Fußball ist längst ein globales Geschäft: Kann ein Verein es sich leisten, kauft er Spielerstars aus anderen Ländern dazu. Aus dem eigenen Nachwuchs rekrutieren sich dagegen immer weniger Spieler. Wie stark dies zugenommen hat, zeigt ein Blick in die deutsche Fußball-Bundesliga : Kamen 1963 nur rund zwei Prozent der Spieler aus dem Ausland, sind es heute 46 Prozent. Gleichzeitig hat auch die Fluktuation zugenommen: Spieler werden eingekauft, wechseln dann nach einigen Jahren zu einem Verein, der noch mehr bietet und so weiter. Dies führt dazu, dass die reichsten Clubs auch die besten Spieler in ihrer Mannschaft versammeln können „Geld schießt Tore“. Unter anderem deshalb haben auch zur jetzigen Fußball-Weltmeisterschaft Forscher den Marktwert der Spieler in den verschiedenen Nationalmannschaften genutzt, um den WM-Sieger vorherzusagen. Diese Prognosen nach wären Spanien und Deutschland im Endspiel.
Doch der Effekt hat Grenzen, wie Roderick Swaab von der europäischen Business School INSEAD in Fontainebleau und seine Kollegen nun aufdecken. „Mehr Talente verbessern die Teamleistung nur bis zu einem bestimmten Punkt“, erklären die Forscher. „Über diesen Punkt hinaus wirken sich zusätzliche Superstars eher negativ aus.“ Belege für diesen „Too much Talent“-Effekt liefern die Forscher in gleich mehreren Untersuchungen. In einer davon ermittelten die Wissenschaftler zunächst den Anteil der Spieler in allen WM-Mannschaften von 2010 und 2014, die bei Top-Vereinen spielen oder für das FIFA-All Star Team 2010 ausgewählt wurden. Dann ermittelten sie anhand der FIFA-Daten, wie die verschiedenen Mannschaften in den Qualifikationsphasen vor den beiden Weltmeisterschaften abschnitten. Dabei wurden unter anderem Spielergebnisse, Bedeutung des Spiels und die Stärke des Gegners mit einbezogen.
Ab 50 Prozent geht es bergab
Das Ergebnis: Passend zur gängigen Annahme „Je mehr Topspieler, desto besser“, spiegelte das Abschneiden der Mannschaften tatsächlich den Anteil der Superstars in ihren Reihe wieder – aber nur bis zu einem gewissen Punkt: Lag der Anteil der Topspieler in einer Mannschaft über 60 Prozent, sank die Teamleistung wieder ab. „Ein Beispiel ist das enttäuschende Abschneiden der französischen Elf bei der WM 2010 oder das des niederländischen Teams bei der Europameisterschaft 2012“, berichten die Forscher. Ähnliches ergab eine zweite Untersuchung an Basketball-Teams der amerikanischen NBA-Liga. Auch dort sank die Leistung einer Mannschaft bereits ab, wenn mehr als die Hälfte der Spieler Topstars waren.
„Trainer, die zur WM auf möglichst viele Superstars setzen, könnten daher entgegen der weitverbreiteten Meinung sogar diejenigen sein, die sich in Brasilien als erste verabschieden müssen“, sagt Swaab. Der Grund für diesen „Too much Talent“-Effekt sehen die Forscher im Teamplay – der Fähigkeit der Spieler, auf dem Feld miteinander zu agieren und sich aufeinander einzustellen. Beim Fußball und Basketball ist ein hohes Maß dieses Miteinander gefordert, deshalb kommen sich die Superstars auch ab einem bestimmten Punkt eher in die Quere. Bei einem eher auf Einzelleistungen beruhenden Sport wie dem Baseball zeigte sich dieser Effekt in den Untersuchungen daher auch nicht.
„Wenn Teammitglieder stark aufeinander angewiesen sind, ist es daher besser, eine Mischung aus Superstars und normalen, guten Spielern zu wählen“, so die Empfehlung von Swaab und seinen Kollegen. Sind bereits viele Superstars in einer Mannschaft vorhanden, dann ist es besonders wichtig, die Rollen, Positionen und Aufgaben genau zu definieren. Denn auch das zeigte die Studie: Wenn die Koordination im Team speziell trainiert wird, dann schwächt sich der „Too much Talent“-Effekt ab.