Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Vitalität im Schatten des Sensenmannes

Geschichte|Archäologie

Vitalität im Schatten des Sensenmannes
14-01-27 Pest.jpg
Credit: Thinkstock
In den Jahren von 1347 bis 1351 starben die Menschen wie die Fliegen: Der Schwarze Tod raffte etwa 25 Millionen Menschen dahin – rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung. Diese Pestepidemie war damit zweifellos eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte. Doch sogar der erbarmungslose Sensenmann hatte offenbar eine gute Seite, legt eine Studie nahe: Nach dem Durchzug der großen Pest-Welle erreichte die Lebenserwartung und Vitalität der Bevölkerung in London offenbar ein höheres Niveau als vor der Epidemie. Eine Kombination des Auslese-Effekts der Pest und verbesserte Lebensbedingungen könnten die Ursache gewesen sein, sagen die Forscher.

Einige Historiker haben der Pest bereits einen enormen Einfluss auf die geschichtliche Entwicklung Europas zugeschrieben. Entvölkerte Städte und Landstriche bildeten demnach die Grundlage neuer kultureller Entwicklungen und standen am Anfang eines Aufschwungs in vielen Bereichen der Gesellschaft. Doch entsprechende Schlussfolgerungen basieren meist auf historischen Überlieferungen. Sharon DeWitte von der University of South Carolina in Columbia und ihre Kollegen sind Fragen rund um die Pest hingegen durch medizinische Untersuchungen nachgegangen. Sie wollten erhellen, wie sich die mittelalterliche Bevölkerung nach der Pest entwickelte.

Ihre Untersuchungen besaßen einen gewissen Gruselfaktor: Die Forscher analysierten mittelalterliche Gebeine aus Londoner Friedhöfen, die aus der Zeit vor beziehungsweise nach der Pestepidemie stammen. Bei rund 600 Skeletten ermittelten sie das Sterbealter der jeweiligen Person und fütterten mit diesen Daten ihre Computer zur statistischen Auswertung. Außerdem erfassten sie aus historischen Aufzeichnungen die Geburtenraten der Generationen vor und nach der Zeit des Schwarzen Todes.

Mehr Ältere auf den Post-Pest-Friedhöfen

Die Auswertungen zeigten: Die Geburtenraten waren gleich geblieben, doch in der Zeit nach der Pestepidemie waren deutlich mehr ältere Menschen auf den Friedhöfen begraben worden als vor der Seuche. Das bedeutet: Die Lebenserwartung war nach dem großen Einschnitt auf ein höheres Niveau als zuvor gestiegen. Den Forschern zufolge lag das wohl an einem besseren Gesundheitszustand der Durchschnittsbevölkerung. Dies sei eigentlich erstaunlich, denn auch nach der großen Pestwelle kam es noch zu weiteren schwächeren Epidemien, die aber dennoch die Bevölkerung dezimierten. In der Zeit vor 1347 war das hingegen nicht der Fall gewesen.

Den Forschern zufolge könnten zwei Faktoren für den Effekt gesorgt haben: Auslese und verbesserte Lebensbedingungen. Die Pest konnte zwar jeden erwischen, doch vor allem raffte die Krankheit schwache Menschen dahin. Dies könnte dazu geführt haben, dass bevorzugt Personen mit starkem Immunsystem und hoher Vitalität die Pestjahre überlebten. Diese Eigenschaften gaben sie dann an die folgenden Generationen weiter, was sich in ihrer vergleichsweise hohen Lebenserwartung widerspiegelt. Doch auch die Lebensbedingung haben sich historischen Informationen zufolge in den Jahren nach der Pest verbessert, was ebenfalls als Ursache der erhöhten Lebenserwartung In Betracht kommt. Welcher Faktor der wichtigere war, können die Forscher nicht sagen. Möglicherweise war eine Kombination beider Effekte die Ursache.

Anzeige

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Men|ta|lis|mus  〈m.; –; unz.〉 1 〈Psych.〉 psychologische Richtung, die mittels theoretischer Modelle die Organisationsprinzipien des menschlichen Geistes (z. B. Kreativität) erklären will, da sie menschliches Handeln als Ergebnis mentaler Vorgänge ansieht 2 〈Philos.〉 sprachphilosophische Theorie, die das Zustandekommen von Erkenntnis in der Terminologie innerer, mentaler Vorgänge darzustellen sucht … mehr

ver|kehrs|stark  〈Adj.; –stär|ker, am –stärks|ten〉 verkehrsreich

Can|na|bi|no|id  〈n. 11〉 aus Cannabis–Arten isolierter natürlicher u. z. T. chemisch veränderter Inhaltsstoff (mit psychotroper u. pharmakolog. Wirkung)

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige