Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Die Schmuckstücke der Planeten

Astronomie|Physik

Die Schmuckstücke der Planeten
Planetenringe gibt es auch im Kleinformat: Astronomen haben einen beringten Planetoiden aufgespürt. Und am Saturn fotografierten sie ein Objekt, das als Babymond bald die Ringe verlassen könnte.

Es war ein Zufallsfund, der die Astronomen sehr erstaunte: In mehreren Ländern Südamerikas hatten Forscherteams am 3. Juni 2013 den Kleinplaneten Chariklo anvisiert, der sich an diesem Tag vor einen Fixstern schieben sollte. Die „Sternbedeckung“ war eine seltene Gelegenheit, die Größe und Gestalt Chariklos zu bestimmen. Das ist möglich, indem die Zeit zwischen dem Verschwinden des Sterns und seinem Wiederauftauchen gemessen wird.

Doch das Himmelsereignis entwickelte sich anders als erwartet: Nicht nur zum vorausberechneten Zeitpunkt verfinsterte sich das Sternlicht für rund fünf Sekunden. Auch jeweils vor- und nachher maßen die Astronomen mehrere kurze Helligkeitseinbrüche. Ihnen war ein Ring ins Netz gegangen – der erste um einen Planetoiden.

„Wir haben nicht nach einem Ring gesucht“, freute sich der völlig überraschte Felipe Braga-Ribas vom Staatlichen Observatorium in Rio de Janeiro. „Und wir haben nicht einmal geahnt, dass so kleine Himmelskörper wie Chariklo welche besitzen könnten.“ Vor einigen Monaten schilderte Braga-Ribas zusammen mit Dutzenden Teilnehmern der Beobachtungskampagne den verblüffenden Fund in der Fachzeitschrift Nature.

Der Bericht erinnert an das Jahr 1977. Damals hatten US-Astronomen ebenfalls mithilfe einer Sternbedeckung zufällig die Uranus-Ringe aufgespürt. Eigentlich wollten sie nur die Gashülle des Eisplaneten vermessen. Zu dieser Zeit war die Überraschung sogar noch größer, denn unter Planetologen war allgemein akzeptiert, dass die seit dem 17. Jahrhundert bekannten Saturnringe eine Ausnahme seien – eine seltene Laune der Natur. Völlig falsch, wie man heute weiß, denn Ringe sind im Sonnensystem kein Einzelfall. Neben Saturn und Uranus schmücken sie auch Jupiter und Neptun. Von nun an schien es ein Privileg der Riesenplaneten zu sein, sich mit kreisenden Partikeln aus Eis und Staub, also mit Ringen, zu umgeben. Mit den Chariklo-Ringen ist jetzt auch dieser Irrtum entlarvt.

Anzeige

Die meisten Zentauren sind unbekannt

Der Miniplanet zieht seine Bahn zwischen Saturn und Uranus. Mit 250 Kilometer Durchmesser ist der Brocken das größte bekannte Exemplar der sogenannten Zentauren. Man kennt rund 200 Artgenossen – statistischen Schätzungen zufolge soll es 44 000 Objekte mit mehr als einem Kilometer geben. Ihre Bahnen sind langfristig instabil, da sie durch Begegnungen mit den Riesenplaneten immer wieder gestört werden. Anders als die viel häufigeren Körper des sonnennäheren Planetoidengürtels zwischen Mars und Jupiter stammen die Zentauren wohl aus dem Kuipergürtel, einer Zone jenseits des Neptun, in der zahlreiche eisige Objekte kreisen (bild der wissenschaft 6/2013, „Eris – Plutos böser Zwilling“).

Ringexperte Jürgen Schmidt von der finnischen University of Oulu, der an der Entdeckung nicht beteiligt war, vermutet, dass Chariklo bereits beringt in seinen heutigen Lebensraum eingewandert ist. Wie die Ringe ursprünglich entstanden sind, ist noch unklar. Womöglich sind sie das Produkt von Zusammenstößen.

Eingehende Analysen der Sternbedeckung ergaben, dass es sich sogar um ein ganzes System von Ringen handelt. Es besteht aus zwei filigranen Strukturen: Der innere, hellere Ring ist sieben Kilometer breit, der äußere nur drei Kilometer. Die beiden trennt eine Lücke von neun Kilometern.

