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Jeden Tag ein neues Astronomie-Bild – dafür sorgt seit 20 Jahren APOD, „Astronomy Picture of the Day”. Mitgründer Robert Nemiroff berichtet über das größte Astro-Bildarchiv im Internet.

Robert Nemiroff

ist Astrophysiker an der Michigan Technology University in Houghton. Er forscht hauptsächlich über Gammastrahlen-Ausbrüche im fernen All, über Gravitationsphysik einschließlich der Mikrolinsen-Phänomene und über kosmologische Fragen. 1995 hat er zusammen mit Jerry Bonnell am Goddard Space Flight Center der NASA die Website „Astronomy Picture of the Day” (APOD) ins Leben gerufen, die sich zum größten Archiv für erläuterte astronomische Abbildungen im Internet gemausert hat. Nemiroff (* 1960) und Bonnell wurden auch durch die Entwicklung eines Zufallszahlen-Generators bekannt.

bild der wissenschaft: Wie kam es zur Erfolgsgeschichte von „Astronomy Picture of the Day”, Robert Nemiroff?

Robert Nemiroff: Es fing 1995 an. Das World Wide Web begann, sich im großen Stil durchzusetzen. Mein Kollege Jerry Bonnell und ich fragten uns, was wir dazu beitragen könnten. Viele Menschen verschickten damals Fotos per E-Mail – viele erstaunliche Fotos, häufig vom Hubble-Weltraumteleskop. Manchmal wurden die Pressemitteilungen angehängt, manchmal nicht. Daher dachten wir, dass es gut wäre, die Bilder mit den Erläuterungen auf einer einfachen Website zu zeigen. Wir machten uns mit den Copyrights vertraut und begannen einfach. Seit Juni 1995 kommt täglich ein neues Bild.

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Sie haben keinen einzigen Tag ausgelassen?

Nur ganz am Anfang. Selbst bei der Umstellung der NASA-Computer zum Wechsel auf das Jahr 2000, als die Rechner heruntergefahren wurden, brachten wir ein Bild. Ebenso beim „ Government Shutdown” der amerikanischen Regierung im Oktober 2013, wo auch die NASA-Seiten abgeschaltet wurden – aber APOD wurde auf Parallelseiten trotzdem aktualisiert.

Wie ist die Verbindung von APOD und der Raumfahrtbehörde NASA?

Wir haben 1995 beide am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, über Gammastrahlen-Ausbrüche geforscht. Das Internet der NASA war schon sehr leistungsstark, durchaus vergleichbar mit den heutigen Internet-Verbindungen. Damals war die große Bandbreite ungewöhnlich. Das wollten wir nutzen, um den Zugriff möglichst schnell und für viele Menschen bereitzustellen. Die Verwaltung der NASA unterstützte uns, wir erhielten eine offizielle Erlaubnis und durften loslegen. Wir tun das jedoch nicht für die NASA. Auch die Seite ist keine offizielle Seite der NASA, obwohl sie auf deren Domäne läuft, deren Missionen vorstellt, über deren Wissenschaftler berichtet und ästhetisch ans NASA-Design angelehnt ist.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Wir hatten Glück. Wir gehörten zu den Ersten. Wie viele gute Websites war unsere zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und wir halten es einfach – bei der Technik wie bei der Grundidee. Die NASA-Verbindung half natürlich, sowohl beim Image als auch bei der Internet-Verbindung. Von Vorteil war, dass wir beide Astronomen sind, also die Kompetenz haben, die Bilder zu beurteilen und zu beschreiben.

Wie finanzieren Sie APOD?

Sowohl Jerry als auch ich haben einen festen Beruf. APOD ist also fast eine Art Hobby. Unsere Hauptarbeit ist Wissenschaft. APOD ist kein Teil unseres Forschungsbudgets. Wir bekommen von der NASA allerdings eine kleine finanzielle Unterstützung – und die Internet-Infrastruktur. Mehr Geld brauchen wir nicht

Alle Fotos sind für APOD kostenlos?

Richtig, wir bezahlen für die Bilder nichts. Wir nehmen nur kostenfreie Bilder. Wir führen das Copyright an und die Erlaubnis, das Bild zu veröffentlichen. Aber die Veröffentlichung auf unserer Seite ist großartige Werbung.

