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Mehr Sex-Appeal fürs E-Mobil

Technik|Digitales

Mehr Sex-Appeal fürs E-Mobil
Einige Elektroautos erfüllen heute schon die Mobilitätsanforderungen vieler Menschen. Doch warum kauft sie niemand?

Die Sache ist verzwickt: Die Ingenieure wissen, dass elektrische Antriebe den Verbrennungsmotoren in so vielen Punkten überlegen sind, dass es technisch keinen Grund gibt, sie nicht in alle Pkw einzubauen. Doch da ist das Problem mit den Batterien. Die Autobauer ahnen, dass die Elektromobilität irgendwann einen Durchbruch am Markt haben wird – die Frage ist nur: wann? Und: Sollen die Unternehmen jetzt schon in die Entwicklung einsteigen?

Die Energieversorger wissen, dass sie eine Menge Strom verkaufen könnten, wenn viele Autos elektrisch unterwegs wären. Doch Ladestationen in großer Zahl wollen sie nicht errichten, denn bislang fahren in ganz Deutschland nicht einmal 20 000 Autos mit Elektromotor – im Gegensatz etwa zu Norwegen, wo der Anteil der Elektroautos am gesamten Fahrzeugbestand rund 30 Mal so hoch ist wie in Deutschland. Dennoch wollen die deutschen Politiker bis 2020 eine Million Elektroautos auf der Straße sehen. Aber sie wissen nicht, wie sie die Menschen dazu motivieren können, diese Autos zu kaufen.

Eine große Studie von Wissenschaftlern am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe, erschienen im September 2013, kommt zu dem Schluss: „Das Kaufverhalten von Pkw-Käufern ist komplex und bei alternativen Antrieben noch nicht vollkommen erforscht.“ Die bisher gültigen Kaufkriterien bei Neuwagen helfen hier kaum weiter. Beim Preis-Leistungs-Verhältnis ist ungeklärt, ob die Leistung, die die Kunden von einem Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor erwarten, auf Elektrofahrzeuge übertragbar ist. Auch Verbrauch und Wirtschaftlichkeit – laut der Aral-Studie „Trends beim Autokauf 2013″ das zweitwichtigste Kriterium beim Neuwagenkauf – sind nicht leicht zu beurteilen.

Hoher Preis, niedrige Betriebskosten

Fest steht: Ein in einem Elektroauto gefahrener Kilometer ist günstiger als in einem Auto, das mit Benzin oder Diesel unterwegs ist. Das gilt allerdings nur, wenn die Anschaffungskosten nicht zählen. Denn ein elektrisch betriebenes Fahrzeug ist deutlich teurer als ein herkömmliches – im Schnitt ist der Neupreis eines E-Mobils rund doppelt so hoch wie der eines vergleichbaren Modells mit Benzinmotor. So kostet der elektrisch betriebene Smart Fortwo rund 24 000 Euro, während das ähnlich ausgestattete Benziner-Modell des Smart schon für knapp 13 000 Euro zu haben ist. Das macht die Vergleichsrechnung kompliziert: Der Aufpreis für ein Elektroauto amortisiert sich umso schneller, je mehr man damit fährt. Doch Vielfahrer legen in der Regel auch weitere Strecken zurück – und genau dafür sind die heutigen Elektroautos nicht geschaffen.

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Aber vielleicht kaufen Menschen Elektroautos aus Gründen, die für Verbrenner-Pkw nicht gelten. Bei Volkswagen ist man überzeugt: „Der potenzielle Kunde eines E-Autos möchte besonders effizient und nachhaltig mobil sein und mit der Kaufentscheidung oft auch ein Statement abgeben.“ Diese Aussage deckt sich mit einer aktuellen Umfrage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Forscher dort haben sämtliche Halter von Elektrofahrzeugen in Deutschland angeschrieben und nach der Motivation gefragt, ein solches Auto zu fahren. Über 3000 haben geantwortet. Das Ergebnis: „Wir konnten feststellen, dass die Hauptmotive im Interesse an innovativen Fahrzeugtechnologien, aber auch an der Reduzierung der Umweltbelastung sowie an den günstigeren Energiekosten pro Kilometer lagen“, erklärt Stefan Trommer, Wissenschaftler am DLR-Institut für Verkehrsforschung in Berlin und einer der Autoren der Studie.

