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Gedächtnisstörungen durch Narkose?

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Gedächtnisstörungen durch Narkose?
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Die Maske für eine Gasnarkose wird vorbereitet (htinkstock)
Bei größeren Operationen und bei Eingriffen an Kindern ist eine Vollnarkose oft unvermeidbar. Gerade bei einer Anästhesie mit einem Narkosegas kann dies allerdings nachhaltige Folgen haben, darauf deutet eine Studie von US-Forschern hin. Sowohl bei Kindern als auch bei Ratten stellten sie fest, dass eine Vollnarkose in der sehr frühen Kindheit noch Jahre später Spuren im Gehirn hinterlässt: Schulkinder mit einer Narkose vor dem ersten Lebensjahr schnitten in Gedächtnistests deutlich schlechter ab als Kinder ohne diese frühkindliche Anästhesie. Ratten, die nur eine Narkose ohne begleitende Operation erhielten, zeigten die gleichen Spätfolgen. Das könnte bedeutende medizinische Implikationen haben und müsse dringend weiter erforscht werden, betonen die Forscher.

Die Vollnarkose ist eine segensreiche Erfindung, die Patienten viel Schmerzen und Leid ersparen kann. Allerdings ist auch die Anästhesie nicht ohne Nebenwirkungen und Folgen. Vor einigen Jahren zeigten Tierversuche, dass bestimmte Narkosegase das unreife, sich noch entwickelnde Gehirn schädigen können, bleibende Gedächtnisstörungen sind die Folge. „Sofort begannen Forscher, Ärzte und die Öffentlichkeit zu fragen, ob das Gleiche auch beim Menschen der Fall sein könnte“, berichten Greg Stratman von der University of California in San Francisco und seine Kollegen. Doch bisher gab es darauf keine eindeutige Antwort. Ein Grund dafür: Weil Patienten in der Regel narkotisiert werden, um eine Operation durchzuführen, lassen sich die Effekte von Anästhesie und Eingriff nur schwer voneinander trennen. Stratman und seine Kollegen überprüften diesen Verdacht der Narkose-Folgen nun erneut – einmal mit Kindern und parallel dazu mit Ratten.

Gedächtnisschwächen bei Narkosekindern

Für den Test mit Kindern wählten die Forscher 28 sechs- bis elfjährige gesunde Jungen und Mädchen aus medizinischen Fallakten aus, die im ersten Lebensjahr eine Vollnarkose bekommen hatten. Der Großteil von ihnen war mit dem Narkosegas Sevofluran betäubt worden, einem in der Kindermedizin gängigen Gas. Für ihre Studie unterzogen die Wissenschaftler diese Kinder und eine gleich große Gruppe von gleichaltrigen ohne Narkoseerfahrung einem Intelligenztest und psychologischen Tests. Dann führten sie zwei spezifische Gedächtnistests mit den Kindern durch: Bei jedem erschienen auf einem Bildschirm nacheinander 80 Schwarzweiß-Zeichnungen. Im ersten Test trugen die Zeichnungen Rahmen in vier verschiedenen Farben, im zweiten erschienen die Zeichnungen in einem von vier Feldern auf dem Schirm. Fünf Minuten nach diesen Durchgängen konnten sich die Kinder selbst durch 80 bekannte und 80 neue Zeichnungen klicken und sollten jeweils angeben, ob sie sie wiedererkannten oder ob es völlig neue Zeichnungen waren.

Das Ergebnis war überraschend eindeutig: Obwohl beide Kindergruppen im Intelligenztest gleich gut abgeschnitten hatten, hatten die Kinder der Narkosegruppe größere Probleme bei den Gedächtnistests: „Das Erinnerungsvermögen der anästhesierten Kinder war signifikant schwächer als das der Kontrollen, sowohl im Farbtest als auch bei der räumlichen Aufgabe“, berichten die Forscher. Je länger ihre frühkindliche Narkose damals gedauert hatte, desto schlechter schnitten die Kinder heute in den beiden Tests ab.

Gleicher Effekt bei Ratten

Das allein aber reicht nicht aus, um auszuschließen, dass nicht der frühkindliche Eingriff statt der Narkose an diesem Effekt schuld war. Deshalb führten die Forscher einen zusätzlichen Versuch mit wenige Tage alten Ratten durch, die sie ohne Operation oder sonstigen Eingriff mit Sevofluran narkotisierten. Einige Monate später trainierten die Wissenschaftler diese und nicht-narkotisierte Ratten darauf, Gerüche wiederzuerkennen und bekannte Gerüche durch ein bestimmtes Verhalten anzuzeigen. Dabei zeigte sich: Auch bei den Ratten schnitten die Tiere mit frühkindlicher Narkose-Erfahrung in diesen Gedächtnistests schlechter ab. Während die Kontrollratten im Durchschnitt ein Drittel der Düfte wiedererkannten, schaffte dies bei den Narkoseratten keine einzige, wie die Forscher berichten.

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„Die Tatsache, dass Anästhesie sowohl bei Kindern als auch bei Ratten das Gedächtnis beeinträchtigt, hat bedeutende Implikationen“, betonen Stratman und seine Kollegen. Denn beide zeigten ähnliche Symptome, obwohl die Ratten nur eine Narkose, ohne medizinischen Eingriff erhalten hatten. „Das deutet darauf hin, dass eine Vollnarkose in der frühen Kindheit die Erinnerung im späteren Leben beeinträchtigt – wahrscheinlich auch beim Menschen“, so die Forscher. Diese Form des Gedächtnisses aber spiele eine wichtige Rolle in der Schule, im Lernverständnis, aber auch für die autobiografische Erinnerung und die Einsicht. Selbst subtile Erinnerungsdefizite könnten daher unmittelbare Konsequenzen für Kinder haben, wie Stratman und seine Kollegen betonen. Es sei daher dringend nötig, diese möglichen Spätfolgen einer Vollnarkose weiter zu erforschen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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