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Grausiger Schutzwall

Erde|Umwelt

Grausiger Schutzwall
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Schnitt durch ein Nest der Beinhaus-Wespe, die Ameisenkadaver in der Vorkammer sind gut zu erkennen. (Staab et al./ PLOS ONE)
Wegwespen-Weibchen sorgen meist gut für das Wohlergehen ihres Nachwuchses: Sie legen ihre Eier in Brutkammern ab und packen als Futter für die Larve eine gefangene und betäubte Spinne gleich mit dazu. Doch eine jetzt in China neu entdeckte Wegwespen-Art geht noch weiter – und dies auf ziemlich grausige Art: In der äußersten Kammer ihrer Brutnester stapelt sie die Kadaver toter Ameisen und bildet damit quasi einen Schutzwall gegen Parasiten, die sich an ihrer Brut vergreifen wollen. Dieser Schutzwall aus Kadavern wirkt dabei vermutlich auf doppelte Weise, denn die Ameisenleichen verströmen einen abschreckenden Duftstoff, wie die Forscher berichten. Diese gruselige Abwehrstrategie sei selbst für die ohnehin raffinierten Wegwespen einzigartig.

Wegwespen der Familie Pompilidae sind vor allem dadurch bekannt, dass sie Spinnen jagen und als Futter für ihre sich entwickelnden Larven nutzen. Sie betäuben die Spinne dafür und zerren sie in ein Nest, meist ein Erdloch, manchmal aber auch Hohlräume in Pflanzenteilen und andere natürliche Höhlungen. Meist legt das Wespenweibchen pro Nest eine Handvoll Brutkammern mit jeweils einer Spinne an. Ist dies erledigt, stattet die Wespe das Nest noch mit einer leeren Vorkammer aus und fliegt ihrer Wege. Die sich entwickelnden Larven haben daher keinen weiteren Schutz als die Barriere der Vorkammer. Welche Funktion sie hat und warum sie meist leer bleibt, war aber bisher nicht bekannt, wie Michael Staab von der Universität Freiburg und seine Kollegen berichten. Um das Nestbauverhalten der Wegwespen näher zu erforschen, haben sie im Gutianshan Naturschutzgebiet im Südosten Chinas insgesamt 829 Nester von solchen Wespen gesammelt und untersucht.

Beinhaus auf Insektenart

Zu ihrem Erstaunen stießen die Forscher dabei auf 73 Nester, die von einer bisher unbekannten Wegwespenart stammten und deren Vorkammern keineswegs leer waren. Stattdessen waren sie mit einem eher gruseligen Inhalt gefüllt: Bis zu 13 Ameisenkadaver hatten die Wespenweibchen in die winzigen Kammern gezwängt. „Als wir diese Nester sahen, fühlten wir uns an die Beinhäuser und Ossuarien historischer Friedhöfe erinnert“, berichten die Wissenschaftler. Solche Beinhäuser wurden im Mittelalter häufig eingerichtet, um Platz auf den Friedhöfen zu schaffen. Dazu grub man die Schädel und Knochen Verstorbener aus und schichtete sie in diesen Häusern auf. Mit der Zeit sammelten sich dort hunderte von Schädeln und Knochen an. Ähnlich dicht an dicht lagen in den Vorkammern der Wegwespen-Nester auch die Ameisen. Die Forscher tauften die neue Wespenart daher Deuteragenia ossarium – Beinhaus-Wespe.

Nach Ansicht der Forscher soll dieser Wall aus toten Ameisen vermutlich die Larven der Beinhaus-Wespe vor Räubern und Parasiten schützen – nicht allein als mechanische Barriere, sondern vielmehr als chemische Abwehrhilfe. Denn die meisten Ameisen produzieren Duftstoffe, mit denen sie untereinander, aber auch gegenüber Artfremden kommunizieren, wie die Wissenschaftler erklären. Die Ameisenkadaver in der Vorkammer strömen diese Duftstoffe ebenfalls aus und das könnte auf gleich zweierlei Weise gegen Angriffe schützen: Zum einen maskiert der Ameisenduft den Geruch der Wespenlarven und erschwert es Parasiten damit, diese zu orten. „Zum anderen kann der Duft auch Räuber abschrecken, denn die meisten Ameisen verteidigen ihre Nester heftig gegen solche Eindringlinge“, so Staab und seine Kollegen. Räuber meiden daher diesen Duft – und damit auch die getarnten Wespenlarven. Tatsächlich zeigte die Untersuchung der Nester, dass diese weniger häufig parasitiert oder beschädigt worden waren als andere ohne die Ameisenkadaver im Vorraum.

„Deuteragenia ossarium ist die erste bekannte Art, die komplette Ameisen in ihre Nester einbaut „, konstatieren die Forscher. Zwar gibt es einige andere Insektenarten, die ihren Nachwuchs mit raffinierten Methoden schützen oder sich sogar selbst in Ameisennestern einquartieren. „Aber keine andere Art baut buchstäblich einen Wall aus Ameisenkadavern“, so Staab und seine Kollegen. Das ist bisher einzigartig und demonstriert auf eindrucksvolle Weise, welche faszinierenden Strategien Tiere entwickelt haben, um ihren Nachwuchs zu schützen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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