Sie haben also keine Ausgaben?

Wir haben kein Budget. Die NASA-Förderung ist eine Unterstützung, die unsere Arbeitslast verringert, Ver-besserungen bei der Website ermöglicht, Reisekosten deckt und so weiter.

Wie viele Besucher haben Sie?

Es sind über eine Million täglich. Aber wir wissen das nicht genau. Denn es gibt zahlreiche Mirror Sites, die APOD spiegeln, also ebenfalls veröffentlichen. Ehrenamtliche Helfer übersetzen unsere Texte in insgesamt 20 Sprachen. Diese Seiten gehen nicht in die Statistik ein. Außerdem haben wir über 860 000 Followers bei Twitter, über 770 000 bei Google Plus und rund 160 000 bei Facebook. Wir sind also auch in den sozialen Medien gut vernetzt.

Gibt es starke Schwankungen bei den Zugriffszahlen der Website?

Auf der Hauptseite der NASA ist die Fluktuation gering. Manchmal ist der Zugriff stärker, wenn ein Bild aktuell in den Medien läuft, etwa beim Fernsehsender CNN, oder wenn das Thema große öffentliche Aufmerksamkeit weckt. Ein Beispiel ist der Tscheljabinsk-Meteor über Russland im Februar 2013. Manche Bilder laufen ausgesprochen gut, besonders auf Facebook. Größere Abwärtsfluktuationen gibt es generell nicht.

Wie weit planen Sie voraus?

Jerry und ich arbeiten unabhängig voneinander. Üblicherweise bin ich für Sonntag bis Mittwoch zuständig. Meistens stelle ich die Daten schon am Sonntag für die nächsten Tage bereit. Jerry arbeitet kurzfristiger, typischerweise einen Tag vor dem Erscheinen. Wenn interessante Neuigkeiten kommen, aktualisieren wir. Dann unterbreche ich meine Arbeit als Astronom und schreibe erst einmal einen Text, der mit dem neuen Bild nach Mitternacht erscheint. Um diese Zeit aktualisieren wir. Manchmal arbeiten wir stärker auf Vorrat, besonders bevor wir auf Reisen gehen. Falls etwas Neues dazwischen kommt, können wir die Bilder immer noch verschieben.

Welche Kriterien haben Sie bei der Auswahl der Fotos?

Es gibt eine große Zahl an guten Bildern. Das ist manchmal schade. Denn viele Bilder hätten es verdient, verbreitet zu werden. Aber die Zahl der Tage im Jahr ist begrenzt. Wenn ein Bild in guten Astronomie-Lehrbüchern erscheinen sollte, dann bringen wir es. Auch Bilder, die didaktisch wertvoll sind, weil sie etwas gut veranschaulichen, veröffentlichen wir gern. APOD soll ja nicht nur schöne Fotos zeigen, sondern ist auch ein Archiv.

Auffällig ist: Nicht alle Bilder haben direkt mit Astronomie zu tun.

Ja, und dafür gibt es mehrere Gründe. So ist „Astronomie” kein scharfer Begriff. Planeten gehören dazu – und die Erde ist ein Planet. Warum sollten wir sie ausschließen? Viele bezeichnen Astronomie als alles, was sich jenseits der Erdatmosphäre befindet. Unsere Definition ist breiter. Es gibt großartige und instruktive atmosphärische Erscheinungen. Die zeigen wir auch. Ebenso Menschen, etwa die Internet-Berühmtheit Matt Harding, der weltweit einen kleinen Tanz vor berühmten Kulissen aufgeführt hat (APOD vom 25. Juli 2010 und 10. Juli 2012). Das geschieht aber höchstens ein paar Mal im Jahr. Manchmal bringen wir auch Bilder, die das menschliche Auge verwirren. Solche Ausnahmen machen APOD für Menschen interessant, die die Seite sonst nicht so wahrnehmen. So haben wir am 6. März 2013 ein Millimeter großes Bärtierchen gezeigt. Viele denken, dass das mit Astronomie nichts zu tun hat. Aber Bärtierchen sind sehr robust und können im Weltraum überleben. Ich finde, der Winzling sieht wie ein Alien aus. Obwohl wir natürlich nicht wissen, welches Erscheinungsbild Außerirdische haben – wenn es sie gibt.

