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Mikrobententakel im Katheter

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Mikrobententakel im Katheter
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Biofilm von Staphylococcus aureus in einem Katheter (CDC)
Infektionen mit dem resistenten Krankenhauskeim Staphylococcus aureus sind gefürchtet und enden nicht selten tödlich. Fatalerweise schaffen es diese Bakterien besonders gut, sich in Kathetern, Kanülen und anderen medizinischen Instrumenten anzusiedeln. US-Forscher haben nun genauer untersucht, warum dieser Erreger trotz hoher Hygienestandards so rasant und erfolgreich in diesen Umgebungen floriert. Wie sich zeigte, gibt es gleich zwei Faktoren, die Staphylococcus-Ansiedlungen begünstigen: Wenn Blutplasma die Oberflächen überzieht – wie bei Kanülen und Stents häufig der Fall – und wenn eine leichte Strömung im Schlauch herrscht.

Bakterien wie S. aureus haben im Laufe der Evolution eine raffinierte Methode entwickelt, um auch in ungünstigen Umgebungen zu überleben: Sie bilden Biofilme. Dafür lagern sich die Bakterien an eine Oberfläche an und schließen sich darauf eng zu einer Art Matte zusammen. Gefördert wird dieses bakterielle “Gruppenkuscheln” durch chemische Signalstoffe, mit denen die Keime sich gegenseitig zum Bilden eines solchen Biofilms animieren. Daraufhin beginnen die Zellen, ein Polymer abzugeben, dass sie und den gesamten Biofilm mit einer leicht schleimigen, schützenden Matrix umhüllt. Das Problem dabei: “Haben sich solche Biofilme einmal entwickelt, sind sie nur schwer wieder zu entfernen”, erklären Kevin Kim von der Princeton University und seine Kollegen. Denn der Schleim macht die Mikroben enorm widerstandsfähig gegenüber Desinfektionsmitteln und anderen antimikrobiellen Behandlungen. Viele gängige Krankenhausinfektionen gehen daher auf solche Kontaminationen von Instrumenten oder Utensilien mit bakteriellen Biofilmen zurück. Wie sich dies vermeiden lässt, ist bisher aber nur in Ansätzen untersucht.

In ihrer Studie untersuchten Kim und seine Kollegen gezielt, warum gerade der resistente Keim S. aureus so oft und erfolgreich Biofilme in Kathetern, Stents und Co bildet und welche chemischen und physikalischen Faktoren dies begünstigen. Dafür ließen sie vier verschiedene Stämme dieser Bakterien in verschiedenen gewundenen und verzweigten Minikanälen wachsen. Die einzelnen Zellen waren dabei mit einem fluoreszierenden Marker angefärbt, so dass hochauflösende Mikroskopaufnahmen ihre Verhalten und ihre Entwicklung aufzeichnen konnten. Im Rahmen der Tests veränderten die Forscher die Strömungsgeschwindigkeit der Flüssigkeit in den Kanälen und überzogen einige der Kanälchen mit Blutplasma. Denn frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass dies die Anlagerung der Bakterien an glatte Oberflächen erleichtert.

Biofilm innerhalb von Minuten

Die Tests zeigten: Der Krankenhauskeim schafft es nicht nur problemlos, in solchen Mikrokanälen Biofilme auszubilden, er tut dies auch alarmierend schnell, wenn die Bedingungen günstig sind: Dauert es normalerweise mehrere Stunden, bis ein Biofilm entsteht, geschah dies in den Kanälen mit Blutplasma-Überzug und leichter Strömung schon nach wenigen Minuten. Beide Faktoren beschleunigen diesen Prozess offenbar enorm. Dummerweise sind beide Eigenschaften typisch für Kanülen und Katheter, über die Patienten Medikamentenlösungen oder Blut erhalten oder die Wundflüssigkeiten ableiten sollen. “Das zeigt, dass S. aureus Biofilme besonders gut in Umgebungen bilden kann, die den physischen und chemischen Bedingungen solcher Utensilien ähnlich sind”, konstatiert Studienleiter Howard Stone von der Princeton University.

Warum das so ist, konnten die Wissenschaftler ebenfalls beobachten: Herrscht im Kanälchen eine Strömung, dann bildet die erste kleine Bakterienschicht sehr schnell mehrere Tentakel aus. Einige Zellen formen dabei an den Enden der Schicht dünne, lange Fortsätze, die sich von der Strömung mittragen lassen und so an der gegenüberliegenden Wand andocken können oder sich einfach ein Stück weiter stromabwärts anheften. “Nachdem diese Tentakelbrücken entstanden sind, lagern sich weitere Zellen an und verdicken diese Biofilmausläufer immer mehr”, berichten Kim und seine Kollegen. Sehr schnell bildet sich so ein dichtes Netz aus Bakterienzellen, das sich mit Schleim überzieht und den Biofilm rapide erweitert. Im Extremfall verstopft der Keim auf diese Weise die ganze Kanüle.

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Nach Ansicht der Forscher können diese Erkenntnisse dazu beitragen, Krankenhauskeime künftig effektiver zu bekämpfen. Es sei zudem sinnvoll zu prüfen, ob auch andere bakterielle Krankheitserreger Biofilme mit solchen Tentakeln bilden und unter welchen Umständen. “Möglicherweise zeigen sich dabei neue Methoden, mit denen man eine Kontamination durch solche Biofilme verhindern kann”, so die Wissenschaftler. Bis dahin aber hilft im Krankenhaus nur eines: Konsequentes und gründliches Desinfizieren und Sterilisieren mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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