Den Anstoß zu der Studie gab ein Besuch der Tutanchamun-Austellung in San Francisco, berichtet der Erstautor Justin Yeakel von der University of California in Santa Cruz. Er und sein Co-Autor Justin Yeakel waren demnach fasziniert von den künstlerischen Darstellungen von Tieren auf den prunkvollen Artefakten. „Uns war bewusst: Es handelte sich um Abbilder der damaligen Natur“, so Yeakel. So beschlossen sie, der Entwicklung der historischen Tierwelt Ägyptens systematisch nachzugehen.
Die Forscher nutzten für ihre Untersuchungen Erkenntnisse, die der Zoologe Dale Osborne für sein Buch „Die Säugetiere des alten Ägypten“ bereits zusammengetragen hat. „Osborne hat eine unglaublich umfangreiche Datenbank zusammengestellt, aus der hervorgeht, wann Arten in Abbildungen dargestellt wurden und wie sich dies im Laufe der Zeit veränderte. Seine Arbeit ermöglichte es uns, durch ökologische Modellierungen die Faktoren aufzudecken, die hinter diesen Veränderungen steckten“, sagt Yeakel.
Einst gab es Elefanten, Giraffen, Wildhunde…
Als sich die altägyptische Hochkultur vor etwa 6.000 Jahren zu entfalten begann, war die Tierwelt am Nil noch deutlich umfangreicher als heute, berichten die Forscher: Es gab insgesamt 37 Arten von großen Säugetieren – heute sind es nur noch acht. Frühe Abbildungen zeigen beispielsweise Löwen, Wildhunde, Elefanten, kleine und große Antilopen-Arten und Giraffen. „Von der einst umfangreichen Artengemeinschaft ist heute kaum mehr etwas übrig“, sagt Yeakel.
Die Forscher identifizierten in den letzten 6.000 Jahren Wellen, in denen sich die Tiergemeinschaft am Nil deutlich veränderte. „Es gab drei große Verschiebungen zu trockenerem Klima, beginnend mit dem Ende des afrikanischen Feucht-Zeitalters vor 5.500 Jahren, als der Monsun sich in den Süden verlagerte“, sagt Yeakel. „Zur gleichen Zeit nahm die Bevölkerungsdichte im Niltal enorm zu, und die Konkurrenz um Raum hatte einen großen Einfluss auf Tierpopulationen.“ Genau zu diesen Zeiten kam es auch zu markanten Umbrüchen in der menschlichen Gesellschaft Ägyptens, berichten die Wissenschaftler: dem Zusammenbruch des Alten Reiches vor rund 4.000 Jahren und dem Fall des Neuen Reiches vor rund 3.000 Jahren.
Ökologische Dominoeffekte
Den Forschern zufolge zeichnen sich in den Analysen zunehmend ausgeprägte Dominoeffekte in der Entwicklung des Ökosystems am Nil ab. Es gab einst verschiedene Arten von Gazellen und anderen Pflanzenfressern, von denen sich wiederum die Raubtiere ernährten. Je mehr von diesen Beutetieren verschwanden, desto schlimmer wurde der Verlust einer jeweils weiteren Art. Das System wurde dadurch instabil und so kam es zu immer mehr Artensterben, erklären die Forscher.
Diese Ergebnisse sind ihnen zufolge nicht nur aus historischer Sicht interessant. Sie geben auch Hinweise zum Verständnis der Geschehnisse in der heutigen Natur. „Wir sehen heute bei vielen Ökosystemen den Effekt, dass Veränderungen, die nur eine Tierart betreffen, darüber entscheiden können, wie das ganze System sich entwickelt“, sagt Yeakel.