Die neuen Resultate liefern auch eine Erklärung für rätselhafte frühere Beobachtungen. So hatten manche Astronomen im Licht Chariklos die spektrale Signatur von gefrorenem Wasser entdeckt, andere konnten den Eisfund nicht bestätigen. Laut Co-Autor Colin Snodgrass vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung existiert das Eis nur in den Ringen – die Oberfläche des Planetoiden wäre demnach eisfrei. Je nachdem, unter welchem Winkel ein irdischer Beobachter auf die Ringe schaut, sieht er entweder ein schwaches oder ein starkes Signal. Blickt er beispielsweise genau auf die Ringkante, so ist das Eis scheinbar verschwunden.

Die auffällige Lücke zwischen Chariklos einzelnen Ringen, aber auch ihre scharfen Grenzen, führen die Autoren der Nature-Publikation auf den Einfluss von „Schäferhund-Monden“ zurück. In den Ringsystemen der großen Planeten waren Minimonde bei solchen Lücken früher schon entdeckt worden – zum Beispiel Prometheus und Pandora. Die beiden Kleinmonde halten den dünnen F-Ring des Saturn zusammen, indem sie knapp innerhalb und knapp außerhalb der Ringkanten kreisen (bild der wissenschaft 3/2013, „ Das Alphabet der Ringe“).

Doch Ring-Forscher Joseph Burns von der Cornell Universität im US-Bundesstaat New York widerspricht: Nicht überall, wo Lücken in Planetenringen klaffen, bewegen sich solche Monde. So gebe es im C-Ring Saturns, dessen Lücken die Forscher seit zehn Jahren akribisch mit der Cassini-Sonde beobachten, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Schäferhund-Monde in passender Größe“, schreibt Burns in einem Kommentar in Nature.

Das Gleiche gelte für die Cassini’sche Teilung, eine Zone mit geringer Dichte an Ringteilchen zwischen Saturns A- und B-Ring. Aber wenn die Bordkameras keine Schäferhund-Monde vor die Linse bekommen – was könnte den Ringen sonst ihre seltsamen Lücken aufprägen? „Ich kenne keine gute Idee, die zur Erklärung taugen könne“, bedauert Burns.

In Saturns Kreißsaal

Dafür wurden Cassinis Kameras anderswo fündig: Als die Raumsonde im April 2013 Prometheus fotografierte, stieß sie neben dem langgestreckten 140-Kilometer großen Brocken auf ein Objekt, das keinem der bekannten 62 Saturnmonde zugeordnet werden konnte. Carl Murray von der Queen Mary University of London bemerkte als Erster die seltsam eckige Struktur am normalerweise runden Rand des A-Rings. Zusammen mit Kollegen schildert er den mysteriösen Fund im Fachmagazin Icarus: „In Gestalt, Helligkeit und Ausdehnung ist kein weiteres Objekt dieser Art in den Hauptringen Saturns bekannt.“

Klar ist, dass es sich um etwas Kleines handelt – der Durchmesser dürfte kaum einen Kilometer betragen. Damit ist das Objekt zu winzig, um von Cassinis Kameras aufgelöst zu werden. Es ist aber trotzdem sichtbar, und zwar durch die Störungen, die es auf benachbarte Ringpartikel ausübt. Dort entsteht eine Zone, die 20 Prozent heller ist als das Ringmaterial der Umgebung.

Die Forscher sahen das obskure Phänomen nachträglich auf vielen Fotos, die Cassini früher von der gleichen Stelle der Ringe geschossen hatte. „Insgesamt liegen 107 fotografische Sichtungen zwischen Mai 2012 und November 2013 vor“, berichten sie. Auf den jüngeren Fotos glauben die Forscher undeutlich mehrere Körper auszumachen. Möglicherweise sind in dieser Zeitspanne wieder Fragmente abgesplittert. Außerdem berichten die Wissenschaftler über leichte Bahnänderungen. „Das Objekt könnte gerade dabei sein, sich von den Ringen abzunabeln, und künftig als neuer, eigenständiger Mond auftreten“, spekuliert Murray.

Hat der britische Planetenforscher die Geburt eines Babymonds entdeckt? Dies legt die kürzlich publizierte Theorie der Wissenschaftler um Sebastien Charnoz von der Universität Paris-Diderot nahe (bild der wissenschaft 3/2013, „Saturns Ringe – die Mondfabrik“). Sie besagt, dass viele Saturnmonde einst in Ringen geboren wurden. Die französischen Forscher hatten im Computer simuliert, dass sich die Trabanten aus Ringmaterie geformt haben könnten.

