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Hungerhilfe für unsere Darmbakterien

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Hungerhilfe für unsere Darmbakterien
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Credit: Thinkstock
Mir ist übel! Wenn wir krank sind, macht sich oft Appetitlosigkeit breit – der Körper legt eine Fastenkur ein, um Krankheitserreger auszuhungern oder um keine Kraft für die Nahrungsversorgung zu verschwenden. Doch wie kommt unsere Darmflora mit diesem Mangel zurecht? Eine Studie an Mäusen zeigt nun: Der Darm stellt seinen kostbaren Helferlein in Notzeiten Nahrung in der Form spezieller Zucker zur Verfügung. Dieses System hat möglicherweise auch beim Menschen eine wichtige Funktion: Eine Störung könnte beispielsweise für die Darmerkrankung Morbus Chrohn verantwortlich sein, sagen die Forscher.

Normalerweise werden Darmbakterien regelmäßig mit Futter überschüttet: Sie zersetzen bestimmte Bestandteile der Nahrung im Verdauungstrakt ihres Wirts. Davon leben sie selbst, sie machen der Verdauung von Mensch und Tier aber auch verschlüsselte Nährstoffe zugänglich. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren immer deutlicher gezeigt, welch enorme Bedeutung der Darmflora für die Gesundheit zukommt. Deshalb erscheint es plausibel, dass der Organismus die kostbaren Mikroben bestmöglich fördert.

In diesem Zusammenhang haben die Forscher um Alexander Chervonsky von der University of Chicago nun untersucht, ob der Körper die Mikroben bei einer krankheitsbedingten Pause bei der regelmäßigen Nahrungszufuhr unterstützt. Sie gingen dabei einer konkreten Fährte nach: Frühere Studien hatten bereits nahegelegt, dass die sogenannte L-Fucose möglicherweise eine Rolle spielt. Diese Zuckerform kann dem Wirtsorganismus nicht als Energiequelle dienen, doch wenn sie an bestimmte Eiweiße gebunden ist, können Mikroorganismen L-Fucose als Nahrung nutzen.

Zucker für kleine Helfer

Für ihre Studie verabreichten die Forscher Mäusen eine Substanz, die Reaktionen wie bei einer Infektion auslöst: Die Tiere aßen und tranken kaum und verloren schließlich an Körpergewicht. Bereits wenige Stunden nach dem Auslösen dieses experimentellen Krankheitszustandes belegten Untersuchungen, dass die Oberfläche des Dünndarms der Versuchstiere L-Fucose bildete. Dies stellten die Forscher nur im Rahmen der „krankheitsbedingten“ Appetitlosigkeit fest. Normalerweise ist diese Zuckerform im Darm von Mäusen nämlich kaum nachweisbar.

Um dem Zusammenhang weiter nachzugehen, entwickelten die Forscher eine genetisch veränderte Mäusezuchtlinie, der das Gen für die Bildung von L-Fucose fehlt. Unter normalen Bedingungen waren die entsprechenden Versuchstiere gesund, doch wenn die Forscher ihnen den experimentellen Krankheitszustand verpassten, zeigten sich Unterschiede zu Vergleichstieren: Die Mäuse ohne L-Fucose erholten sich nach der Prozedur deutlich langsamer – sie erreichten ihr Ausgangsgewicht mit Verzögerung. Wenn die Forscher die Darmflora der normalen Kontrolltiere allerdings künstlich beeinträchtigten, verschwand ihr Vorteil bei der Rekonvaleszenz.

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Zusammenhang mit Morbus Chrohn?

Durch Analysen der Genaktivität der Darmbakterien konnten die Forscher zudem zeigen, dass bei den Mäusen ohne L-Fucose offenbar manche Bakterienarten während des induzierten Krankheitszustands Erbanlagen anschalteten, von denen ein ungünstiger Effekt bekannt ist. Die Forscher vermuten deshalb, dass L-Fucose im Darm in irgendeiner Weise verhindert, dass dieser Prozess einsetzt. Außerdem fanden sie Hinweise darauf, dass der Zuckerstoff während einer Erkrankung auch die Ausbreitung von krankheitserregenden Mikroben im Darm hemmt.

Den Forschern zufolge bilden ihre Ergebnisse nun spannende Ansatzpunkte für die weitere Forschung. Interessanterweise besitzen nämlich etwa 20 Prozent der Menschen kein funktionstüchtiges Gen für die Produktion von L-Fucose – ähnlich wie die Mäuse der genetisch veränderten Zuchtlinie der Forscher. Diese Eigenschaft wurde beim Menschen bereits in Zusammenhang mit der Entwicklung der Darmerkrankung Morbus Chrohn gebracht. „Dabei könnte eine Rolle spielen, dass ohne L-Fucose die Aktivierung von schädlichen Erbanlagen von Darmmikroben nicht unterdrückt wird“, sagt Chervonsky. „Ob man dieses Wissen für zukünftige Therapieformen nutzen kann, müssen nun weitere Studien zeigen“, sagt der Forscher.
 

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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