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Endstation: Mundhöhle

Fruchtfarbstoffe

Endstation: Mundhöhle
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Voll mit Anthocyanen: Beeren gehören zu den Hauptquellen für die dunklen Farbstoffe. Bild: Thinkstock
Dem Altern entgegenwirken, die Blutgefäße fit halten, Diabetes verhindern und vor Krebs schützen – den roten und blauen Farbstoffen aus Beeren und anderen Früchten wird so einiges an gesundheitsfördernden Effekten zugeschrieben. Eine neue Studie zeigt jetzt jedoch: Ein Großteil dieser sogenannten Anthocyane zersetzt sich bereits bei Kontakt mit Speichel. Das wirft zwei grundlegende Fragen auf: Haben die Farbstoffe, deren Qualitäten vor allem in Versuchen mit kultivierten Zellen im Labor entdeckt wurden, im Körper selbst überhaupt eine Wirkung? Und falls ja, geht selbige wirklich auf die Anthocyane zurück – oder sind es vielmehr deren Stoffwechselprodukte, die gut für die Gesundheit sind?

Anthocyane verdanken ihre Bekanntheit vor allem einer Reihe von Studien, in denen sie sich als durchschlagskräftige Schutzstoffe erwiesen haben. In dieser Funktion können sie etwa als Antioxidantien Gewebe vor dem schädlichen Effekt aggressiver Sauerstoffverbindungen – der sogenannten freien Radikale – bewahren und zugleich Entzündungsreaktionen dämpfen. Sogar ein Schutz vor Krebs wird ihnen zugeschrieben. Ein Extrakt aus den hierzulande eher seltenen Schwarzen Himbeeren zum Beispiel, der sehr reich an Anthocyanen ist, kann im Labor das Wachstum von Hautkrebszellen stoppen. Zudem scheinen die Farbstoffe Krebs in der Mundhöhle, der Speiseröhre und dem Darm zumindest bremsen zu können, wie einige Tierversuche gezeigt haben.

Kaum Aufnahme in den Körper

Will man allerdings den Mechanismus dieser Schutzwirkung erklären, stößt man auf ein Problem: Der Körper verwertet kaum etwas von den Anthocyanen, die er mit der Nahrung aufnimmt. Nicht einmal ein Prozent der Gesamtmenge gelangt wirklich in die Zellen und damit an die Stellen, an denen sie wirken könnten. Wie also kommen die positiven Effekte zustande, auf die die Tierversuche trotz allem hinzudeuten scheinen? Diese Frage war auch die Ausgangsbasis der aktuellen Studie von Mark Failla von der Ohio State University und seinen Kollegen. Sie untersuchten daher, was eigentlich mit den Anthocyanen passiert, wenn sie im Mund mit den Enzymen und Mineralstoffen des Speichels sowie mit den Bakterien der Mundflora in Berührung kommen.

Dazu fertigten sie Extrakte aus roten Apfelbeeren, Blaubeeren, Schwarzen Himbeeren, roten Trauben und Erdbeeren an und sammelten Speichelproben von 14 Freiwilligen – einmal direkt nach dem Aufstehen vor dem Zähneputzen, einmal im Lauf der Tages und einmal direkt nach einer Mundspülung mit einem antibakteriellen Mundwasser. Sie gaben die Speichelproben auf die Extrakte und ließen sie unter verschiedenen Bedingungen stehen.

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Das Resultat: Nach spätestens einer Stunde hatten sich alle Anthocyane zumindest teilweise zersetzt. Dabei gab es zwar große Unterschiede zwischen den Proben der einzelnen Probanden, das grundlegende Muster war jedoch immer das gleiche: Vor allem zwei Arten von Farbstoffen namens Delphinidin und Petunidin waren extrem anfällig für die Verdauung, während die restlichen vier Hauptklassen etwas widerstandsfähiger waren. Verantwortlich für die Zersetzung waren offenbar sowohl einige Mineralstoffe im Speichel als auch die Bakterien der Mundflora, zeigten weitere Tests mit vorbehandelten Speichelproben.

Biologisch aktiv dank Zersetzung?

Schon allein dieses Ergebnis zeigt: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass tatsächlich die Anthocyane selbst die beobachteten Effekte hervorrufen, kommentieren die Forscher. Denn schließlich müssen die bereits teilweise verdauten Farbstoffe noch den Magen und einen Großteil des Verdauungstraktes mit ihren vielen verschiedenen Enzym- und Bakteriensystemen passieren, ehe sie im Darm vor Krebs schützen könnten. Es sei also sehr viel naheliegender, dass es sich bei den biologisch aktiven Substanzen um Abbauprodukte der Anthocyane handele.

Welche das genau sind, müsse nun möglichst intensiv untersucht werden. Nur dann sei es nämlich möglich, gezielt Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel zu entwerfen, die diese Eigenschaften so gut wie möglich verstärkten. Studienleiter Failla erklärt: „Wenn Anthocyane die tatsächlichen gesundheitsfördernden Verbindungen sind, würde man Nahrungsmittel, Süßigkeiten und Gele designen, die eine Mischung von Anthocyanen enthalten, die im Mund möglichst stabil bleiben.“ Das könne beispielsweise durch das Einschließen in bestimmte Trägerstoffe erreicht werden. „Falls es aber andererseits die Stoffwechselprodukte sind, die beim Abbau der Anthocyane entstehen, gäbe es ein größeres Interesse an Früchten, die möglichst schnell abbaubare Anthocyane enthalten.“

Originalarbeit der Forscher:

Ilka Lehnen-Beyel
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