Optische Tricks und riesige Rechenkapazitäten erschließen abenteuerliche Möglichkeiten. Wird die Bildende Kunst bald überflüssig?
Nein, es gibt so viele Themen, die kein Gegenstand der Wissenschaft sind. Und Künstler veranschaulichen wissenschaftliche Erkenntnisse auf eigene Weise – etwa Pablo Picasso, der ausgehend von Diskussionen zu einer vierdimensionalen Physik eine ganz neue Perspektivität fand. Das Gehirn ist enorm vielschichtig und nicht durch Tricks ersetzbar. Bei den Bildenden Künsten geht es nicht um lineare Denkstrukturen, die zu einem fixen Ziel führen. Vielmehr befreit ein Wechsel der Perspektive aus festgefahrenen Gedankenmustern.
Also kann kein noch so raffinierter optischer Apparat die menschliche Imagination ersetzen?
Bilder transportieren und erzeugen Gefühle, die ja einen großen Teil unseres Daseins ausmachen. Letztlich geht es in der Kunst vor allem um unsere Selbstwahrnehmung. Die Hauptaufgabe eines Künstlers sehe ich darin, Querverbindungen herzustellen, die aus vorherrschenden, vernunftgesteuerten Konzepten ausbrechen und zum Umdenken provozieren. Das kann kein noch so ausgeklügelter Mechanismus leisten.
Kann Kunst gleichsam die Tür zu einer anderen Realität aufstoßen?
Mit Sicherheit! Kunst hat auch eine visionäre Funktion. Jeder kennt das: Der Verstand läuft im Kreis, findet keine Lösung. Man kann den Kreislauf unterbrechen, indem man sich zum Beispiel in die bizarre Seerosenwelt von Claude Monet versenkt. Das kann – wie das Meditieren – einen Gedankensprung hervorrufen. Ich wünsche mir, dass es nicht nur beim Betrachten bleibt, sondern dass das Tor zum eigenen kreativen Potenzial aufgeht. Denn in jedem Menschen ist ein Künstler verborgen.