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Klimawandel: Flexibles Plankton

Erde|Umwelt

Klimawandel: Flexibles Plankton
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Zellen der Kalkalge Emiliania huxleyi (Kai T Lohbeck, GEOMAR)
Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre ist so hoch wie seit Jahrmillionen nicht mehr. Auch in den Ozeanen haben CO2, Methan und Co ein dramatisches Rekordniveau erreicht. Die Weltmeere nehmen etwa ein Viertel der ausgestoßenen Treibhausgase auf. Dadurch veschlechtern sich die Umweltbedingungen im Lebensraum Meer kontinuierlich. Das Phytoplankton Emiliania huxleyi ist jedoch in der Lage, mit diesem Wandel zu leben. Es passt sich erstaunlich schnell an Wassererwärmung und -versauerung an, wie deutsche Forscher nun berichten.

Phytoplankton ist für das System Erde von großer Bedeutung. Die marinen Mikroorganismen nehmen nicht nur große Mengen von Kohlenstoffdioxid auf. Mithilfe der Photosynthese bauen sie in Kombination mit Nährstoffen daraus auch ihre Körpersubstanz auf und sind auf diese Weise für die Hälfte der globalen Primärproduktion verantwortlich. Damit stellen sie die Basis des marinen Nahrungsnetzes dar. Gleichzeitig schätzen Experten, dass die winzigen Algen 50 bis 80 Prozent des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre produzieren.

Kein Wunder also, dass Klimaforscher sich Sorgen darüber machen, was passiert, wenn steigende Temperaturen und Treibhausgaskonzentrationen die Funktionsweise dieses eingespielten Systems nachhaltig beeinträchtigen. So führt etwa der stetig steigende CO2-Gehalt dazu, dass die Ozeane immer saurer werden. Denn löst sich Kohlenstoffdioxid in Wasser, entsteht Kohlensäure, die den pH-Wert des Meerwassers senkt. Hinzu kommt: Während sich Treibhausgase in der Atmosphäre über Jahrhunderte halten, können sie nach Ansicht von Forschern in den Meeren noch wesentlich länger überdauern.

Evolutions-Experiment im Meer

Doch obwohl Ozeanerwärmung und -versauerung längst als die entscheidenden Störfaktoren im Ökosystem Meer gelten, ist bisher kaum etwas darüber bekannt, wie Phytoplankton langfristig auf diesen drastischen Wandel reagieren könnte. Ist es in der Lage, sich im Laufe der Zeit an die neuen Umweltbedingungen anzupassen? Das haben nun Wissenschaftler um Lothar Schlüter vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel mithilfe eines Evolutions-Experiments am Beispiel der Kalkalge Emiliania huxleyi untersucht. Dafür fischte das Team im Jahr 2009 eine wilde Algenblüte aus norwegischen Gewässern nahe der Stadt Bergen und vermehrte sie daraufhin im Labor.

Über 460 Planktongenerationen lang beobachtete das Team die Organismen, verschiedene Planktongruppen wurden dabei verschiedenen Umweltbedingungen ausgesetzt. So ließen die Forscher einige Populationen in 15°C warmem Wasser schwimmen, andere heizten sie auf 26,3°Cauf – sozusagen als Worst-Case-Szenario, das nahe der oberen Temperaturgrenze liegt, die das Phytoplankton ertragen kann. Schon in 27°C warmem Wasser vermehrt sich Emiliania huxleyi normalerweise nämlich fast gar nicht mehr. Außerdem testeten die Wissenschaftler verschiedene CO2-Konzentrationen.

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Rettung durch Evolution

Das Ergebnis: Emiliania huxleyi beweist eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Innerhalb von einigen Monaten stellte das Plankton unter anderem sein Wachstum und seine Biomasseproduktion auf die veränderten Bedingungen ein: Nachdem sich sowohl die 15°C- als auch die 26,3°C-Population ein Jahr lang unter gleichbleibenden Bedingungen geteilt hatte, wurden beide der jeweils anderen Temperatur ausgesetzt. Dabei wuchs die bereits an das wärmere Wasser angepasste Planktongruppe bis zu 16 Prozent schneller als die Gruppe, die die vergangenen zwölf Monate in vergleichsweise kaltem Wasser gelebt hatte. Umgekehrt vermehrte sich die an Wärme gewöhnte Population schlechter unter den kälteren Bedingungen – für Schlüter und seine Kollegen ein klares Indiz dafür, dass Emiliania huxleyi seine thermale Reaktionsnorm vollständig hin zu höheren Temperaturen verschoben hatte. In diesem Prozess entwickelte sich außerdem die Größe der einzelnen Zellen zurück, sie wurden kleiner.

Das an extreme Wärme angepasste Plankton konnte zudem auch unter sehr hohen CO2-Konzentrationen seinen Nährwert für die Konsumenten bewahren, die sich von ihm ernähren. Ein Indikator für diesen Nährwert ist das Verhältnis von organischem Stickstoff zu organischem Kohlenstoff. Dieses Verhältnis blieb in der an hohe Temperaturen angepassten Population weitaus stabiler – insbesondere unter der höchsten CO2-Konzentration, die die Forscher testeten.

Mithilfe der Evolution könnte es Phytoplankton also langfristig gelingen, dem Klimawandel zu trotzen und seine Rolle im System weiterhin zu erfüllen. „Wir zeigen, dass Phytoplankton entwicklungsmäßig überraschend flexibel ist, was seine ökologische Nische angeht“, schreiben die Wissenschaftler. Besser als bisher gedacht könne sich das Plankton an Wärmeänderungen anpassen. Wer also die Konsequenzen der Klimaerwärmung auf das für das System Erde so bedeutende Phytoplankton abschätzen wolle, müsse auch evolutive Prozesse beachten, so die Ozeanforscher.

Quelle:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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