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Die explosive Blase

Astronomie|Physik

Die explosive Blase
Seit Millionen Jahren durchwandert die Sonne eine unruhige Gegend, die immer wieder Sternexplosionen erschütterten. Auf dem Meeresgrund wurden die Spuren einer besonders nahen Supernova gefunden.

Es gehört zum kleinen Einmaleins des Astrophysikers, dass Supernovae den Kosmos massiv verändern: Im Hexenkessel solcher Sternexplosionen werden die schweren Elemente zusammengebacken, und die sterbenden Sterne schleudern ihre chemische Fracht mit ihren äußeren Schichten ins All. Zum Gemenge der unterschiedlichen Isotope gehört auch radioaktives Eisen-60, das fast nur in Supernovae entsteht. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren. Verglichen mit dem Erdalter von 4,567 Milliarden Jahren ist das so kurz, dass das Isotop natürlicherweise auf unserem Planeten praktisch nicht vorkommen sollte. Trotzdem meldeten im Jahr 2004 Wissenschaftler um Klaus Knie von der Technischen Universität München die Entdeckung von Eisen-60 in einer sogenannten Mangankruste, die Jahrzehnte zuvor ein Forschungsschiff vom Boden des Pazifiks aufgesammelt hatte, und zwar 4800 Meter unter dem Meeresspiegel (bild der wissenschaft 10/2005, „Eisen von der Supernova“).

War das radioaktive Eisen einst von einer Supernova synthetisiert worden und irgendwie zur Erde gelangt? Der Astrophysiker Shawn Bishop von der TU München will das herausfinden. Bei der Suche sollen ihm spezielle Mikroben, sogenannte magnetotaktische Bakterien helfen. Die Einzeller leben in den oberen Sedimentschichten der Ozeane. Im Innern ihrer Zellen stellen sie winzige Kristalle aus magnetischem Eisenoxid (Fe3O4) her, damit sie sich im Erdmagnetfeld orientieren können. So finden die magnetischen Mikroben auf kürzestem Weg nahrhafte Sedimente am Meeresboden. Als Rohstoff für die Kristalle verwenden sie Eisen, das mit dem Staub in der Luft ins Meer rieselt. Bishop vermutet: Die eisenhaltigen Partikel sind nicht nur irdischer Natur. Und: Wenn die Erde mit einer Supernova in Kontakt gekommen ist, müsste in den fossilen Resten solcher Bakterien auch Eisen-60 stecken.

Um die Resultate der Mangankruste zu überprüfen, analysierten der Münchner und seine Kollegen mehrere Proben eines Bohrkerns vom Meeresboden. Die Sedimente stammen aus einer Zeit vor 1,7 bis 3,3 Millionen Jahren. Die Forscher lösten aus den Proben chemisch die fossilen Bakterienreste heraus und untersuchten diese mit dem Beschleuniger-Massenspektrometer in Garching.

Letztes Jahr stellte Bishop die vorläufigen Ergebnisse auf der Tagung der American Physical Society in Denver vor. Demnach fanden die Forscher in 2,2 Millionen Jahre alten Proben tatsächlich die verräterische Eisen-60- Signatur. Bishop geht davon aus, dass es sich dabei um die Relikte von Magnetit-Ketten handelt, entstanden durch Mikroben im Meeresboden, als die „Asche“ einer Supernova auf sie herabregnete. Momentan ist Bishops Team dabei, einen zweiten Bohrkern zu analysieren, um die Ergebnisse zu erhärten. Er enthält die zehnfache Menge an magnetischen Mikrofossilien. Auch hierbei zeige sich die verräterische Eisen-60-Signatur, sagte der Forscher gegenüber bild der wissenschaft. Die neuen Messungen sollen vor allem den Explosionszeitpunkt der Supernova genauer bestimmen. Es besteht die Hoffnung, die Fehlermarge auf 30 000 bis 100 000 Jahre zu drücken.

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Auch Jenny Feige geht es um eine präzise Datierung. Die Astronomin von der Universität Wien hatte schon in ihrer Magisterarbeit ein Szenario untersucht, das von einem wahren Feuerwerk von Supernovae ausgeht. Diese Explosionsserie hat eine heiße Blase ins interstellare Medium gerissen, und Röntgensatelliten wie ROSAT und XMM haben die Strahlung dieser Unruheprovinz registriert (siehe Kasten oben „Blase und Flocke“). Bislang sind nur die kurzlebigsten, also die besonders massereichen Sterne detoniert. Die verbleibenden Exemplare erleuchten nach wie vor friedlich ihre Umgebung. Sie gehören heute zu einer Sternansammlung namens Scorpius-Centaurus- Assoziation. Der 550 Lichtjahre entfernte Rote Riese Antares ist ihr prominentestes Mitglied.

Feige zufolge soll die untermeerische Eisen-60-Anomalie mit der Lokalen Blase zusammenhängen (siehe Interview linke Seite). Ihre Rechnungen legen nahe, dass eine Sternexplosion vor etwa zwei Millionen Jahren in geringer Distanz stattfand. Es ist wohl Zufall, dass die Datierung etwa auf den Beginn der Gattung Homo verweist. Aber es könnte durchaus sein, dass unsere Vorfahren die Supernova bemerkt haben. Sollten sich die Resultate erhärten, an die Bishop und Feige momentan letzte Hand anlegen, dann hätte Homo habilis bei seinen Streifzügen durch die afrikanische Savanne vielleicht eines Nachts ein neues, sehr helles Licht am Himmel gesehen. Der Stern war uns so nah, dass er ein paar Wochen alle anderen Sterne überstrahlt haben dürfte, gleichzeitig aber zu weit weg, um das irdische Leben zu bedrohen.

Mit der Rückkehr zur Erde endet unsere stellare Rundreise. Anders die Voyager-Sonden: Sie setzen ihre Odyssee im interstellaren Raum fort. Dabei kommt Voyager 2 in rund 40 000 Jahren dem Zwergstern Ross 248 relativ nah. Doch zuvor wird sie vermutlich irgendwann von einem viel schnelleren Raumschiff von der Erde überholt. •

THORSTEN DAMBECK, Physiker und regelmäßiger bdw-Autor, hat im Dezember-Heft über Wasser in der nächsten kosmischen Nachbarschaft berichtet – auf unserem Mond.

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