Die Entdeckungsgeschichte des Vogels passt in kurioser Weise zu seinen Ausmaßen: Seine Überreste wurden bereits vor einiger Zeit bei Bauarbeiten im Rahmen der Erweiterung des Flughafens von Charleston in South Carolina entdeckt. Es war sogar ein Bagger nötig, um das riesige Fossil zu bergen. „ Allein der obere Flügelknochen war länger als mein Arm“, sagt Dan Ksepka vom National Evolutionary Synthesis Center in Durham. Am Charleston Museum legten die Paläontologen dann das ausgesprochen gut erhaltene Fossil frei. Es handelt sich ihnen zufolge um einen außerordentlichen Glücksfall, denn normalerweise überdauern die zarten Knochen von Vögeln nur selten die Jahrmillionen.
Neben Flügel- und Beinknochen umfasste der Fund auch den Schädel des Tieres. Seine Größe und der charakteristische Schnabel mit den zahnartigen Strukturen wiesen den Vogel als einen Vertreter der Pelagornithiden aus – einer Gruppe ausgestorbener Seevögel, deren Markenzeichen der Zahn-Schnabel war. Die Untersuchungen zeigten allerdings, dass es sich um eine bisher unbekannt Art handelte – die größte bisher bekannte. Die Forscher nannten sie Pelagornis sandersi.
Spannweite für müheloses Gleiten
Den Forschern zufolge besteht kein Zweifel, dass P. sandersi einst durch die Luft sauste, denn all seine anatomischen Merkmale weisen darauf hin: Er besaß filigrane Knochen, kurze Beine und lange Flügel. An Land war er wahrscheinlich ein tollpatschiger Geselle, ähnlich wie die heutigen Albatrosse. Die Schätzungen seiner Flügelspannweite reichen von 6,40 bis über 7 Meter – das warf Fragen auf, denn dies übersteigt, was manche mathematischen Modelle für die maximalen Ausmaße eines flugfähigen Vogels vorhersagten. So fütterten Ksepka und seine Kollegen ihre Computer mit den Daten des Fossils und entwickelten mit einer speziellen Software Simulationen zum Flugverhalten des gigantischen Federviehs.
Die Modelle zeigten, dass P. Sandersi wohl tatsächlich nicht in der Lage war, sich aus dem Stand durch Flügelschläge in die Luft zu erheben. Er musste stattdessen Anlauf nehmen oder eine günstige Windböe abwarten, um abzuheben. Doch einmal in der Luft, bot der Gigant wahrscheinlich einen majestätischen Anblick, legen die Simulationen nahe. Seine langen dünnen Flügel machten ihn offenbar zu einem exzellenten Gleiter. Bei günstigen Windlagen über dem Meer konnte er vermutlich viele Kilometer weit segeln, ohne auch nur einmal mit den Flügeln schlagen zu müssen. Erspähte er dabei Beute, schwang er sich zur Oberfläche hinab und schnappte sie sich mit seinem Zahn-besetzten Schnabel auf.
„Die Pelagornithiden waren wie Wesen aus einer Fantasy-Geschichte – es gibt heute keine vergleichbaren Kreaturen mehr“, sagt Ksepka. Die verschiedenen Vertreter dieser riesigen Vögel lebten viele Millionen Jahre lang in vielen Regionen der Welt. Doch dann, vor etwa drei Millionen Jahren verschwanden sie alle. Warum, bleibt bisher ein Geheimnis der Evolutionsgeschichte.