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Was Genitalien mit Hinterbeinen zu tun haben

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Was Genitalien mit Hinterbeinen zu tun haben
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Credit: Thinkstock
Bei der Entwicklung der externen Genitalien der Landlebewesen war die Natur kreativ: Säugetiere und Vögel haben einen Penis, Eidechsen und Schlangen haben hingegen eine Art Doppelstruktur – einen Hemipenis. Forscher haben nun herausgefunden, warum das so ist: Bei Schlangen und Eidechsen stammen die paarweise angelegten Fortpflanzungsorgane von den Hinterbeinen ab, bei den anderen Landlebewesen hingegen von der Schwanz-Knospe. Dennoch gleicht sich das grundlegende Entwicklungsprogramm, zeigen Verpflanzungs-Experimente.

Wie die Gliedmaßen sind auch die externen Genitalien ein Resultat der Anpassung an den terrestrischen Lebensraum. Während sich Fische und Amphibien im Wasser vermehren, findet Sex von Reptilien, Vögeln und Säugetieren auf dem Land statt. Um zu verhindern, dass ihre Eier austrocknen, lassen sie die Keimzellen im Körperinneren verschmelzen. Für diesen Zweck mussten sich neue Körperstrukturen ausbilden: die äußeren Geschlechtsorgane. „Externe Genitalien ermöglichen die interne Befruchtung“, bringt es Patrick Tschopp von der Harvard Medical School in Boston auf den Punkt. Er und seine Kollegen haben nun den Ursprung des männlichen Begattungsorgans bei Schlangen, Eidechsen, Hühnern und Mäusen genau unter die Lupe genommen. Evolutionsbiologische Analysen, Mikro-Computertomographie und genetische Untersuchungen kamen dabei zum Einsatz.

Bein- oder Schwanz-Knospen?

Die Ergebnisse der Forscher zeigten: Bei Mäusen sind die Anlagen für die Hinterbeine von denjenigen für das Fortpflanzungsorgan von Beginn an getrennt. Bei Schlangen und Eidechsen durchlaufen die Geschlechtsteile hingegen zuerst ein Entwicklungsprogramm, das demjenigen der Hinterbeine stark ähnelt. Erst später werden die genitalspezifischen Gene aktiviert, wie die Forschenden mit aufwendigen Analysen feststellten. Die Hemipenisse, die seitlich und paarweise angelegten Fortpflanzungsorgane der Schlangen und Eidechsen, stammen deshalb offenbar von den Hinterbeinen ab, auch wenn diese bei Schlangen nicht mehr zur Bildung von Gliedmaßen führen. Das Ursprungsgewebe der Geschlechtsorgane der Maus stammt hingegen von der Schwanzknospe ab, die später zur Bildung des Anhängsels der Nager führt. Ähnlich wie bei den Schlangen die Gliedmaßen, hat sich in der Entwicklungsgeschichte des Menschen wiederum die Ausbildung des Schwanzes zurückgebildet.

Den Forschern zufolge kommt es bei der Entstehung der Genitalien auf die Position des Gewebes an, aus dem sich der  Urinal- und Darmtrakt beim Embryo entwickelt. Dieses sogenannte Kloaken-Gewebe gibt benachbarten Zellen das Signal zur Ausformung der Genitalien. Bei Eidechsen und Schlangen befindet es sich nahe des Ursprungsgewebes für die Hinterbeine, bei den anderen Landlebewesen hingegen nahe der Schwanzknospe, erklären die Forscher.

Verpflanzungs-Experimente belegen es

Um diese Erklärungen durch Ergebnisse zu untermauern, führten Tschopp und seine Kollegen Experimente mit Hühnerembryos durch: Sie verpflanzten Kloaken-Gewebe entweder in die Nähe der Hinterbein-Knospen oder der Schwanz-Knospen der Embryos und beobachteten die nachfolgenden Entwicklungsprozesse. Es zeigte sich: Das Kloaken-Gewebe bewirkte an beiden Verpflanzungs-Zielen beim umliegenden Gewebe genitalspezifische Entwicklungsprozesse.

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Den Forschern zufolge beweist dies, dass verschiedene Populationen von Vorläuferzellen in der Lage sind, auf die Kloaken-Signale zu reagieren. „Obwohl Säuger- und Reptilien-Genitalien verschieden sind, teilen sie dennoch die gleichen genetischen Grund-Programme und werden durch die gleichen molekularen Signale induziert“, resümiert Co-Autor Clifford Tabin. Diese Erkenntnis gibt den Wissenschaftlern zufolge auch einen Hinweis für Fehlbildungen bei manchen Erbkrankheiten. Bei diesen gehen Missbildungen an Armen und Beinen häufig mit Schäden an den externen Genitalien einher. Vermutlich liegt das also an den ähnlichen Entwicklungsprozessen und der molekularen Verwandtschaft von Geschlechtsorgan und Hinterbeinen.

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Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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