Besonders glaubhaft ist die Hypothese für Kleinmonde wie beispielsweise Prometheus – er wäre demnach deutlich jünger als Saturn selbst. Solche Ringgeburten sollen bis in die geologisch nahe Vergangenheit stattgefunden haben. Oder sogar heute noch? Charnoz sieht seine Theorie durch das neue Objekt im A-Ring gestärkt: „Ich denke, das ist in voller Übereinstimmung mit unserem Modell.“ Auch Jürgen Schmidt aus Oulu ist von dem Fund fasziniert, doch er bleibt vorsichtig: „Es kann noch Jahre dauern, bis das letzte Beweisstück für diese Hypothese erbracht ist.“

Wo bleibt der erste Exosaturn?

Verglichen mit den mächtigen Ringen Saturns sind die Ringe Chariklos winzig. Tatsächlich würde der Planetoid mitsamt seinen Ringen mühelos durch die größeren Lücken der Saturnringe passen. Trotzdem freuen sich Ringforscher über den Fund, denn Chariklos einfaches Ringsystem ist wahrscheinlich viel leichter zu verstehen, als es die komplexen Ringe Saturns sind. Der noch unbekannte Mechanismus, der für die mondlosen Lücken verantwortlich ist, könnte in den Chariklo-Ringen womöglich leichter durchschaut werden, hofft Joseph Burns.

Unterdessen haben die Astronomen ihren Suchradius drastisch erweitert: bis in die fernen extrasolaren Planetensysteme. Auch wenn noch keine eindeutigen Messungen vorliegen, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis den Planetenjägern ein „Exosaturn“ samt Ringsystem ins Netz geht. Die Suche danach läuft bereits auf Hochtouren. •

THORSTEN DAMBECK, pro- movierter Physiker, schreibt regelmäßig für bild der wissenschaft. Zuletzt berichtete er im Oktober-Heft über Rosettas Kometenmission.

von Thorsten Dambeck

Verräterische Täler

Als der Kleinplanet Chariklo an einem Stern vorbeizog, verfinsterte sich dieser erwartungsgemäß für ein paar Sekunden – die Lichtkurve zeigt ein tiefes „Tal“ (Mitte). Kurz zuvor und danach nahm die Lichtintensität des Sterns ebenfalls je zweimal für Sekundenbruchteile ab. Das lässt auf eine feine Ringstruktur um Chariklo schließen.

Ein Zentaur im Visier

Der etwa 250 Kilometer große Chariklo, der zu den Zentaur-Planetoiden zwischen Saturn und Uranus gehört, wurde am 3. Juni 2013 von sieben Teleskopen gleichzeitig ins Visier genommen, weil er an dem Stern UCAC4248–108672 vorbeizog (die gestrichelten Linien deuten

Chariklos Bewegung an, wie sie von den genannten Observatorien beobachtet wurde). Das erlaubte nicht nur eine recht genaue Größenbestimmung (blau), sondern führte auch zu einer überraschenden Entdeckung: Kurzfristige Verfinsterungen des Sterns zeigten, dass Chariklo von einem doppelten Ring umgeben ist (rot markierte Messungen; die grün dargestellten Daten sind indirekt erschlossen aus den Zeiten, in denen die Lichtdetektoren „ausgelesen“ wurden). Der schwarze Punkt kennzeichnet den Mittelpunkt des Ringsystems.

Mehr zum Thema

Lesen

Schön bebilderte populäre Einführung: Marcus Chown Das Sonnensystem Edition Fackelträger Köln 2012, € 29,95

Internet

Aktuelle Liste der Zentauren-Kleinplaneten: www.minorplanetcenter.net/iau/lists/ Centaurs.html

Offizielle Website der Cassini-Mission: saturn.jpl.nasa.gov/index.cfm

Kompakt

· Das erste Ringsystem eines Kleinplaneten wurde bei einer Sternbedeckung entdeckt. Es schmückt den Zentauren Chariklo.

· Obwohl Astronomen die Lücken in Saturns Ringen seit dem 17. Jahrhundert kennen, verstehen sie bis heute nicht genau, wie diese entstehen.

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Pinch|ef|fekt  〈[pint–] m. 11; Phys.〉 Kontraktion eines stromdurchflossenen Plasmas durch das durch den Stromfluss erzeugte Magnetfeld [<engl. pinch … mehr

Far|ce  〈[fars()] f. 19〉 1 〈Theat.〉 derb–komische Einlage im französ. Mirakelspiel, im 14.–16. Jh. selbstständiges, kurzes, possenhaftes Spiel in Versen, in dem menschliche Schwächen verspottet wurden 2 Posse … mehr

Flug|leh|rer  〈m. 3〉 jmd., der Flugschüler das Fliegen, das Führen eines Flugzeugs lehrt

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige