Tannenhäher ( Nucifraga caryocatactes) ernähren sich fast ausschließlich von den Samen der Zirbelkiefer ( Pinus cembra) – sie ziehen sogar ihre Jungen damit auf. Mit seinem Schnabel hackt der Rabenvogel die Zapfen auf, um an die Samen zu gelangen. Als Vorrat für den Winter vergräbt er im Herbst zusätzlich Samen im Boden. Mit diesem Verhalten nützt er der Pflanze – doch offenbar weit weniger als bisher gedacht. Denn der Vogel handelt ausschließlich eigennützig, berichten die Forscher um Eike Neuschulz vom LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main.
Die Forscher haben das faszinierende Verhalten der Vögel monatelang genau studiert.
Sie kommen zu dem Fazit: „Tannenhäher verstecken die Samen gerade da, wo sie nicht besonders gut keimen können. Zirbelkiefersamen brauchen feuchten Boden und viel Licht, um aufzugehen, doch die Vögel vergraben sie dort, wo der Boden trocken und das Kronendach relativ dicht ist“, berichtet Neuschulz. Bisherige Studien haben gezeigt, dass Nagetiere wie beispielsweise das Eichhörnchen Samen zumeist dort vergraben, wo sie nicht so leicht von Räubern gefunden werden. Für den Tannenhäher scheint dies den Forschern zufolge jedoch nicht entscheidend für die Standortwahl seiner Depots zu sein.
Futter soll ja nicht keimen
Für den Tannenhähers ist das Verhalten durchaus sinnvoll, denn wenn der Samen nicht keimt, ist er länger haltbar und dadurch auch später noch als Futter verfügbar. „Weil zudem die Samenproduktion der Zirbelkiefer von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen kann, müssen Tannenhäher dabei möglicherweise auf Verstecke zurückgreifen, die sie vor langer Zeit angelegt haben“, erklärt Neuschulz. Wahrscheinlich ist für den Vogel deshalb nachhaltige Vorratshaltung so wichtig.
Dank seines exzellenten räumlichen Erinnerungsvermögens findet der Tannenhäher ungefähr 80 Prozent der von ihm versteckten Samen wieder. „Wenn die übrigen 20 Prozent dann aber an Standorten vergraben sind, wo sie schlecht keimen können, dürfte der Beitrag des Tannenhähers an der Verjüngung der Bestände der Zirbelkiefer deutlich geringer sein als bisher angenommen“, resümiert Neuschulz.