Vor genau zehn Jahren machten zwei russischstämmige Physiker an der Universität Manchester eine verblüffende Entdeckung: Es gelang ihnen erstmals, mit einfachsten Mitteln einen sonderbaren Stoff herzustellen. Indem sie mit einem simplen Klebestreifen eine feine Materialschicht von der Oberfläche eines Stückchens Graphit abzogen, erzeugten die beiden Wissenschaftler Graphen – eine Form des Kohlenstoffs, die nur eine einzige Atom-Lage dünn ist und gleich ein ganzes Paket an außergewöhnlichen Eigenschaften besitzt: Die ultrafeine Substanz ist der einzige bisher bekannte echte zweidimensionale Kristall. Sie leitet exzellent, elektrischen Strom und Wärme, sie ist zugleich extrem flexibel, äußerst robust und fast vollkommen durchsichtig. Das macht sie zu einem ausgezeichneten Forschungsobjekt für Physiker und Materialforscher, die in den letzten Jahren ständig neue Ideen für mögliche Anwendungen des vermeintlichen Wunderstoffs ersannen. So könnte das Graphen künftig in neuartigen biegsamen Bildschirmen stecken, die Eigenschaften elektronischer Schaltkreise enorm verbessern, den Bau leistungsstarker Superbatterien ermöglichen oder in Wüstenregionen beim Entsalzen von Meerwasser helfen. Auch am Institut des Physiknobelpreisträgers Klaus von Klitzing in Stuttgart befassen sich die Forscher mit Merkmalen, Herstellung und möglichen Anwendungen von Graphen. In der aktuellen Ausgabe von bild der wissenschaft erklärt von Klitzing im Interview mit bdw-Technik-Redakteur Ralf Butscher, was hinter dem aktuellen Graphen-Rausch steckt, welche Herausforderungen die Wissenschaftler noch zu meistern haben und in welchen Produkten der wundersame Werkstoff vermutlich als erstes auftauchen wird.
Übrigens: Beim exklusiven Fotoshooting für die bdw-Titelgeschichte kamen die Mitarbeiter im Team des Nobelpreisträgers und seines Forscherkollegen Jurgen Smet auf eine besonders pfiffige Idee: Um die hexagonale Struktur von Graphen zu verdeutlichen, legten sie sich vor dem Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung ins feuchte Gras und bildeten mit ihren Körpern die Form des Kristalls nach – zu sehen im Oktoberheft von bild der wissenschaft.