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Quanten-Grinsen ohne Katze

Astronomie|Physik Technik|Digitales

Quanten-Grinsen ohne Katze
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Die Cheshire-Katze aus "Alice im Wunderland" verschwindet und lässt ihr Grinsen zurück (thinkstock)
Die Quantenwelt ist voller seltsamer Phänomene: Teilchen verhalten sich wie Wellen und umgekehrt, Ein Partikel kann theoretisch an mehreren Orten gleichzeitig sein und seltsame Fernverbindungen mit anderen Teilchen aufnehmen. Jetzt haben Physiker ein weiteres skurriles Quantenphänomen experimentell nachgewiesen: die Tatsache, dass sich ein Teilchen unter bestimmten Bedingungen zeitweilig von einer seiner Grundeigenschaften trennen kann. Sie bezeichnen dies als eine Quantenversion der „Cheshire-Katze“. So wie von dieser Katze aus dem Buch „Alice im Wunderland“ nur ihr Grinsen zurückbleibt, trennt sich in ihrem Experiment ein Neutron vorübergehend von seinem magnetischen Moment. Das klingt unmöglich und reichlich paradox, ist aber in der Welt der Quanten theoretisch – und wie sich nun zeigt auch praktisch – durchaus möglich.

Die Cheshire-Katze aus „Alice im Wunderland“ ist gleich in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen ziert ein breites, völlig unkätzisches Grinsen ihr Gesicht, zum anderen aber scheint dieses Grinsen nur lose mit ihr verbunden zu sein. Denn von Zeit zu Zeit verschwindet die Katze und lässt dabei ihr Grinsen zurück – zur großen Verblüffung der Hauptfigur Alice: „Ich habe schon oft eine Katze ohne ein Grinsen gesehen. Aber noch nie ein Grinsen ohne Katze!“ Und Alice ist zu Recht verwundert, weil normalerweise die Grundeigenschaften eines Wesens oder Objekts untrennbar mit diesem verbunden sind.  Doch in der Quantenwelt gelten andere Regeln, wie Tobias Denkmayr von der Technischen Universität Wien und seine Kollegen erklären: „Es kann der überraschende Effekt auftreten, dass die Position eines Systems von einer seiner Eigenschaften getrennt wird.“ Übertragen auf Quantenteilchen in einem geteilten Strahlengang bedeutet dies: Die Katze reist den einen Strahlengang entlang, ihr Grinsen den anderen.

Neutronen hier, magnetisches Moment dort

Um diesen Effekt experimentell nachzuweisen, nutzen die Forscher die Neutronen-Interferometrie. Bei dieser wird ein Neutronenstrahl an einem Siliziumkristall in zwei kohärente Teilstrahlen getrennt. Diese laufen unterschiedliche Wege entlang und treffen dann wieder aufeinander. Treten dabei in einem der Strahlen Störungen auf, lässt sich dies am Interferenzmuster des zusammengeführten Strahls ablesen. Der Theorie nach müsste der Effekt einer Quanten-Cheshire-Katze auftreten, wenn die Strahlen durch bestimmte äußere Einflüsse vorher und nachher manipuliert werden. Dann trennen sich die Neutronen kurzzeitig von ihrem magnetischen Moment. Das Neutron wäre dann die Katze, das magnetische Moment ihr auf getrenntem Weg reisendes Grinsen, wie die Physiker erklären. Daher dürfte man dann in einem der beiden Teilstrahlen nur die Neutronen, im anderen aber nur das magnetsche Moment registrieren.

Tatsächlich zeigte sich im Experiment der erhoffte Effekt:  Angelegte zusätzliche Magnetfelder zeigten nur in einem der beiden Strahlengänge Wirkung. Demnach war nur in diesem Teilstrahl ein magnetisches Moment präsent. Umgekehrt ließen sich nur im anderen Strahl Neutronen nachweisen, wie die Forscher berichten. Dieses System verhalte sich damit so, als wenn die Teilchen und ihr Merkmal voneinander getrennt wären – wie eine quantenphysikalische Cheshire-Katze. Wie die Forscher betonen, ist dieser Effekt dabei nicht spezifisch: Das Phänomen der Quanten-Cheshire-Katze sei auf jedes Quantenobjekt anwendbar. Entscheidend dafür ist nur, dass das System dabei durch schwache Messungen nur gerade so leicht gestört wird, dass diese scheinbare Trennung auftritt.

Nach Ansicht von Denkmayr und seiner Kollegen könnte sich die quantenphysikalische Variante der Cheshire-Katze durchaus als nützlich auch für praktische Anwendungen erweisen. So könnte man damit beispielsweise in der Merologie oder Quantentechnologie das störende magnetische Moment entfernen, wenn eine andere Eigenschaft des Teilchens hochpräzise und ohne Störungen gemessen werden soll.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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