Doch nicht alle Autofahrer in Deutschland haben Interesse an neuer Technik und am Umweltschutz – sonst würden sich die Elektroautos besser verkaufen. Bei einer repräsentativen Umfrage der auf Technikthemen spezialisierten Aachener Unternehmensberatung P3 vom Sommer 2013 wurden rund 1600 potenzielle Käufer nach ihrer Einstellung zu Elektrofahrzeugen befragt. Ergebnis: Die Kaufbereitschaft hängt wesentlich von den Kosten ab. „Um den Kunden zum Kauf eines Elektroautos zu motivieren, muss er einen wirtschaftlichen Vorteil haben“, sagt Gerald Beuscher, einer der P3-Studienautoren. Auch die Benutzerfreundlichkeit kann laut der Studie dazu beitragen, Menschen zum Kauf eines E-Autos zu bewegen. So müssten sie überzeugt sein, dass sie für ein Elektroauto keine technischen Kenntnisse benötigen und dass das Laden ungefährlich ist. Ein großes Manko hingegen sind lange Ladevorgänge und geringe Reichweiten.

Die meisten Fahrten sind kurz

Doch warum eigentlich? In der repräsentativen P3-Studie haben 93 Prozent der Befragten angegeben, täglich weniger als 100 Kilometer zu fahren. Mit modernen Elektrofahrzeugen wie dem BMW i3, dem Nissan Leaf oder dem E-Golf ist das locker zu schaffen, wenn die Akkus der Autos täglich geladen werden.

Wie Nutzer mit der Reichweitenbeschränkung im Alltag umgehen, haben auch die Wissenschaftler am DLR untersucht. Dazu stellten sie 20 Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge für Familien und Gewerbetreibende zur Verfügung – also Fahrzeuge, die rund 60 Kilometer elektrisch und ein paar Hundert Kilometer mit Benzin fahren können. Die Autos, die die Tester einige Monate behalten durften, wurden mit Car-PCs ausgestattet: kleinen Computern, die unter anderem genau aufzeichneten, wann der Wagen wie schnell fuhr und wann er wo betankt wurde.

Aus diesen Daten schlossen die DLR-Wissenschaftler: Die Testfahrer waren im Alltag überwiegend elektrisch unterwegs, ohne den Einsatz des ebenfalls vorhandenen Verbrennungsmotors. Probleme mit der Reichweite hätte es also auch dann kaum gegeben, wenn kein zusätzlicher Motor mit Benzintank im Auto gesteckt hätte. Und: Die Testfahrer luden den Akku fast ausschließlich zu Hause oder an der Arbeitsstelle auf. Heißt das also, dass man auf eine öffentliche Ladeinfrastruktur verzichten kann? Mitnichten: „ Für die Fahrer eines Elektroautos ist es psychologisch wichtig zu wissen, dass sie ihr Fahrzeug notfalls auch unterwegs laden können“, sagt DLR-Verkehrsforscher Stefan Trommer. Und das stellt alle Beteiligten – Politiker, Stromversorger, Autobauer – vor ein Dilemma: „Eine öffentliche Ladeinfrastruktur ist teuer. Und obwohl sie womöglich kaum benutzt würde, glauben die Menschen, dass sie sie brauchen.“

Doch P3-Experte Gerald Beuscher wendet ein, dass man für die Studien nur Testfahrer ausgewählt habe, bei denen zu Hause eine Lademöglichkeit besteht – das Fahrverhalten von Stadtbewohnern wäre dagegen nicht untersucht worden. „Außerdem sagen mehr als drei Viertel aller Befragten, dass es für sie wichtig sei, öffentlich laden zu können“, betont Beuscher. Da spiele es keine Rolle, ob sie das dann wirklich tun oder nicht.

