„Eines der eindrucksvollsten Merkmale der Vögel ist ihre Fähigkeit, noch unter atmosphärischen Bedingungen zu fliegen, die jedes kleinere Flugzeug am Boden halten würden“, erklären Kate Reynolds und ihre Kollegen von der University of Oxford. Gerade Vögel mit großer Flügelspannweite wie Geier, Adler oder auch Störche fliegen auch dann, wenn es starke Turbulenzen gibt. Schon früher haben Forscher bei diesen Arten ab und zu ein auffälliges Verhalten beobachtet: Manchmal unterbrechen sie ihren normalen Flug, um blitzschnell ihre Flügel nach unten zu ziehen und unter ihrem Körper fast senkrecht gegen den Boden gerichtet zu halten. Dann heben sie sie wieder an und strecken sie seitlich neben dem Körper zum Gleitflug aus. Der ganze Prozess dauert weniger als eine halbe Sekunde.
Vor allem große Greifvögel wie Geier und Adler praktizieren dieses Flügelfalten, wie die Forscher berichten. Welchen Zweck es aber erfüllt, war bisher unklar. Einige vermuteten, der Vogel nutze dies, um seine Fluggeschwindigkeit zu erhöhen, andere hielten es für eine Methode, um die Fluglage nach einer Windböe oder Turbulenz zu korrigieren. Reynolds und ihre Kollegen haben diese Frage nun genauer untersucht – mit Hilfe eines zahmen Steppenadlers (Aquila nipalensis). Für ihre Studie rüsteten die Forscher den in einer Vogelstation in Wales gehaltenen Steppenadler mit einem Sensorpaket aus, das Beschleunigung, Fluglage und Geschwindigkeit aufzeichnete und mit einer Art Rucksack am Rücken des Vogels befestigt wurde. Außerdem filmten sie den Vogel bei insgesamt 45 Ausflügen vom Boden aus und maßen die Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Höhen.
Wenn der Auftrieb aussetzt…
Die Auswertung der Daten ergab, dass der Adler immer dann einen Moment des Flügelfaltens einschob, wenn er in Turbulenzen geriet. Je turbulenter die Luft war, desto häufiger zeigte er dieses Verhalten. „Der Vogel lässt als Reaktion auf die Windböen die Flügel zusammenfallen, statt sie steif ausgestreckt zu halten wie ein Flugzeug“, erklärt Seniorautor Graham Taylor. Wie die Sensordaten zeigten, wird dieses Verhalten dadurch ausgelöst, dass der Flügel plötzlich durch die Luftbewegungen seinen Auftrieb verliert. Die Abwärtsbewegung und das kurze Hängenlassen der Flügel ergeben sich dann quasi automatisch, berichten die Forscher. Denn die Muskelspannung, die sonst den Flügel gegen den Auftrieb hält, überwiegt dann und bringt den Flügel nach unten.
Damit ist nun geklärt, warum die großen Greifvögel und auch einige Störche im Flug immer mal wieder kurz diese Haltung einnehmen. „Wir haben damit belegt, dass das Flügelfalten der großen Greifvögel eine Reaktion auf atmosphärische Turbulenzen ist“, konstatieren Reynolds und ihre Kollegen. Das widerlege vorhergehende Hypothesen, nach denen dieser Mechanismus vor einem Gleitflug mehr Geschwindigkeit bringen solle oder aber von den Vögeln bewusst zur Korrektur der Fluglage genutzt werde. Stattdessen ist diese automatische Reaktion nach Ansicht der Forscher für die großen segelnden Vögel eine wahrscheinlich evolutionär wichtige Anpassung – denn sie ermöglicht ihnen das Fliegen auch bei ungünstigen Bedingungen.