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Rutschpartie für Grönlands Gletscher

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Rutschpartie für Grönlands Gletscher
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Das Wichtige liegt unter dem Gletscher verborgen: der Untergrund (Poul Christoffersen)
Schon jetzt nagt der Klimawandel am grönländischen Eisschild, viele Küstengletscher fließen bereits schneller Richtung Meer als noch vor Jahrzehnten. Jetzt haben britische Forscher festgestellt, dass das Eisschild der Rieseninsel noch anfälliger und instabiler sein könnte als bisher angenommen. Denn unter vielen Gletschern liegt kein harter Felsgrund, sondern weiches Sediment. Und dieses verwandelt sich in eine glitschige Rutschbahn, wenn zuviel Schmelzwasser durch Eisrisse an die Gletscherbasis sickert, wie ihr Modell zeigt. Schon ein ungewöhnlich heißer Sommer oder starke Regenfälle könnten das Wasser-Aufnahmevermögen des Sediments übersteigen und so die Gletscher destabilisieren, warnen die Forscher.

Mehr als drei Kilometer dick und 1,8 Millionen Kilometer groß: das grönländische Eisschild ist zusammen mit der Antarktis das größte Eisreservoir unseres Planeten. In seinen Gletschern ist so viel Wasser gebunden, dass ihr komplettes Abschmelzen den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lassen würde. Dieses Szenario allerdings gilt zumindest für die nähere Zukunft als eher unwahrscheinlich. Zu beobachten ist jedoch bereits, dass die globale Erwärmung viele Küstengletscher des Eisschilds stärker abschmelzen lässt und auch ihren Abfluss ins Meer beschleunigt. “Wie diese beiden Prozesse miteinander verknüpft sind, ist bisher jedoch nicht vollständig verstanden”, erklärt Studienleiterin Marion Bougamont von der University of Cambridge. Ebenfalls unberücksichtigt in den Modellen der Eisentwicklung bleibt bisher die Beschaffenheit des Untergrunds, wie die Forscherin erklärt. So geht man für Simulationen des Eisabflusses meist von einem felsigen, harten Untergrund aus, auf dem der Gletscher Richtung Meer gleitet.

Neuere Daten zeigen jedoch, dass viele grönländische Gletscher sich über weiches, poröses Sediment bewegen. Wie dies die Eisbewegung der Küstengletscher beeinflusst, haben Bougamont und ihre Kollegen nun in einem neuen dreidimensionalen Modell des westlichen Eisschilds Grönlands ermittelt. Darin simulierten sie zunächst, wie sich die saisonale Eisbewegung verändert, wenn das an der Oberfläche entstehende Schmelzwasser durch Eisspalten an die Gletscherbasis sickert. Denn typischerweise bilden sich im Laufe des Sommers Seen aus Schmelzwasser auf dem Gletscher. Wie die Forscher bei Feldstudien in Grönland feststellten, können sich diese innerhalb von wenigen Stunden komplett entleeren, weil im Gletscher Risse auftreten, durch die das Wasser in die Tiefe strömt. Dadurch gelangen große Mengen Wasser an die Gletscherbasis und ins darunterliegende Sediment, so die Wissenschaftler.

“Nicht annähernd so stabil wie gedacht”

Das aber hat Folgen: “Das weiche Sediment wird instabiler, wenn es versucht, noch mehr Wasser aufzunehmen”, erklärt Koautor Poul Christoffersen von der University of Cambridge. Das aber senkt den Widerstand des Sediments, so dass das darüber liegende Eis sich noch schneller bewegen kann. Wie das Modell zeigte, ist der jährliche Eisabfluss trotz weicherem Sediment zurzeit noch relativ stabil. Doch in wärmeren Jahren, bei starken Regenfällen und bei anhaltendem Klimawandel kann sich dies schnell ändern, warnen die Forscher: Dann erreicht mehr Schmelzwasser die Gletscherbasis und das weiche Sediment verwandelt sich in eine glitschige Rutschbahn. Dadurch könnte sich die Gletscherbewegung Richtung mehr abrupt und sehr schnell beschleunigen. Als Folge gelangt mehr Schmelzwasser und Eis ins Meer und der Meeresspiegel steigt.

“Das grönländische Eisschild ist nicht annähernd so stabil wie wir denken”, warnt Christoffersen. Es gebe ein klares Limit, wie viel Schmelzwasser das weiche Sediment unter den Gletschern aufnehmen könne. Werde dieses überschritten, könne sich der Eisabbau rapide beschleunigen. “Das Eisschild ist daher nicht nur anfällig gegenüber dem Klimawandel, auch meteorologische Extremereignisse wie starker Regenfall oder Hitzewellen können dadurch zu einem starken Eisverlust führen”, so der Forscher. Die Eisgebiete unseres Planeten reagieren damit sensibler und gleichzeitig komplexer auf den Klimawandel als bisher angenommen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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