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Sprechtraining im Babyhirn

Gesundheit|Medizin

Sprechtraining im Babyhirn
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Einjähriges Kleinkind im Magnetscanner (University of Washington)
Wenn ein Kleinkind sein erstes Wort spricht, ist dies für Eltern ein ganz besonderer Moment. Denn ihr bis dahin nur brabbelnder Nachwuchs beginnt nun, eines unserer wichtigsten Kommunikationsmittel zu meistern: die Sprache. Ein Experiment von US-Forschern liefert nun einen ganz neuen Einblick in das, was schon vor dem ersten Wort im Gehirn des Babys vor sich geht. Es zeigt, dass sich die Areale, die später für das Sprechen gebraucht werden, schon lange vorher „warmlaufen“. Immer wenn das Kind Sprachlaute hört, feuern diese Sprechareale gleich mit – selbst wenn es Monate dauert, bis das Kind tatsächlich sein erstes Wort äußert.

Eigentlich herrscht in unserem Gehirn eine klare Arbeitsteilung: Ein Hörzentrum im Schläfenlappen springt immer dann an, wenn wir Sprache hören. Dieser superiore temporale Gyrus registriert Hörreize verschiedenster Frequenzen und ist für die Erkennung und Verarbeitung von Sprache entscheidend. Wenn es aber um das eigene Sprechen geht, werden weitere Hirnareale aktiv: Das Broca-Zentrum setzt das, was wir sagen wollen, zu Wörtern und Sätzen zusammen und das Kleinhirn steuert die dafür nötigen Bewegungen von Stimmbändern, Zunge und Lippen. Bevor Babys beginnen, sprechen zu lernen, haben sie schon monatelang die Stimmen und Sätze ihrer Eltern gehört. Es ist daher klar, dass dieses Hören der erste Schritt zum Sprechen sein muss. Wie der Weg zum Sprechen im Gehirn eines Kindes vorbereitet wird, untersuchen Neurowissenschaftler und Linguisten gerade in den letzten Jahren intensiv. Immer wieder liefert dies überraschende Erkenntnisse  – so auch in diesem Fall.

Patricia Kuhl und ihre Kollegen von der University of Washington in Seattle wollten in ihrem Experiment eigentlich herausfinden, warum Babys bis zu sieben Monaten auf alle Sprachen ähnlich reagieren, sie aber im Alter von knapp einem Jahr klare Vorlieben für ihre Muttersprache zeigen. Dafür setzten sie Kleinkinder beider Altersstufen und verschiedener Muttersprachen eine Kappe auf, in die Magnetspulen eines Magnetenzephalographen integriert waren. Über einen Spezialstuhl wurden die magnetischen Veränderungen im Gehirn der Kinder registriert. Dies wiederum erlaubt Rückschlüsse auf die Aktivität verschiedener Hirnareale. Während dieser Messung spielten die Wissenschaftler den Babys verschiedene Sprachlaute vor, beispielsweise ein „Da“ oder „Ta“. Auf diese Weise konnten sie feststellen, welche Hirnareale bei den Säuglingen beim Hören dieser Laute aktiv waren.

Trockenübungen im Sprechzentrum

Das Ergebnis: Bei allen Kleinkindern sprang nicht nur das Hörzentrum an, wenn sie Sprachlaute hörten. Stattdessen wurden auch die beiden eigentlich für das Sprechen zuständigen Areale aktiv – obwohl die Kinder gerade nicht sprachen und dies auch noch gar nicht konnten. „Das geht über das hinaus, was wir beim bloßen Hören von Sprache erwartet haben“, sagt Kuhl. „Es zeigt, dass das Babygehirn schon von Beginn an beim Hören auch das aktive Sprechen trainiert.“ Schon bei den sieben Monate alten Babys spielt das Gehirn demnach als Trockenübung durch, welche Bewegungen für das spätere Sprechen nötig sind. Es ist ein wenig so, als würden die Kinder das Gehörte im Geiste schon mal mitsprechen.

Nach Ansicht der Forscher unterstreicht dies, wie wichtig es ist, dass Eltern viel mit ihren Kleinkindern sprechen, selbst wenn diese noch lange nicht selbst sprechen können. Denn das regelmäßige Hören von Sprachlauten hilft dem Gehirn dabei, sich auf das Selbstsprechen vorzubereiten. Ab wann dieses innere Sprechtraining beginnt, ist noch unbekannt. Die Wissenschaftler vermuten aber, dass dies schon ab einem Alter von zwölf Wochen der Fall sein könnte. Dies ist der Zeitpunkt, ab dem die noch unverständlichen Laute des Säuglings allmählich den Lauten der menschlichen Sprache ähnlich werden. Und noch etwas schließen die Forscher: Die typisch langsame und übertrieben betonte Babysprache, mit der Eltern ihre Babys ansprechen, könnte für das Sprechen lernen besonders wichtig sein. „Diese Sprechweise ist sehr übertrieben, und das könnte es den Gehirnen der Babys erleichtern, schon mal Modelle der Sprechbewegungen anzulegen“, so Kuhl.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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