Zwei Herzen unter der Haube

Eine Reichweite von weniger als 200 Kilometern, eine nur schwach ausgebaute öffentliche Infrastruktur zum elektrischen Laden, Ladevorgänge von 30 Minuten Dauer und mehr – keine guten Voraussetzungen, um Elektroautos zu verkaufen. Doch es gibt Ideen, „schon heute viele Kilometer zu elektrifzieren“, wie Stefan Trommer es formuliert. Er hält das Plug-In-Hybrid-Konzept für vielversprechend. Opel hat mit dem Ampera ein solches Modell im Programm, Volkswagen bringt dieses Jahr den Golf Twin-Drive auf den Markt: 50 bis 80 Kilometer elektrisch, ein paar Hundert Kilometer per Verbrennungsmotor. Die meisten kurzen Strecken könnten so rein elektrisch gefahren werden.

BMW wählt mit dem Elektrofahrzeug i3 ein anderes Konzept: Der Wagen fährt bis zu 200 Kilometer rein elektrisch. Und wer weiter fahren will, kann sich kostenlos ein herkömmliches BMW-Modell mit hoher Reichweite leihen. In einer weiteren Studie der Unternehmensberatung P3 kam heraus: Diese Variante kann die Absicht, ein Elektroauto zu kaufen, durchaus steigern – mehr als etwa die kostenlose Vergabe von Bahntickets. Auch die Politik könnte mitmachen und Elektrofahrzeuge von der Kfz-Steuer befreien. Das wird in Norwegen bereits seit fünf Jahren praktiziert – mit Erfolg. •

von Konstantin Zurawski

Teure Stromer

Preisvergleich zwischen Elektro- und Benzinautos

Modell Leistung (kW) Basispreis (Euro)

E: Renault ZOE Life 65 23 000 B: Renault Clio Tce 90 66 15 000

E: Smart Fortwo ED 55 24 000 B: Smart Fortwo pulse 52 12 500

E: VW E-up! 60 27 000 B: VW move up! 55 12 000

E: Nissan Leaf Acenta 80 33 000 B: Nissan Tiida 81 18 000

E: BMW i3 125 35 000 B: Mini Cooper 100 20 000

Kompakt

· Wer sich ein Elektroauto kauft, will oft ein Statement für Umweltschutz, Effizienz und Nachhaltigkeit abgeben.

· Die begrenzte Reichweite und der Mangel an öffentlichen Ladestationen schrecken viele potenzielle Käufer ab.

Mehr zum Thema

Internet

Liste von Elektroautos, die serienmäßig produziert werden: de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Elektroautos_in_Serienproduktion

Aral-Studie „Trends beim Autokauf 2013″: www.aral.de/presse/trends-beim-autokauf.html

„Markthochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge“; Studie des Fraunhofer ISI: www.isi.fraunhofer.de/isi-media/docs/e/de/publikationen/Fraunhofer-ISI- Markthochlaufszenarien-Elektrofahrzeuge-Langfassung.pdf

„Akzeptanz von Elektrofahrzeugen – aussichtsloses Unterfangen oder große Chance?“, eine Studie der P3 Group (als PDF): www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/nff/Presse/2013_08_aip_akzeptanz_ von_elektrofahrzeugen-aussichtsloses_unterfangen_oder_grosse_chance.pdf

Apps

iPhone-App, die beim Finden von Ladestationen für Elektroautos hilft: de.chargemap.com/infos/mobile

Wer ein Smartphone mit einem anderen Betriebssystems besitzt, kann für die Suche nach Stromtankstellen diese (englischsprachige) Website nutzen: chargemap.com

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