Wie ist die Quote von Angebot und Auswahl bei den Bildern?

Ich schätze 10 zu 1. Es gibt Tausende von Bildern. Viele zeigen aber dasselbe Motiv, etwa eine enge Konstellation von Planeten am Nachthimmel. Davon wählen wir dann eines aus. Viele Leute senden uns Fotos. Und natürlich suchen wir auch aktiv nach Bildern.

Und was ist, wenn Sie beide einmal krank werden…?

Wir haben jedes Jahr ein Beiratstreffen, und dabei kommt oft die Frage auf, was geschieht, wenn Jerry und ich unter einen Bus geraten. Wir haben einen Notfallplan. Es gibt andere, die unsere Arbeit machen könnten und würden. Aber wir haben keine konkrete Liste, keinen Nachfolger. Wenn wir beide von einem Meteoriten erschlagen würden, dann erschiene entweder automatisch ein bereits eingestelltes Bild am nächsten Tag auf der Seite, oder das aktuelle bliebe bestehen. Das ist auch schon geschehen, weil die Technik versagt hat. Wir bekamen dann gleich aufgeregte E-Mails von Leuten, die sich besorgt erkundigten, was denn los sei.

Gibt es kontroverse Diskussionen bei der Auswahl?

Wir sind uns meistens einig. Und wir kritisieren unsere Bildauswahl nicht. Wir informieren uns aber, um nicht Dopplungen zu erzeugen – vor allem, wenn wir im Voraus arbeiten. Doch es ist schon passiert, dass wir beide unabhängig voneinander einen Text zum selben Foto geschrieben haben.

Hin und wieder zeigen Sie auch ein früheres Foto noch einmal.

Ja, üblicherweise sonntags – manchmal mit einer höheren Auflösung oder mit einem anderen Bildausschnitt. Häufig wird dann der Text aktualisiert, weil neue Fakten hinzu gekommen sind oder Hyperlinks nicht mehr funktionieren. Es gibt ja viele Leute, die APOD neu für sich entdecken – und die wissen vielleicht nichts von den großartigen Bildern der Vergangenheit, etwa von den „ Säulen der Schöpfung” oder dem Foto der Erde aus der Mondumlaufbahn.

Haben Sie schon einmal bereut, ein bestimmtes Bild gebracht zu haben?

Es gibt ein paar Leute, die uns foppen wollen und Fälschungen angeboten haben, die sehr realistisch aussahen. Wir sind gut darin, das zu erkennen. Aber ein paar Scherze sind uns durchgerutscht. Mehr verrate ich jetzt nicht. Wir haben die Bildlegenden korrigiert, aber die Bilder selbst nicht entfernt. Wir haben noch nie ein Bild aus unserer Sammlung genommen.

Wie lange wollen Sie APOD noch betreiben?

Ich mache weiter, so lange ich kann. Vielleicht wird die NASA eine andere Richtung einschlagen. Wir haben Freunde und Unterstützer in der Verwaltung, aber man kann nie wissen. Doch notfalls würden wir mit APOD umziehen. Wir werden jedenfalls nicht aufhören.

Langweilt Sie die Arbeit an APOD auch manchmal?

Unsere Arbeit ist eine coole Sache – sie ist einfach großartig. Wir bekommen so viele schöne Bilder zu sehen. Wir sind in einer privilegierten Position. Ich denke auch nicht, dass sich das APOD-Konzept überlebt. Es wird mehr Videos geben, und die Aktivitäten verlagern sich zunehmend in soziale Netzwerke. Aber das Konzept eines täglichen Astronomie-Bilds wird Jerry und mich überleben. •

Das Gespräch führte Rüdiger Vaas

APOD auf Deutsch

Seit 2007 erscheint „Astronomy Picture of the Day” auch in einer deutschsprachigen Ausgabe (www.starobserver.org). Es sind dieselben Bilder, versehen mit einem übersetzten Text. Verantwortlich dafür ist die Hobbyastronomin und Grafik-Designerin Maria Pflug-Hofmayr aus Wien.

Mehr zum Thema

Internet

APOD im Web: apod.nasa.gov

Homepage von Robert Nemiroff: www.mtu.edu/physics/department/faculty/nemiroff

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