Die Geschichte von Oryza glaberrima beginnt vor etwa 3.000 Jahren. Damals begannen Farmer den wilden Vorläufer der afrikanischen Reisart zu domestizieren. Eine neue Kulturpflanze entstand – ganz unabhängig von dem bereits 6.000 bis 7.000 Jahre zuvor domestizierten asiatischen Reis, der heute in einer ausgesprochenen Sortenvielfalt als Lang- oder Mittelkornreis, Basmati-, Klebreis oder Risotto den Weg auf unsere Teller findet. Experten gehen davon aus, dass der afrikanische Reis sogar der erste war, den die europäischen Siedler in der Neuen Welt kultivierten. Ertragreichere asiatische Sorten verdrängten ihn jedoch später.
Anders als sein asiatisches Pendant Oryza sativa kommt O. glaberrima hervorragend mit widrigen Bedingungen wie Trockenheit oder saurem Boden zurecht. Er ist damit perfekt an das Klima im westlichen Afrika angepasst. Um die Geschichte des afrikanischen Reises besser nachvollziehen zu können und vor allem um das Geheimnis seiner Genügsamkeit zu lüften, hat ein internationales Forscherteam um den Pflanzenwissenschaftler Muhua Wang von der University of Arizona in Tucson nun das Genom des Reises sequenziert. Der Blick in die Gene von O. glaberrima offenbart, dass die Ursprünge der Kulturpflanze in der Deltaregion des Flusses Niger liegen. Von dort aus verbreitete sich der afrikanische Reis zunächst vor allem entlang der Küsten von Senegal und Gambia sowie in den Guinea Highlands. Die Forscher belegen damit eine Theorie zu den Ursprüngen der Domestizierung des Reises, die bereits seit den 1960er Jahren existiert.
Gezielte Auslese für bessere Ernte
Die Analysen deuten zudem darauf hin, dass Farmer schon damals gezielt Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften auswählten, um sie für die weitere Vermehrung zu nutzen. Sie förderten damit jene genetischen Merkmale, die robuste Pflanzen und erfolgreiche Ernte versprachen – und betrieben damit eine genetische Umformung der Pflanzenpopulation. Deshalb weist O. glaberrima heute eine weitaus geringere genetische Vielfalt auf als sein wilder Vorgänger. Er ist das Ergebnis der Bemühungen, einen Reis zu züchten, dem die rauen klimatischen Bedingungen Westafrikas nichts anhaben können. Einige genetische Charakteristika des Reises sind jedoch mitnichten Afrika-spezifisch: Wang und seine Kollegen konnten zeigen, dass die Farmer unabhängig voneinander sowohl in Afrika als auch in Asien Merkmale auswählten, die dieselben Reiseigenschaften hervorbrachten – zum Beispiel einen verbesserten Ertrag. Auf beiden Kontinenten wurde der Reis auch dahingehend verändert, dass die reifen Samen länger an den Ährenrispen verweilen und sich nicht so schnell verstreuen. Das erleichtert die Ernte.
Von ihren Ergebnissen erhoffen sich die Wissenschaftler, dass sie einen Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems leisten. Mehr als neun Milliarden Menschen werden im Jahr 2050 voraussichtlich auf unserem Planeten leben. Um diese Massen ernähren zu können, bedürfe es einer zweiten Grünen Revolution, schreiben Wang und seine Kollegen: „Wir brauchen Nutzpflanzen, die zwei- bis dreimal so viel Ernte hervorbringen wie heute, gleichzeitig aber mit weniger Wasser, Dünger und kargerem Boden zurechtkommen.“ Mithilfe des Genoms von O. glaberrima und vergleichenden Analysen mit anderen Reissorten können nun die Gene identifiziert werden, die für solche Eigenschaften verantwortlich sind.
In Zukunft kann so womöglich Reis gezüchtet werden, der wie der afrikanische Reis mit rauen klimatischen Bedingungen zurechtkommt, aber noch ertragreicher ist. Davon würde besonders auch die Landwirtschaft in Ländern des westlichen Afrikas profitieren – eine Region, dessen Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten besonders schnell wachsen wird. „Bei der Klärung der Frage, wie neun Milliarden Menschen ernährt werden können, wird Reis eine Schlüsselrolle einnehmen“, so das Forscherteam.