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Jenseits des Sonnensystems

Astronomie|Physik

Jenseits des Sonnensystems
Raumsonden haben die Grenze unserer kosmischen Heimat fest im Visier: Zwischen Erde und Mond operiert IBEX, und Voyager 1 wagte als erster Flugkörper überhaupt den Übertritt in den interstellaren Raum.

Wer etwas über den Rand des Sonnensystems erfahren will, hat es mitunter gar nicht so weit: Nicht einmal bis zum Mond muss ein Raumschiff fliegen, um etwas über die Verhältnisse in der geheimnisvollen Grenzzone herauszufinden.

Der amerikanische IBEX-Satellit (Interstellar Boundary Explorer) umkreist die Erde in neun Tagen auf einer gestreckten Ellipsenbahn. Dabei entfernt er sich um rund 50 Erdradien. Seit dem Start im Jahr 2008 misst IBEX unermüdlich elektrisch neutrale Partikel, die aus dem interstellaren Raum ins Sonnensystem strömen (bild der wissenschaft 3/2010, „An der Grenze des Sonnensystems“). Neue Ergebnisse eines internationalen Teams um die Astrophysikerin Priscilla Frisch von der University of Chicago belegen zudem: Ins Sonnensystem weht ein Helium-Wind wechselnder Stärke.

Die Grenze des Sonnensystems ist etwa 100 Mal so weit von der Erde entfernt wie die Sonne. Dort treffen zwei Strömungen aufeinander: der interstellare Wind und der Sonnenwind. Letzterer geht beständig von unserem Zentralgestirn aus und besteht aus elektrisch geladenen Teilchen, hauptsächlich Protonen und Elektronen. Physikalisch betrachtet handelt es sich um ein sehr dünnes Plasma. Typischerweise „weht“ der Sonnenwind mit 400 bis 800 Kilometern pro Sekunde. Seine rasanten Partikel verdrängen das interstellare Plasma und fegen rund um die Sonne eine riesige Blase frei: die Heliosphäre. Doch der interstellare Wind wird nicht vollständig abgeschirmt: Anders als Ionen können seine elektrisch neutralen Atome tief in die Heliosphäre eindringen und bis in Erdnähe gelangen. Dort treffen sie auf den Satelliten IBEX.

„Wind of Change“

Das interstellare Helium erreicht kaum verändert die Instrumente des Satelliten. Das Edelgas strömt aus der Richtung des Sternbilds Skorpion auf den Satelliten ein. Das kann IBEX bis auf wenige Winkelgrad genau bestimmen. Wie die Wissenschaftler kürzlich im Fachmagazin Science schilderten, nahmen sie sich zusätzlich zu den aktuellen IBEX-Messungen auch Daten von zehn früheren Weltraummissionen vor, die bis ins Jahr 1972 zurückreichen. Darunter waren Missionen aus den USA, Europa, der ehemaligen Sowjetunion und Japan. Mit drei unterschiedlichen Methoden war damals der gleiche Winkel gemessen worden. Die Autoren fanden ein statistisch auffälliges Anwachsen des Anströmwinkels um 6,8 Grad in den vergangenen 40 Jahren – ein „ Wind of Change“ aus dem interstellaren All.

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Dieser Fund hat Experten überrascht, so auch Eberhard Möbius, Co-Autor der Studie. Er meint: „Angesichts der Ausdehnung interstellarer Gaswolken wären bestenfalls im Lauf von Jahrtausenden messbare Änderungen zu erwarten.“ Die Resultate deuten auf kleinräumige Turbulenzen in den Randbereichen der lokalen interstellaren Wolke hin.

Möbius verdeutlicht die neuen Resultate mit ganz anderen Wolken – nämlich solchen, die an seinem Fenster vorbeiziehen, wenn er in seinem Büro an der University of New Hampshire sitzt. „ Ähnlich wie bei Wolken auf der Erde sind an den Rändern interstellarer Wolken Bewegungen feststellbar – auch wenn die Wolke als Ganzes ruhig und gemächlich über den Himmel zieht.“ Nun soll durch Optimierungen bei den Messungen von IBEX die Genauigkeit weiter erhöht werden, um die zeitlichen Variationen zu überprüfen.

Eine Sonneneruption kommt zuhilfe

So wichtig die erdnahen Messungen von IBEX auch sind, sie können Messungen vor Ort nicht ersetzten. Seit Jahren sind die beiden Veteranen-Sonden Voyager 1 und 2 unterwegs, um als erste menschengemachte Objekte den Grenzübertritt in den Sternenraum zu wagen. Ihre Odyssee startete 1977. Zielplaneten waren die Gasriesen Jupiter und Saturn und schließlich bei Voyager 2 noch die Eisplaneten Uranus und Neptun. Die Begegnung mit dem äußersten Planeten fand 1989 statt. Seitdem operieren die alternden Späher in einem ebenso unbekannten wie abgelegenen Raumgebiet, momentan im 125- beziehungsweise 103- fachen Erdabstand von der Sonne (bild der wissenschaft 1/2013, „Die seltsame Grenze des Sonnensystems“).

Wichtige Messgeräte haben mittlerweile das Zeitliche gesegnet. Das Plasmainstrument an Bord stellte schon kurz nach der Saturn-Passage seine Dienste ein. Ein herber Verlust, denn ein Sprung in der Plasmadichte gilt – zusammen mit anderen Messungen – als Schlüsselparameter für das Passieren der Grenze. Die Forscher mussten notgedrungen mit den anderen Instrumenten auskommen. Immerhin: Indirekt lässt sich die Dichte des Plasmas auch mit einem anderen Bordgerät ermitteln, dem Plasmawellen-Instrument. Das gelingt, wenn die Sonne eine Eruption ausstößt und dabei Plasmawellen auslöst, die den Weg der Voyager-Sonden kreuzen.

Anfang April 2013 tat unser Heimatstern den Forschern schließlich einen solchen Gefallen: „Als wir die Messungen sahen, wussten wir nach zehn Sekunden, das wir durch die Heliopause durch waren“, sagt der Chefwissenschaftler des Instruments Donald Gurnett von der University of Iowa. Mit den Messungen konnten die Forscher das historische Datum zurückrechnen: Am 25. August 2012 hatte Voyager 1 das Sonnensystem verlassen. Nun soll Voyager 2 in einigen Jahren die Ergebnisse bestätigen. Die Atombatterien beider Marathon-Sonden werden wohl noch mindestens zehn Jahre durchhalten.

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