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Klingelbeutel für die Forschung

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Klingelbeutel für die Forschung
Immer mehr Wissenschaftler hoffen auf private Finanzspritzen. Wo öffentliche Fördermittel nicht ausreichen, können Spendengelder helfen.

Gäbe es ein Märchenbuch der Wissenschaft, hätte diese Geschichte einen Platz darin. Die Mäuseversuche von Magnus Essand, Krebsforscher im schwedischen Uppsala, könnten die Krebstherapie revolutionieren. Dass er die nötigen Studien dazu jetzt finanzieren kann, ist ein großes Glück – denn die Töpfe der Universitäten sind leer. Essand und sein Team haben den genetischen Code eines Virus so umprogrammiert, dass es sich ausschließlich in Tumorzellen vermehrt – und sie anschließend zerstört.

Das Virus der Schweden richtet sich gegen sogenannte neuroendokrine Tumore, die von hormonbildenden Zellen ausgehen und vor allem in der Lunge oder im Verdauungstrakt entstehen. Sie sind relativ selten und wachsen langsam. Dass Essand sich auf diese Krebsart spezialisiert hat, hängt mit der Forschungstradition seiner Alma Mater zusammen. „Genetisch veränderte Viren könnte man auch auf Tumore anderer Organe ansetzen“, sagt der Krebsforscher. Doch so gerne Essand die Virusbehandlung an Krebspatienten testen würde – für klinische Studien fehlte ihm lange die Finanzierung.

Im September 2012 erreichte ihn die E-Mail eines britischen Journalisten, der von seinen Experimenten gelesen hatte. „ Alexander Masters fragte mich, ob ich eine Therapie für seinen Freund hätte“, berichtet Magnus Essand. Er erklärte dem Journalisten, dass er zwei Millionen Pfund bräuchte, um die Virusbehandlung in klinischen Studien zu testen. Masters machte einen Vorschlag: Mit einer Medienkampagne wolle er versuchen, die benötigten Mittel über private Spenden zusammenzubekommen. Essand war sofort begeistert von der Idee.

Und der Versuch glückte: Innerhalb weniger Monate war das Geld da. Der Schweizer Unternehmer Vince Hamilton, der ebenfalls an einem neuroendokrinen Tumor leidet, spendete 1,4 Millionen Pfund. Der Rest kam über kleinere Spenden zusammen.

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Die richtigen Kanäle nutzen

Damit können die schwedischen Forscher nun die klinischen Tests vorbereiten. Das therapeutische Virus soll nach Hamilton benannt werden, also demjenigen zu Ehren, der den wesentlichen Teil der Entwicklung finanziert hat. Magnus Essand und sein Team sind die Ersten, deren klinische Studien von privaten Spendern finanziert werden. Essand geht davon aus, dass andere Mediziner dem Beispiel folgen werden. „Aber für einen Wissenschaftler ist es sehr schwierig, so viel Geld einzutreiben. Man braucht dafür die richtigen Leute, und man muss die richtigen Kanäle nutzen. Ausreichend Aufmerksamkeit in den Medien zu bekommen – davon hängt letztlich alles ab.“

Wissenschaft in die Medien zu bringen und dadurch private Forschungsförderer zu rekrutieren: Darum geht es auch auf der deutschen Internet-Plattform Sciencestarter, die im Herbst 2012 angelaufen ist. „Hier können die Wissenschaftler für ihre Projekte werben“, erläutert Sciencestarter-Sprecher Thorsten Witt.

Die Idee des Crowd-funding, also der Realisierung von Projektideen mithilfe privater Investoren, stammt aus dem Kreativbereich. Die größte Plattform dieser Art ist das US-amerikanische Portal Kickstarter. Dort werben zum Beispiel Filmemacher, die ihren nächsten Dreh finanzieren wollen, und Modedesigner, die Schuhe aus Papier entwickeln möchten. Für die kostspieligste Idee in der Kategorie „Technologie“ kamen fast drei Millionen Dollar zusammen: Eine Gruppe von Doktoranden aus Cambridge will damit einen erschwinglichen 3D-Drucker entwickeln.

Von Projekten dieser Größenordnung ist Sciencestarter noch weit entfernt. Die Budgets für die 16 Projekte, die bisher über die Plattform finanziert wurden, liegen zwischen 600 und 15 000 Euro.

Eine der erfolgreichen Sciencestarterinnen ist Tropenökologin Lydia Möcklinghoff, die das Verhalten von Ameisenbären im brasilianischen Pantanal untersucht und für die Reise und die Arbeitsmaterialien Geld brauchte.

Auf einem Science Slam erfuhr Möcklinghoff von Sciencestarter. Bereits eine Woche später hatte sie alle nötigen Informationen auf die Plattform hochgeladen. „Ich habe mit Vorträgen und Zeitungsartikeln auf mein Vorhaben aufmerksam gemacht“, berichtet sie. Die Mühe zahlte sich aus: Insgesamt kamen gut 5000 Euro von 114 Finanzpaten zusammen. Zum Dank können diese nun in einem Blog nachlesen, wie die Arbeiten in Brasilien vorangehen.

Ansprechende Präsentation

Einen Anteil am Erfolg Möcklinghoffs hat sicher ihr „ Maskottchen“, der Ameisenbär. „Aber auch vergleichsweise trockene Themen lassen sich gut darstellen“, meint sie. „Ich denke da an theoretische Physiker, die ihre Forschung auf Science Slams veranschaulichen. Hier kann man sich gute Anregungen holen.“ Auch Thorsten Witt ist überzeugt, dass sich nüchterne Themen ansprechend kommunizieren lassen: „Auf der Sciencestarter-Seite fallen große Unterschiede in der Qualität der Präsentation und der Kommunikation von Projekten auf.“

Witt glaubt, dass langfristig auch größere Projekte von der „ Crowd“ finanziert werden. Dass englischsprachige Länder derzeit einen Vorsprung haben, erklärt er sich so: „In den USA mussten Forscher schon immer mehr Drittmittel einwerben. Das merkt man an ihrer Öffentlichkeitsarbeit, die viel professioneller ist als hierzulande.“ Doch ohne Professionalität haben auch Wissenschaftsmärchen kein Happy End. •

von Maren Emmerich

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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