Daten gespeichert würden, das sei vom Bundesdatenschutzbeauftragten überprüft worden.

Alexander Sander sieht Systeme wie die E-Gates trotzdem kritisch. Er ist Geschäftsführer des Berliner Vereins Digitale Gesellschaft, der nach eigenen Angaben bürgerrechts- und verbraucherfreundliche Netzpolitik unterstützt. Sanders Argument: „Solche Systeme werden in der Regel immer weiter ausgeweitet.“ Wehret den Anfängen, lautet das Credo von Datenschützern.

Forschung und Industrie entwickeln die Gesichtserkennungs-Software derweil weiter. Alexander Nouak etwa, Abteilungsleiter „Identifikation und Biometrie“ beim Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt, würde in Zukunft gern eine Dimension mehr zur Gesichtserkennung nutzen. Bei der 2D- Technik, wie sie am Frankfurter Flughafen im Einsatz ist, haben Experimente gezeigt, dass das Foto einer fremden Person, das jemand vor die Kamera hält, das Erkennungssystem austricksen kann.

Anzeige

Ist der Kopf zu groß?

„Erfasst eine Kamera nicht nur eine zweidimensionale Momentaufnahme, sondern scannt den kompletten Kopf von verschiedenen Seiten, ist die Erkennungswahrscheinlichkeit viel höher“, sagt Nouak. Denn die 3D-Technik berechnet auch das Kopfvolumen. „Eine Gesichtsmaske, wie sie der Agent ,Ethan Hunt‘ im Film Mission Impossible immer wieder trägt, könnte das 3D-System nicht überlisten – der Kopf wäre zu groß“, sagt Nouak.

Die 3D-Erkennung funktioniert nach dem Prinzip der Streifenprojektion: Ein auf den Kopf projiziertes Streifenmuster wird der Form des Gesichts entsprechend verzerrt. Dieses deformierte Muster zeichnet die Kamera auf, und der Computer berechnet Längen und Winkel. Mithilfe von Algorithmen lassen sich auf diese Weise individuelle Merkmale von Gesicht und Kopf erkennen.

Hilfreich bei der Verbrecherjagd

Die 3D-Technik könnte auch bei der Aufdeckung von Straftaten helfen. Hat die Polizei ein Bild eines Tatverdächtigen, etwa von einer Überwachungskamera einer Tankstelle oder eines Supermarkts, ist heute schon die computerbasierte Gesichtserkennung im Einsatz. Sie sucht aus den derzeit etwa drei Millionen Bildern der deutschen erkennungsdienstlichen Erfassung 100 Bilder aus, die zur Kamera-aufnahme passen könnten. Ein Mensch trifft dann die Entscheidung, ob die gesuchte Person darunter ist.

Da die Tatverdächtigen nicht immer direkt in die Kamera schauen, ist die Analyse manchmal schwierig. Die 3D-Technik könnte die Auswertung erleichtern, denn sie kann mit allen Eigenschaften eines Kopfes etwas anfangen – egal, ob er auf einem Foto von der Seite oder von vorne gezeigt wird. Ist auf einem 2D-Bild etwa nur ein Ohr richtig zu erkennen, nimmt es die Technik in die Analyse auf. Tatsächlich reicht manchmal schon ein Ohr aus, um eine Person zuverlässig zu identifizieren.

In den USA ist die Gesichtserkennung weiter verbreitet als hierzulande. So sind seit einem Jahr die Polizisten rund um San Diego mit Tablet-Computern ausgestattet, mit deren Hilfe sie Tatverdächtige vor Ort fotografieren und die Bilder mit einer Datenbank abgleichen können. Binnen weniger Minuten wissen sie, wer die Person ist und ob sie Vorstrafen hat. Taucht die Person in der Liste der Straftäter nicht auf, könnte man sie trotzdem identifizieren – wenn man auch die Datenbanken anzapfen würde, in denen die Führerscheinbilder hinterlegt sind.

Eine solche zentrale, für Gesichtserkennung nutzbare Bild-Datenbank – die es in Deutschland zurzeit nicht gibt – ist ein Horrorszenario für Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft: „Missbrauch wäre vorprogrammiert!“ Er fürchtet, dass beispielsweise Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit Zugriff auf die Live-Bilder von Überwachungskameras und die Datenbank den Wohnort einer Frau herausfinden könnten, die so leichter zu einem Stalking-Opfer werden könnte. Sander sieht eine weitere Gefahr: „Haben Menschen das Gefühl, sie könnten überwacht werden, verlieren sie ihr Vertrauen und ändern ihr Verhalten.“ Sie wagen es dann vielleicht nicht mehr, an Demonstrationen teilzunehmen.

Sogar schlechte Laune wird erfasst

Das Unternehmen Cognitec Systems aus Dresden hat sich auf Gesichtserkennungs-Technik spezialisiert. Zurzeit hat es 50 Mitarbeiter – und es werden immer mehr. Die Nachfrage kommt hauptsächlich von staatlichen Behörden, doch auch die freie Wirtschaft hat Interesse: So werden in manchen Geschäften die Kunden per Gesichtserkennungs-Technik gezählt. Sind es zu viele, schließen sich automatisch die Türen. Künftig soll es sogar Systeme geben, die vollautomatisch Geschlecht, Alter und Gemütszustand eines Kunden erkennen, sodass elektronische Werbung im Laden oder im Schaufenster speziell an ihn angepasst werden kann.

„Doch manche Anwendungen werden die Verbraucher nicht akzeptieren“, ist Elke Oberg von Cognitec Systems überzeugt. „Und dann werden wir sie auch nicht mehr anbieten.“ Facebook ging diesen Schritt schon vor zwei Jahren: Nachdem massive Kritik gegen das automatische Erkennen von Gesichtern auf hochgeladenen Fotos laut wurde, deaktivierte das soziale Netzwerk diese Funktion wieder. Oberg sieht das Problem: „Ohne Akzeptanz unserer Technik in der Bevölkerung können wir nichts verkaufen.“ •

von Konstantin Zurawski

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

ve|lo|ce  〈[velot] Mus.〉 schnell [ital.]

Ara|bist  〈m. 16〉 Wissenschaftler, Student der arab. Sprache u. Literatur

Vi|o|li|ne  〈[vi–] f. 19; Mus.〉 = Geige [<ital. violino … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige